In der Tat, die Staatsanleiherenditen sind in den Euro-Ländern trotz Politikern, die kaum einen Reform-Finger krumm gemacht haben, auf Niveaus gefallen, die in normalen Finanz-Zeiten nur Ländern mit Triple A-Bonität gewährt werden.

Doch können die wahrhaft blühenden Landschaften der Euro-Rentenmärkte nicht verdecken, dass am Ende der Euro-Schuldenkrise noch unendlich viel Euro-Konjunkturkrise übrig ist. Deflationsgefahren sind eindeutig auszumachen.

Auf Seite 2: In Euroland hat Preisstabilität mittlerweile eine ganz andere Bedeutung bekommen

In Euroland hat Preisstabilität mittlerweile eine ganz andere Bedeutung bekommen

Deflation ist die Urkatastrophe einer Volkswirtschaft. Niemand kauft, weil es immer günstiger wird und niemand produziert, weil keiner die Produkte kauft. Die USA hatten ihre deflationäre Blütezeit in den Dreißigerjahren unter dem Namen "The Great Depression".

Und 1989, nach dem Bersten seiner gigantischen Immobilienblase, glitt Japan in die deflationäre Depression ab, die bis heute nicht wirklich beendet ist. Der einst wie in Deutschland dicke japanische Mittelstandsbauch ist längst zur Wespentaille geworden.

Nach den USA und Japan scheint der Deflations-Stab an die Eurozone weitergereicht zu werden. Die Preise in der Eurozone steigen aktuell nur noch um 0,3 Prozent. Die Nulllinie ist in Sichtweise. Leider sind die günstigen Preise nicht Folge enormer Produktivitätsfortschritte. Sie sind Ausdruck einer insgesamt lethargischen Euro-Wirtschaft. Besserung wird von Seiten der Demographie nicht kommen. Ähnlich wie in Japan nimmt die Bevölkerung. Dagegen steigen die Anzahl der Amerikaner und damit die gesamtwirtschaftliche Kaufkraft der USA kontinuierlich an.

Der eurozonale Export, insbesondere der deutsche ist sicherlich ein solider Stabilisierungsfaktor. Aber aufgepasst, auch die USA und die Schwellenländer, die wir lange Jahre als dankenswerte Nachfrager unserer Produkte kennen, werden durch ihre beherzte Industriepolitik immer mehr zu großen Konkurrenten auf der Anbieterseite. Da Euroland ohnehin reich an Rohstoffarmut ist, haben wir auch noch ein Abhängigkeitsproblem.

Insgesamt geht die Angst um, dass Euroland in deflationäre Stagnation gerät, die sich hartnäckig wie Kaugummi am Schuh hält.

Auf Seite 3: Wie viel Reformpolitik steckt in der GroKo?

Wie viel Reformpolitik steckt in der GroKo?

Und wie gehen unsere Euro-Politiker gegen dieses deflationäre Umfeld vor? In ihren Bemühungen, die nationalen Standortqualitäten über z.B. produktivitätssteigernde und arbeitsplatzschaffende Investitionen zu verbessern, haben sie schwach angefangen und dann stark nachgelassen. Auch Deutschland hat keinen Anlass, sich auf seinen Lorbeeren ausruhen - die massiv der Agenda 2010-Reformpolitik geschuldet sind - oder sich daran zu ergötzen, in der Eurozone der wirtschaftliche Platzhirsch zu sein. An der deutschen Exportwirtschaft hängt zu viel, als dass sie sich mit Bühne Eurolands begnügen sollte. Es geht darum, dass wir auf der großen globalen Bühne der Wettbewerbsfähigkeit bestehen. Die Reformpolitik à la Agenda 2010 darf kein One Hit-Wonder bleiben, sie muss zu einem Evergreen werden.

Auf Seite 4: Die Lösung der Schuldenkrise war der erste Streich, doch der nächste folgt sogleich

Die Lösung der Schuldenkrise war der erste Streich, doch der nächste folgt sogleich

Jetzt da die Euro-Staatsschuldenkrise EZB-seitig beigelegt ist, warten die Politiker auf den geldpolitische Lösung der Euro-Konjunkturkrise wie Kinder auf die Bescherung an Weihnachten. Der japanische Deflationsvirus soll mit einem geldpolitischen Breitband-Antibiotikum bekämpft werden. Nach dem Ende ihrer Leitzinssenkungspolitik soll sie wie Japan auch schon die Liquiditätshähne weit aufdrehen. Aber auch die allmächtige EZB ist nicht allmächtig genug. Banken können nicht gezwungen werden, das zinsgünstige Notenbankgeld in Form von Krediten an Unternehmen auszuleihen. Für die Euro-Konjunktur heißt das: Ohne Moos nix los!

Die EZB kann keine volkswirtschaftliche Ersatznachfrage schaffen. Sie kann keine Überproduktionen an Kühlschränken, Waschmaschinen oder Autos aufkaufen, die sie dann in Euroland auf einem ausrangierten Großflughafen kontrolliert verrotten lässt.

Ist die Euro-Volkswirtschaft nicht in der Lage, auf eigenen Füßen zu stehen, befürchte ich, dass die Euro-Politiker auf die alten Konzepte aus der Mottenkiste der Wirtschaftspolitik zurückgreifen und Neuverschuldung wieder hoffähig wird. Warum auch nicht, die Schuldzinsen werden doch von der EZB so günstig angeboten, oder? Also ich habe noch nie von einem Land gehört, dem es gelungen ist, Privatwirtschaft erfolgreich durch Staatswirtschaft zu ersetzen. Dieser Ausweg ist eine Sackgasse. Am Ende hat Euroland noch mehr Schulden und dennoch nur eine Wirtschaft, die stagniert und deflationiert.

Auf Seite 5: Bei Staatsschulden zeigt Deflation ihre besonders hässliche Fratze

Bei Staatsschulden zeigt Deflation ihre besonders hässliche Fratze

Nur eine prosperierende Privatwirtschaft mit Unternehmensinvestitionen und Arbeitsplatzaufbau verhindert eine deflationäre Schrumpfung der Volkswirtschaft und ermöglicht erst die ordentliche Staatsschuldenbedienung. Erzielt die Wirtschaft keine positiven Erträge, macht sich der fatale Charakter von Staatsschulden als Fixkosten schnell negativ bemerkbar. Ähnlich wie Mieten, die auch dann in voller Höhe entrichtet werden müssen, wenn am Ende des Monats noch viel Geld übrig bleibt, sind Schulden auch dann vollständig zu bezahlen, wenn eine Volkswirtschaft deflationiert. Sinkende Preise machen fixe Verbindlichkeiten schwer wie Blei.

Zum Schluss bleibt der Politik nur noch der Ausweg, die überbordende Staatsverschuldung mit Steuererhöhungen in den Griff zu bekommen. Damit reißt man der Privatwirtschaft endgültig den Boden unter den Füßen weg. Und wenn alle Stricke reißen - so zeigt es die Geschichte - geht es zu wie beim Friseur: Schuldenschnitt oder neudeutsch "Haircut".

Hoffen wir also, dass die Damen und Herren Euro-Politiker sich nicht nur an der eingängigen Melodie von "Money can’t buy me love" erfreuen. Auf den Text kommt es an. Zur Not besorgt man sich eine Übersetzung.

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Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.