Nach einem weiteren Schwächeanfall hat der Goldpreis den Monat Juli bei unter 1.100 Dollar je Feinunze beendet und auch aktuell wird das Edelmetall unter dieser Marke gehandelt. Obwohl der Preis gegenüber dem im September 2011 markierten Rekordhoch von 1.900 Dollar schon deutlich mehr als 40 Prozent nachgegeben hat, rechnen Analysten im Schnitt mit weiteren Verlusten. Laut einer Bloomberg-Umfrage unter 16 Marktexperten soll der Goldpreis bis Jahresende auf 985 Dollar die Feinunze fallen.

Vom Verfall des Goldpreises werden wenig überraschend auch die Goldaktien arg in Mitleidenschaft gezogen. So hat der Philadelphia Gold- und Silberminen-Index seit dem 2011er-Hoch sogar gut 79 Prozent an Wert verloren. Die Nerven liegen somit blank bei den Anlegern und viele Marktteilnehmer fragen sich, wie die Produzenten mit den aktuell erreichten Preisen oder eventuell noch niedrigeren Preisen zurechtkommen werden.

Um diese Frage zu beantworten haben die Analysten beim kanadischen Finanzdienstleister Canaccord Genuity die Goldproduzenten aus Nordamerika und Australien einem Stresstest unterzogen. Gleichzeitig finden die Experten aber auch Gründe, warum sie nicht mehr mit weiter nachgebenden Goldpreisen rechnen und auch bei den Goldaktien ein günstiges Chancen-Risiko-Verhältnis wittern.

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Barrick Gold bei einem weiter fallenden Goldpreis meiden



Ein kurzfristig weiter fallender Goldpreis sei allerdings bei folgender Konstellation denkbar: Die Realzinsen steigen in Kombination mit einem anziehenden Dollar und wenn der Kurseinbruch am Aktienmarkt in China zu weiteren Zwangsverkäufen zur Kapitalbeschaffung beim Gold führe. Ein Test der 1.000 Dollar-Marke sei dann beim Gold nicht völlig auszuschließen. Allerdings habe der Market Vectors Gold Miners ETF gegenüber dem Goldpreis in den vergangenen zwölf Monaten schon um 35 Prozent schlechter abgeschnitten, so dass jetzt mit einer etwas geringeren Anfälligkeit nach unten zu rechnen sei, als das historisch mit einem Verhältnis von 2,5:1 der Fall gewesen sei.

Auf dem aktuellen Niveau (Stand 28. Juli) würden die Goldaktien jedenfalls schon einen Goldpreis von 1.029 Dollar vorwegnehmen. Sollten die 1.000 Dollar getestet werden (gleichzeitig wird bei diesem Szenario ein Silberpreis von 13,25 Dollar je Feinunze unterstellt sowie von ein Kupferpreis von 2,25 Dollar das Pfund), seien bei den Goldaktien weitere Verluste von 10-15 Prozent denkbar, während bei einem Anstieg auf 1.200 Dollar Kursgewinne von mehr als 25 Prozent drin sein könnten.

Sollte der Goldpreis weiter in Richtung 1.000 Dollar nachgeben, werden Goldcorp und Agnico Eagle Mines unter den alteingesessenen Unternehmen als am besten positioniert eingestuft. Denn diese beiden Unternehmen verfügten über ein starkes organisches Wachstumsprofil, eine sich verbessernde Cash-Bilanz und einen Bewertungsabschlag. Gemieden werden sollten dagegen Golden Star und Endeavour, weil hier Insolvenzrisiko bestehe. Weil es bei diesem Szenario noch einigen Abschreibungsbedarf gebe, sollte auch um Barrick Gold, Perseus und IAMGOLD ein Bogen gemacht werden.

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Beim Gold-Negativszenario besteht teilweise sehr hoher Korrekturbedarf



Derzeit seien die mittleren und kleineren Produzenten besser als die großen Unternehmen positioniert, um mit den aktuellen Goldpreisen zurechtzukommen und das gelte auch für einen Preis von um die 1.000 Dollar. Verändern würde sich dagegen die Ausgangslage bei einem Rückgang in den Bereich von 900 Dollar die Feinunze. Was die Bewertung angehe, seien die nordamerikanischen Produzenten derzeit mit einem Verhältnis von Kurs zum Nettoinventarwert je Aktie von 0,65 ausgestattet. Noch im Februar habe sich diese Kennziffer bei 0,95 bewegt. Den australischen Produzenten werde dagegen noch immer ein Wert von 1,0 zugestanden.

Historische Entwicklung von Kurs zum Nettoinventarwert





Sollte sich der Goldpreis auf 1.000 Dollar verringern, müssten die Nettoinventarwerte verglichen mit den hausinternen Goldpreisprognosen im Schnitt rund 38 Prozent tiefer angesetzt werden. Am stärksten negativ betroffen wären IAMGOLD (-86 Prozent), Barrick Gold (-85 Prozent), B2Gold (-70 Prozent), Perseus Mining (-68 Prozent), New Gold (-65 Prozent) und Yamana Gold (-62 Prozent). Kinross Gold, Detour Gold und Yamana Gold würden bereits jetzt mindestens 15 Prozent unter dem Nettoinventarwert gehandelt, der bei einem langfristigen Goldpreis von 1.000 Dollar zu unterstellen wäre. Konkret wird bei Barrick Gold der Nettoinventarwert bei einem Goldpreis von 1.000 Dollar auf nur noch rund vier Dollar je Aktie taxiert.

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Ausfallrisiko im Negativszenario bei Golden Star Resources und Endeavour Mining



Insgesamt wird der Sektor laut Canaccord Genuity unter Ausklammerung von Ausreißern und der Annahmen eines Goldpreises von 1.000 Dollar mit dem 1,1-fachen Nettoinventarwert gehandelt. Das Verhältnis von Kurs zum Cash Flow wird für die nordamerikanischen Branchenvertreter mit dem 4,4-fachen angegeben. Das entspricht einem neuen Tief und liegt klar unter der jüngsten Zweijahresrange vom 5,4- bis zum 10,3-fachen (Durchschnittswert: 7,5-fache).

Entwicklung des Verhältnis von Kurs zum Cash Flow (auf geschätzter 12-Monatsbasis) zum Goldpreis





Von kurzfristigen Minenschließungen sei bei den beobachteten Goldproduzenten, die für rund 38 Prozent der weltweiten Produktion stehen, erst 2,2 Prozent der weltweiten Produktion betroffen. Zahlreiche neue Projekte seien aber abgebrochen worden, was in einem rund zehn Prozent niedrigeren Produktionsprofil mit Blick auf das Jahr 2020 resultiere. Die Nettoverschuldung unter den Seniorproduzenten gemessen am Gewinn vor Steuern, Zinsen, Abschreibungen und Amortisation steige dann bis 2017 von dem derzeit 1,6-fachen auf das 1,9-fache. Das Ausfallrisiko beschränke sich bei diesem Szenario auf Golden Star Resources und auf Endeavour Mining. Ein Dividendenkürzungsrisiko bestehe bei Barrick Gold und bei Beadell Resources, Yamana Gold, Goldcorp und Agnico Eagle Mines hätten Flexibilität bei ihrer Dividendenpolitik, sofern die Verantwortlichen bereit seien, kurzfristigen bilanziellen Stress in Kauf zu nehmen oder Anpassung bei den geplanten Projekten vorgenommen werde.

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Vorteilhaftes Chance-Risiko-Verhältnis für Goldaktie im Hauptszenario



Das geschilderte Negativszenario ist aber nicht das, was Canaccord Genuity für am wahrscheinlichsten am Goldmarkt hält. Nachdem es bereits erste Anzeichen von Kapitulation unter den Marktteilnehmern gegeben habe, rechnen die Analysten vielmehr damit, dass bei Gold im Laufe des kommenden Jahres aus einem Deflationshandel ein Inflationshandel wird. Eine Zinserhöhung in den USA im September im Verbund mit einer Politik, welche die Gefahr weiterer Zinserhöhungen klein reden wird, könnte sich als dämpfend für den Dollar und als bullisch für den Goldpreis erweisen.

Nicht vergessen werden sollte auch die traditionell günstige saisonale Phase für Gold in den Monaten August und September sowie die Tatsache, dass an der Terminbörse Comex die spekulativen Long-Positionen bereits drastisch abgebaut wurden. Auf dem inzwischen erreichten Niveau der Netto-Long-Positionen sei es in den beiden letzten vergleichbaren Fällen anschließend zu einer Goldpreisrally von rund 16 Prozent gekommen.

Nachdem die Goldaktien gegenüber dem Goldpreis zuletzt schon so schlecht abgeschnitten hätten wie seit mindestens zehn Jahren nicht mehr und das Bewertungsniveau der Goldaktien bereits einen noch tieferen Goldpreis unterstelle, stufen die Analysten von Canaccord Genuity das Chance-Risiko-Verhältnis als vorteilhaft ein. Als weltweite Topempfehlungen unter den Seniorproduzenten aus Nordamerika werden Yamana Gold und Agnico Eagle Mines genannt, Saracen, St. Barbara, Acacia, Primero und B2Gold unter den mittelgroßen Produzenten und Silver Wheaton bei den Gold-Royalty-Gesellschaften.

Relativ Goldaktien-Performance nach einem Zwischentief (in Tagen nach dem Tief)