Die Geldmengen steigen rasant, die Staaten weisen horrende Haushaltsdefizite auf, und ordnungspolitisches Denken ist aus der Mode gekommen. So dramatisch liest sich der Auftakt einer aktuellen Studie der Commerzbank mit dem Titel "Inflation - Die Lehren aus den USA der 60er Jahre".

Wie es in dem Bericht dann weiter heißt, fürchten viele Anleger in diesem Umfeld eine Rückkehr der Inflation. Dass diese Ängste durchaus berechtigt sind, zeigen laut Chefvolkswirt Jörg Krämer die Erfahrungen der USA in den 60er Jahren. Nachdem damals die US-Inflation bis Mitte des Jahrzehnts wie heute stabil unter der Marke von zwei Prozent gelegen habe, sei es anschließend spürbar nach oben gegangen. Ende der 60er Jahre, also lange vor dem Ölpreisschock von 1973, habe die Teuerungsrate bereits fünf Prozent betragen (siehe Grafik).

Mit Hilfe der Commerzbank-Publikation zeigen wir nachfolgend, was die Inflation Mitte der 1960er-Jahre in den USA anschob und was das gegebenenfalls für die heutige Zeit bedeutet. Außerdem bedienen wir uns eines Reports von Ned Davis Research um aufzuzeigen, was DIE Konsequenzen eines inflationären Schubs für die Aussichten von Anlagen in Aktien, Anleihen und Gold haben könnte. Dabei helfen die Vergangenheitsvergleiche, die der US-Finanzdienstleister in seiner Studie aufzeigt.


Warum die US-Inflation Mitte der 60er zu steigen begann



Laut den Ausführungen der Commerzbank ging der unerwartete Anstieg der Inflation Mitte der 1960er-Jahre vor allem auf drei Faktoren zurück:

Erstens kosteten der Vietnamkrieg und der Ausbau des Sozialstaates unter Präsident Johnson viel Geld. Der zuvor weitgehend ausgeglichene US-Bundeshaushalt drehte ins Minus. Trotz der boomenden Konjunktur betrug dieses mehr als ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts, was für damalige Verhältnisse hoch war, so Krämer.

Zweitens hat gemäß dem Commerzbank-Chefvolkswirt die US-Notenbank einen Teil der Staatsausgaben mit der Notenpresse finanziert. So habe sie damals während der Emission neuer Staatsanleihen deren Kurse stabil halten müssen, was sie häufig zu umfangreichen Anleihekäufen gezwungen habe. Dadurch sei viel Geld in Umlauf gelangt, die Geldmenge M2 sei gemessen am Produktionspotential zu stark gewachsen (siehe Grafik). Die Zentralbank habe das zugelassen - auch weil sie sich verpflichtet gefühlt habe, der klammen Regierung zu helfen. Der US-Ökonom Allan Meltzer habe die Gemütslage der damaligen Zentralbanker in einem Aufsatz detailreich beschrieben.



Drittens sei die Arbeitslosenquote außergewöhnlich niedrig gewesen. Die Wirtschaft habe kaum noch über freie Kapazitäten verfügt, was die im keynesianischen Denken der Zeit verhafteten Verantwortlichen aber nicht erkannt hätten (siehe Grafik). Nach einer Weile hätten die Arbeitskosten kräftig zu steigen begonnen. Das Zuviel an Geld habe sich dann in einer steigenden Inflation niederzuschlagen begonnen.


Die Parallelen zur Gegenwart stechen ins Auge



Vergleicht man die USA der 60er Jahre mit der Gegenwart, stechen die Parallelen aus der Sicht der Commerzbank ins Auge. In vielen westlichen Ländern sei der Kredithunger der Staaten auch heute sehr hoch - und dabei dürfte es bleiben, weil die Menschen nach der Erfahrung der Corona-Krise einen größeren Staat akzeptierten.

Wie damals kooperierten die Zentralbanken wieder eng mit den Regierungen. Das gelte besonders für den Euroraum, wo die EZB mit ihren Anleihekäufen die Haushaltsdefizite der Euro-Staaten im vergangenen Jahr fast vollständig finanziert habe.

Das einzige, was dies- und jenseits des Atlantiks noch fehle, sei eine niedrige Arbeitslosigkeit. Deshalb drohe in diesem und im kommenden Jahr abgesehen von Sondereffekten noch kein echtes Inflationsproblem. Aber in vielleicht vier oder fünf Jahren könnten die Arbeitsmärkte angetrieben von einer lockeren Geldpolitik wieder eng sein und die Lohnkosten deutlich steigen.

Dazu wird laut Krämer beitragen, dass der Anteil der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter in den wirtschaftlich aktiven Weltregionen zunehmend sinkt. Außerdem werde sich China, dessen steigendes Güterangebot die Inflation weltweit lange gedämpft habe, schrittweise aus der internationalen Arbeitsteilung zurückziehen. Leider sind nach Einschätzung der Commerzbank folglich die weitverbreiteten Inflationssorgen zumindest auf die längere Sicht berechtigt.

Was eine steigende Inflation für die Volkswirtschaft, Aktien, Anleihen und Gold bedeuten



Auch die Analysten bei Ned Davis Research widmeten sich in einer jüngst veröffentlichten Studie dem Thema Inflation sowie der Frage, was im Falle einer deutlich anziehenden Teuerung daraus an Folgen für Volkswirtschaft, Aktien, Anleihen und Gold resultieren könnten.

Der Senior-Investment-Stratege des US-Finanzdienstleisters konstatiert in den Report zunächst einmal für die USA stark gestiegene Staatsausgaben. Zusammen mit anderen Einflussfaktoren schlage sich dies bereits in einer gestiegenen Wachstumsrate bei den Verbraucherpreisen nieder.

Das dazu passende hauseigene Inflations-Timing-Modell sei bereits im November des Vorjahres deutlich gestiegen. Das sei der Zeitpunkt gewesen, als man intern bei Ned Davis Research damit begonnen habe, verstärkt nach Hinweisen für steigende Inflationsraten Ausschau zu halten.

Für die Wirtschaft müsse dies aktuelle aber noch kein Schaden sein. Inflation könne erfahrungsgemäß eine ganze Weile lang sogar ein Pluspunkt für die Konjunktur sein. Steigende Preise für industrielle Materialien seien in der Vergangenheit jedenfalls oft auch mit einem starken Wirtschaftswachstum einhergehen

Erst wenn sich wegen der Teuerung die US-Notenbank zu einer Straffung ihre Geldpolitik veranlasst sehe und aus Sicht der Marktteilnehmer unfreundlicher agiere, schade dies dann dem Wirtschaftswachstum. Im Moment sei die Fed (und die meisten Beobachter) aber der Meinung, dass die Inflation nur ein "vorübergehendes" Phänomen sei. Das Narrativ ist laut Ned David also, dass der jüngste erste Preisanstieg nur eine Bestätigung für einen Wachstumsboom ist.

Ned Davis selbst neigt momentan ebenfalls noch dazu, den derzeitigen Inflationsschub als vorübergehend anzusehen, er und das Team bei dem US-Finanzdienstleister stehen aber auch einem möglichen Szenario offen gegenüber, in dem die Teuerung nachhaltiger und dauerhafter anziehen könnte.

Für den Fall, dass es sich um mehr als nur um einen vorübergehend Preisschub handelt, hat man einige Analysen dazu angestellt, wie früher das Zusammenspiel von einer steigenden Inflation und den Kursentwicklungen bei Aktien, Anleihen und Gold war.

Dabei zeigt sich, dass das angewandte Modell bei Akten jüngst am 31. März 2021 ein neues "Verkaufssignal" aufgrund der steigenden Inflation geliefert hat. Dieses werde sich in den nächsten Monaten wahrscheinlich noch verstärken, heißt es.

Zu einem Verkaufssignal kommt es, wenn die jährliche Veränderungsrate beim Konsumentenpreisindex den Sechsmonatsdurchschnitt von oben nach unten durchkreuzt. Ein Verkaufssignal tritt dagegen wie aktuell dann auf, wenn der Konsumentenpreisindex seien Sechsmonatsdurchschnitt von unten nach oben durchstößt.

Den in dem Chart gemachten Angaben ist dabei zu entnehmen, dass sich aus allen seit dem 28. Februar 1966 beim Dow Jones Industrial Average aufgetretenen Signalen (Kauf- und Verkaufssignale)im Schnitt ein auf zwölf Monate hochgerechnete Plus von 9,1 Prozent p.a. ergab. Eine reine Kaufen und Halten-Strategie brachte es dagegen gleichzeitig nur auf geringere 6,6 Prozent p.a. Außerdem waren 70 Prozent der Trades profitabel.

Der Anstieg der Inflation hat bereits ein Verkaufssignal für Aktien ausgelöst





Mit Blick auf Anleihen bedient man sich bei Ned Davis Research für eine Analyse des Barclays Long Term Treasury Bond Price Index (dieser umfasst alle öffentlich begebenen US-Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von zehn oder mehr Jahren, die als "Investment Grade" eingestuft sind und einen ausstehenden Nennwert von mindestens 250 Millionen Dollar haben), des Konsumentenpreisindex (basierend auf der jährlichen Veränderungsrate) sowie des hauseigenen Inflation Timing Modells.

Letzteres bewegte sich Ende März bei einem Stand von 15. Notierungen von über Null sind gleichbedeutend mit einem erhöhten Inflationsdruck und gelten als negativ für die Entwicklung des Barclays Long Term Treasury Bond Price Index. Das heißt, man befürchtet fallende Kurse und steigende Renditen. Bei Werten von über Null kam es den Angaben zufolge seit dem 31. Oktober 1963 zu einem Durchschnittsverlust von 2,4 Prozent. Dafür stehen bei Notierungen von unter Null Gewinne von im Schnitt 1,5 Prozent zu Buche.

Das Inflations-Timing-Modell signalisiert derzeit Verluste bei Anleihen





Was zu guter Letzt noch den Goldpreis angeht, ist es so, dass das Inflations-Timing-Modell auf dem aktuellen Niveau sehr positive Signale für die Preisaussichten bei dem gelben Edelmetall sendet. Denn wenn dieses wie momentan bei Werten von über 13 notierte, reichte es anschließend laut Ned Davis Research zu auf ein Jahr hochgerechneten Gewinnen von 47,1%. Bei Ständen von unter ergab sich dagegen ein Durchschnittsminus von 0,7 Prozent p.a und bei Notierungen zwischen -11 und +13 ergab sich im Schnitt ein Zuwachs von 4,2 Prozent.

Die Gold-Bullen hätten sicherlich nichts dagegen einzuwenden, wenn sich das Durchschnittsergebnis erneut einstellen sollte. Allerdings gibt es dafür wie immer keine Garantie. Erfahrungsgemäß reimt sich die Historie aber an Finanzmärkten nicht selten.

Der Stand des NDR Inflation-Timing-Modells ist "bullisch" für Gold