Börsenlegende Gottfried Heller über Trump-Risiken, vernachlässigte Nebenwerte und seine Favoriten 2017.

BÖRSE ONLINE: Donald Trump hat mit Äußerungen zu Strafzöllen die Sorge vor einem weltweiten Handelskrieg befeuert und Autowerte auf Talfahrt geschickt. Für wie gefährlich halten Sie ihn?


Gottfried Heller: Trump bleibt ein Hauptrisiko in diesem Jahr. Er ist sprunghaft und unberechenbar, und er hat eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, Er sucht den Beifall seiner Wähler. Selbst Scheinerfolge genügen. Einige seiner Ministerkandidaten widersprechen ihm schon jetzt. Die harte Realität wird den US-Präsidenten noch einholen.

Was halten Sie von seinen vollmundigen Ankündigungen, etwa zur Steuerpolitik?


Trump will massiv die Unternehmens- und Einkommensteuern senken, Regulierungen lockern und plant ein riesiges Infrastrukturprogramm. Selbst wenn seine grandiosen Pläne nur mit Abstrichen den Kongress passieren, stellen sie die radikalsten Änderungen seit Präsident Ronald Reagan 1986 dar. Sein Infrastrukturprogramm trifft auf Widerstand, aber die Steuersenkungen werden mittelfristig die Kostenstrukturen der US-Konzerne deutlich verbessern und der Konjunktur Schub geben.

Sehen Sie derzeit Investitionschancen?


US-Aktien sind bereits hoch bewertet, auch die Nebenwerte sind weit gelaufen. Aber wenn die Börsen weiter freundlich sind, spricht nichts dagegen, in den USA fokussiert zuzukaufen. Potenzial sehe ich vor allem bei mittelgroßen und kleinen Werten, den Mid Caps und Small Caps.

Auf Seite 2: Nebenwerte, ETFs und Dax-Empfehlungen





Warum gerade Nebenwerte?


Generell ist das Nebenwertesegment in fast allen Privatdepots völlig unterrepräsentiert. Dabei sind es gerade die kleineren Aktien, die mittel- und langfristig meist deutlich besser abschneiden als die Standardwerte. Nebenwerte sind die Schnellboote, die flinken Stürmer. Standardwerte sind die stabilen, aber auch schwerfälligen Dickschiffe.

Und auf welche Schnellboote setzen Sie?


Ich würde über börsennotierte Indexfonds (ETF) international ausgewogen gewichten, dabei neben USA auch Schwellenländer und Asien einbeziehen. Die europäischen Börsen sind gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis 20 Prozent billiger als die der USA, und sie werden dies zumindest teilweise aufholen.

Wie könnte das konkret aussehen?


Ich würde mit drei ETFs jeweils den MDAX mit 50 Einzeltiteln (wie Comstage), den MSCI Emerging Markets Small Cap mit 1028 Einzeltiteln (wie iShares) und den S&P 400 MidCap mit 400 Einzeltiteln (wie SPDR) abdecken. Dann hat man mit nur drei Investments in insgesamt 1478 Klein- und Nebenwerte investiert. Eine so breite weltweite Streuung in Wachstumswerte ist mit Einzeltiteln nicht möglich.

Viele Anleger fokussieren lieber den DAX.


Die meisten Anleger hierzulande haben ihr Depot viel zu stark auf heimische Werte ausgerichtet. Sie setzen mit dem DAX aber nicht nur auf einen der schwankungsreichsten Indizes. Sie verzichten vielmehr auch auf Renditepotenzial in anderen Regionen.

Haben Sie trotzdem DAX-Empfehlungen?


Derzeit sind wegen der anziehenden Konjunktur vor allem konjunktursensible, zyklische Aktien interessant. Also etwa Chemiewerte wie BASF oder Bayer oder bei den Autowerten BMW oder Daimler. Als Branchen könnte man auch die Bereiche Konsum, Investitionsgüter, Stahl oder Rohstoffe ins Auge fassen.

Auf Seite 3: Eurokrise, Gold und Zinsen





Turbulent dürfte es jedenfalls bleiben. So wird in Europa über einen "harten Brexit" spekuliert. Kommt die Eurokrise zurück?


Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen. Der Brexit hat bereits zu einer Investitionszurückhaltung geführt. Die Italiener fangen auch schon an zu wackeln. Hinzu kommen die drei anstehenden Wahlen in Holland, Frankreich und Deutschland. Überall sind die Populisten auf dem Vormarsch. Die Risiken sind also zahlreich und gravierend.

Wie viel Gold gehört angesichts dieser Risiken jetzt ins Depot?


Gold ist ein Krisenmetall, keine Frage. Aber ich traue dem Gold keine großen Sprünge zu, und es liefert weder Zins noch Dividende. Zudem steht der Goldpreis unter politischem Einfluss. Auch Goldminenaktien halte ich derzeit nicht für attraktiv. Ich würde keinen allzu großen Goldanteil im Depot halten.

In den USA endet die Tiefzinsphase. Wann kommt die Zinswende in Europa?


Das hängt davon ab, wie schnell es in den USA weitergeht. Wenn die US-Notenbank Fed die Zinsen rasch weiter erhöht, weil die Inflation stärker anzieht, wird die Europäische Zentralbank (EZB) nicht auf Dauer bei null stehenbleiben können. Die Gretchenfrage lautet: Wird EZB-Chef Draghi dann eher Rücksicht nehmen auf Schwächekandidaten wie Italien oder auf Länder wie Deutschland?

Auf Seite 4: Prognosen





Und wie lautet Ihre Prognose?


EZB-Chef Draghi wird seinem Grundsatz "whatever it takes" treu bleiben und versuchen, den heterogenen Euroclub mit allen Mitteln zusammenzuhalten. Das ist ihm wichtiger als das EZB-Ziel von knapp zwei Prozent Inflation. Die Inflation in Deutschland wird über kurz oder lang stärker ansteigen als zwei Prozent, angetrieben von Lohnerhöhungen, steigendem Ölpreis und importierter Inflation.

Was erwarten Sie vom Börsenjahr 2017?


Das Börsenjahr 2017 wird voraussichtlich besser als 2016. Die Unternehmensgewinne sind global angesprungen, besonders in den USA, aber auch in Europa, in Deutschland. Das Zinsniveau bleibt noch niedrig. Zudem wird es Rotation geben. Anleger werden aus langfristigen Anleihen aussteigen und in Aktien investieren. Alles in allem: 2017 spricht mehr für Aktien als 2016 und 2015.

Gottfried Heller ist Senior Partner der FIDUKA-Depotverwaltung in München und gilt als einer der besten Kenner der internationalen Finanzmärkte.