Die Länder sollten gemeinsame "Corona-Anleihen" erwägen. Italiens Notenbankchef Ignazio Visco zufolge muss ein Werkzeug gefunden werden, mit dem ein Wiederaufbau nach der Krise möglich werde. EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis stellte Überlegungen vor, die die Tür hin zu unbegrenzten Staatsanleihenkäufen der EZB öffnen könnten.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte vergangene Woche ein umfassendes Notfall-Programm zur Stützung der Wirtschaft beschlossen. Es sieht bis Ende 2020 neue Käufe von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren im Volumen von 750 Milliarden Euro vor. Damit summieren sich die für dieses Jahr anvisierten Wertpapierkäufe der EZB mittlerweile auf rund 1,1 Billionen Euro. Laut EZB-Ratsmitglied Visco haben die Maßnahmen der Notenbank die Spannungen an den Märkten verringert, wie er der italienischen Zeitung "La Stampa" (Montagausgabe) sagte. "Wir glauben heute, dass diese ausreichen. Aber wir sind bereit, mehr zu tun, wenn nötig."

Portugals Notenbankchef Costa sieht nun Europa gefordert. Eine gemeinsame und weitreichenden Antwort sei notwendig. "Ein Scheitern der Kooperation in dieser Krise würde das europäische Projekt permanent beschädigen," warnte er. Costa zufolge würden die Finanzmärkte das schwächste Glied unter den Ländern angreifen, wenn die Staaten nicht auch unabhängig von ihrer Haushaltslage finanziell zusammenstünden. "Eine Option, die weitere Analyse verdient, ist die Möglichkeit, dass der Europäische Stabilitätsmechanismus 'Corona-Bonds' ausgibt, wobei die Einnahmen an alle bedürftigen Mitgliedsstaaten gelenkt werden."

Die Idee ist hinter "Corona-Bonds" ist, dass sich wirtschaftlich stärkere Staaten wie Deutschland oder die Niederlande mit schwächeren verbünden und gemeinsame Anleihen ausgeben. Italien etwa würde dann deutlich weniger Zinsen zahlen müssen, weil Investoren die Gemeinschaftsanleihen dank der hohen Bonität von Deutschland einen geringeren Risikoaufschlag verlangen dürften.

BRÜSSEL ERWÄGT "CORONA-BONDS"


EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte sich am Freitag offen für die Idee gemeinsamer Anleihen der Euro-Staaten gezeigt. Diese war vor allem in Deutschland in der Vergangenheit immer wieder auf Ablehnung gestoßen. An den Anleihemärkten war zuletzt vor allem das besonders stark von der Virus-Krise betroffene Italien ins Visier der Anleger geraten. Dessen Notenbank-Chef Visco sagte zu solchen Anleihen, es sei wichtig, schnell ein Instrument zu definieren, dass dem Währungsraum ermöglichen würde, eine Phase des "Wiederaufbaus" zu starten.

Für Volkswirte kommt die Diskussion um gemeinsame Anleihen nicht unerwartet. Notenbanken aus Industrieländern mit hohen Staatsschulden würden während der Corona-Krise, aber auch danach alles Erdenkliche tun, um systemische Verwerfungen im Keim zu ersticken, meinte Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe. "Neue Maßnahmen, etwa Gemeinschaftsanleihen, überraschten uns nicht."

UNBEGRENZTE STAATSANLEIHENKÄUFE


Am Samstag hatte EU-Kommissionsvize Dombrovskis in Aussicht gestellt, die Brüsseler Behörde werde womöglich diese Woche ein Instrument für den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) vorstellen, das im Notfall von der Krise besonders hart betroffene Länder unterstützen soll. Damit seien womöglich dann auch unbegrenzte Staatsanleihenkäufe der EZB möglich. Das könne über das OMT (Outright Monetary Transactions) getaufte Notenbank-Programm geschehen. Dieses bislang noch nie benutzte Krisenwerkzeug erlaubt es der EZB, im Notfall unter bestimmten Bedingungen gezielt in unbegrenztem Ausmaß Anleihen einzelner hoch verschuldeter Euro-Staaten aufzukaufen.

Der Euro-Rettungsschirm ESM verfügt derzeit über einen ungenutzten Kreditspielraum von 410 Milliarden Euro. Dombrovskis zufolge ist der Umfang der ESM-Programme aber möglicherweise begrenzt, da der Schock diesmal alle Mitgliedsstaaten betreffe. Daher sei es wichtig ein ESM-Werkzeug zu besitzen, das, wenn notwendig, OMT-Käufe der Notenbank ermögliche.

rtr