Die Eröffnung der IAA in Frankfurt ist für die heimischen Autobosse eigentlich eine tolle Sache. Ministerpräsidenten und Bundesminister stehen Schlange, n-tv überträgt live und obendrein erweist auch noch die Bundeskanzlerin dem wichtigsten deutschen Industriezweig regelmäßig ihre Referenz.

Doch in diesem Jahr dürfte die Freude über den Termin im Kanzler-Rampenlicht bei den Chefs von BMW, Daimler, Volkswagen und Co. getrübt gewesen sein. Denn statt des üblichen automobilen Hochamts gab es zum Auftakt am Donnerstag erst mal Schimpfe von Mutti. "Die Autoindustrie", ermahnte Merkel die Bosse fast auf den Tag zwei Jahre nach Ausbruch der Dieselkrise, müsse "das Vertrauen so schnell wieder möglich zurückgewinnen".

Dabei hatten sich die Autobauer zuvor so viel Mühe gegeben, das leidige Diesel-Thema samt der unerquicklichen Debatten über Fahrverbote und den Verdacht über angebliche Kartellabsprachen endlich hinter sich zu lassen. "Bis 2022 werden wir das gesamte Produktportfolio von Mercedes-Benz elektrifizieren", hatte etwa Daimler-Chef Dieter Zetsche auf einer Investoren-Konferenz am Montag angekündigt. Auch Erzrivale BMW drückt beim Ausbau seines E-Portfolios mächtig aufs Gas. Bis 2025 will der Konzern 25 E-Modelle im Portfolio haben, zwölf davon als reine Stromer, ließ BMW-Chef Harald Krüger im Vorfeld der IAA via Pressemitteilung wissen.

Am weitesten aus der Deckung wagte sich ausgerechnet der Volkswagen-Konzern, bei dem die leidige Branchenkrise ihren Anfang nahm. Bis 2025 wollen die Niedersachsen insgesamt 80 neue Elektromodelle auf den Markt bringen und dafür satte 20 Milliarden Euro lockermachen. Man werde, tönte Konzernboss Matthias Müller auf einer Presseveranstaltung am Montag Abend mit Blick auf das riesige Budget schon mal, "die Revolution in unserer Industrie anführen".

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Aus der Defensive



Bei Branchenexperten kommen die E-Offensiven bei BMW, Daimler und Volkswagen durchaus an. Zwar sei es noch zu früh, von einem Wendepunkt zu sprechen, sagte Frank Schwope, Autoanalyst bei der NordLB in Hannover. Doch immerhin komme die Branche "allmählich aus der Defensive".

Ähnlich äußerte sich auch Professor Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen. Die jüngsten Signale aus Frankfurt wiesen in die richtige Richtung. Vor allem Volkswagen sei auf einem "sehr guten Weg". Die Neuausrichtung sei "mit konkreten Zahlen unterfüttert". Dazu gebe es "eine klare Strategie in Sachen Batterie-Fertigung", lobte der Branchenexperte, der zuletzt als einer der größten Kritiker der Wolfsburger galt.

Um den absehbaren Bedarf an Batteriezellen zu decken, haben die Niedersachsen gerade eine entsprechende Ausschreibung gestartet. Das Volumen ist gigantisch. In den nächsten Jahren will der volumenstarke Konzern Zell-Aufträge im Gesamtwert von 50 Milliarden Euro unters Zuliefervolk bringen.

Auch NordLB-Analyst Schwope glaubt, dass die deutschen Autobauer derzeit die Weichen richtig stellen. Die Chancen seien "gut, dass die Hersteller den gewaltigen Kraftakt in Richtung E-Mobilität bewältigen können und ihre weltweit Spitzenstellung auch langfristig verteidigen." Von daher habe der Dieselskandal die Branche "immerhin wachgerüttelt".