Wie bereits bekannt ist, hat Volkswagenden Absatz in den ersten sechs Monaten weltweit um sieben Prozent auf 5,5 Millionen Fahrzeuge gesteigert. Für das zweite Quartal erwarten von Reuters befragte Experten für im Schnitt vor Sondereinflüssen einen Betriebsgewinn von knapp fünf Milliarden Euro. Davon wird das von der Staatsanwaltschaft wegen der Dieselaffäre verhängte Bußgeld von einer Milliarde Euro abgezogen. Auch könnten weitere Rückstellungen für die Dieselmanipulationen verbucht werden, vermuten Konzernkenner.

Das gute Ergebnis will Diess nutzen, um sich bei einer Pressekonferenz in Wolfsburg den Fragen der Journalisten zu stellen - ein Novum. Dabei dürfte es vor allem um die Personalien der vergangenen Wochen und die Strategie gehen. Der einstige BMW-Manager Diess, der seit April an der Spitze des weltgrößten Autobauers steht und davor die Hauptmarke VW leitete, will den Tanker Volkswagen wendiger machen. Dazu hat er die zwölf Marken des Dax-Konzerns in sechs Geschäftsfelder gegliedert, wobei die Pkw-Marken in den Segmenten Massenmarkt, Premium und Luxus gebündelt wurden. Dadurch sollen Doppelarbeiten vermieden werden.

Den früheren BMW-Spitzenmanager Markus Duesmann, den er aus seiner Zeit beim Münchner Autobauer kennt, lotste Diess jüngst ebenfalls zu Volkswagen. Der 49-Jährige soll in den VW-Vorstand einrücken, sobald sein bisheriger Arbeitgeber ihn ziehen lässt. Er könnte den bisherigen Audi-Chef Rupert Stadler ablösen, der wegen des Dieselskandals in Untersuchungshaft sitzt und beurlaubt ist.

Experten rechnen damit, dass Volkswagen durch den Umbau schlummernde Kräfte freisetzen kann und der Gewinn steigt. Insider halten schon in wenigen Jahren einen Betriebsgewinn von mehr als 25 Milliarden Euro für möglich. Im vergangenen Jahr lag das Ergebnis vor Sondereinflüssen bei 17 Milliarden Euro.

VORZIEHEFFEKTE



Trotz des Rekordquartals wird Diess vermutlich vor zu viel Euphorie warnen. Denn das vergleichsweise hohe Absatzplus in den vorangegangenen Monaten liegt nach Meinung von Analysten auch an Vorzieheffekten wegen des neuen Abgastestzyklus WLTP. Schon im August könnte der Konzern ihrer Meinung nach wegen der Umstellung aus dem Tritt geraten. "Das größte Volumen- und Ergebnisrisiko kommt aus der Umstellung auf den WLTP-Testzyklus", sagte Diess unlängst vor Top-Managern des Konzerns.

VW hat bereits angekündigt, dass die Bänder nach den Werksferien zeitweise stillstehen werden und die Arbeit im Stammwerk an ein bis zwei Tagen in der Woche ruht. Dazu ist VW gezwungen, weil man wegen der Vielzahl von mehr als 260 Motor- und Getriebevarianten sowie Ausstattungen der Modelle mit den vorgeschriebenen Tests nicht nachkommt. Nach den EU-Regeln dürfen Neuwagen ab Anfang September nur noch verkauft werden, wenn sie WLTP durchlaufen haben. Bei Volkswagen könnten aufgrund der Testverfahren mehr als 200.000 Fahrzeuge später als geplant gebaut werden. Konkurrent Daimler hat die Umstellung auf das Abgasmessverfahren bereits als Grund genannt, warum der Absatz in diesem Jahr voraussichtlich stagnieren wird.

Volkswagen ist zuversichtlich, die Delle wettzumachen. Ob das noch in diesem Jahr gilt, steht allerdings in den Sternen. Unternehmenskenner rechnen dennoch damit, dass Diess die Prognose für das laufende Jahr bekräftigen wird. Demnach sollen die Auslieferungen 2018 moderat steigen, der Umsatz um bis zu fünf Prozent zulegen und die operative Rendite zwischen 6,5 und 7,5 Prozent liegen. Zu Jahresbeginn hatten Analysten den Ausblick angesichts der guten Zahlen als wenig ambitioniert kritisiert. Nun könnte sich herausstellen, dass der Vorstand nicht ohne Grund vorsichtig war.

rtr