Bei Kursgewinnen, Dividenden und Zinsen fordert das Finanzamt einen Anteil. Wie Anleger Kapitalerträge gut steuern und mit ­realisierten Kursverlusten verrechnen können. Von Stefan Rullkötter



Eigentlich soll bei Steuern auf Kapitalerträge alles ganz einfach sein. "25 Prozent auf alles" lautet die Formel dafür seit Einführung der Abgeltungsteuer im Jahr 2009. Wer deutsche Aktien und Anleihen im Depot hat, zahlt auf Kursgewinne und Ausschüttungen pauschal 25 Prozent.

Doch schon beim nächsten Schritt wird es kompliziert: Obendrauf kommen noch der Soli-Zuschlag, der 5,5 Prozent des Steuerbetrags ausmacht, und gegebenenfalls Kirchensteuer - je nach Bundesland sind das weitere acht oder neun Prozent des Steuerbetrags (siehe Beispielrechnung). Da die Kirchensteuer als Sonderausgabe abzugsfähig ist, ergibt sich für Kapitalerträge unterm Strich eine Gesamtsteuerlast von bis zu 27,99 Prozent. Die depotführenden Banken fungieren als Zahlstellen des Fiskus und führen für ihre Kunden sämtliche Abgaben ans Finanzamt ab.

Auch mit ausländischen Aktien ist es für Anleger nicht einfacher: Hier kann (mit Ausnahme von Großbritannien)eine nationale Quellensteuer die Dividende zusätzlich schmälern. In der Regel können Depotbanken die ausländischen Abgaben bis zur Höhe von 15 Prozentpunkten mit der Abgeltungsteuer verrechnen. Die verbleibende Quellensteuer müssen Aktionäre vom jeweiligen ausländischen Fiskus zurückfordern. Die Formulare dafür sind unter www.steuerliches-info-center.de kostenlos abrufbar. Manche Banken bieten Aktionären an, die Formalitäten gegen Gebühr zu erledigen. Das lohnt meist nur bei hohen Dividendenzahlungen.

Dennoch gibt es für Anleger ein Entkommen aus der Steuerpflicht: Sie können Kapitalerträge bis zur Höhe des Sparerpauschbetrags (801 Euro Alleinstehende, 1.602 Euro zusammen veranlagte Partner) von der Abgeltungsteuer befreien lassen. Freistellungsaufträge gibt es bei Geldinstituten in Papierform und zum Herunterladen im Netz.

In den Formularen muss neben ­Adresse, Steuer-Identifikationsnummer und Bankverbindung der Betrag vermerkt werden, der freigestellt sein soll. Haben Anleger Konten und Depots bei mehreren Instituten, können sie den Sparerpauschbetrag aufteilen. Banken müssen die Freisteller auch nachträglich akzeptieren und einbehaltene Abgeltungsteuer sofort zurückzahlen, falls die Steuerbescheinigung für das betreffende Jahr noch nicht ausgestellt ist.

Kapitalerträge steuerfrei kassieren

Für langjährige Investoren kann sich noch ein anderes Hintertürchen zur Steuerfreiheit öffnen: Wer Aktien und klassische Anleihen verkauft, die er schon vor Einführung der Abgeltungsteuer im Depot hatte, kassiert Kursgewinne steuerfrei. Dazu müssen Anleger die Papiere vor 2009 erworben und seitdem ununterbrochen gehalten haben.

Zudem gibt es rund ein Dutzend deutsche Konzerne, die ihre Dividenden steuerfrei aus der Substanz - von einem sogenannten Einlagekonto - zahlen, darunter Deutsche Post, Deutsche Telekom und Vonovia. Basis dafür sind bilanzrechtliche Umstrukturierungen in der Vergangenheit. Langfristig profitieren davon nur Anleger, die diese Papiere bis Ende 2008 gekauft haben. Sie können bei späteren Verkäufen Kursgewinne ohne Abzug kassieren. Aktionäre, die später eingestiegen sind, erzielen zumindest einen Steuerstundungseffekt: Beim Verkauf werden die steuerfreien Ausschüttungen vom Kaufkurs abgezogen, die Differenz zwischen reduziertem Einstandspreis und Verkaufskurs ist dann voll steuerpflichtig.

"NV"-Bescheinigung zahlt sich aus

Wer als Börsianer ein niedriges zu versteuerndes Einkommen, aber Kapitalerträge oberhalb der Sparerpauschbeträge erzielt, hat eine weitere Steuersparmöglichkeit: Mit einer sogenannten Nichtveranlagungsbescheinigung ("NV"-Bescheinigung) können Anleger verhindern, dass Finanzinstitute Abgeltungsteuer an den Fiskus abführen. Die dafür maßgeblichen Grundfreibeträge sind 2018 auf 9.000 Euro für Singles und auf 18.000 Euro für zusammen veranlagte Partner angehoben worden - und werden in den nächsten Jahre weiter steigen. Die erforderlichen Anträge sind online bei der Finanzverwaltung abrufbar (www.formulare-bfinv.de). NV-Bescheinigungen werden von Finanzämtern in der Regel für drei Jahre erteilt, wenn absehbar ist, dass in der Zeit keine Einkommensteuer anfällt.

Für jeden Verlust ein eigener Topf

Auch bei realisierten Verlusten aus Wertpapiergeschäften gibt es steuerlich einiges zu beachten. Depotbanken müssen seit 2009 positive Kapitalerträge, die der Abgeltungsteuer unterliegen - also Zinsen, Dividenden und realisierte Kursgewinne -, automatisch mit negativen Erträgen (das sind etwa durch Verkauf realisierte Kursverluste) verrechnen. Die Besonderheit: Verluste aus Aktienverkäufen sind nur mit Gewinnen aus Aktienverkäufen verrechenbar.

Depotbanken müssen aus dem Grund zwei Verrechnungstöpfe bilden: In den Topf 1 wandern Verluste aus dem Verkauf von Aktien, in den Topf 2 beispielsweise Stückzinsen (das sind aufgelaufene Erträge, die an Anleihe-Vorbesitzer gezahlt wurden) sowie Verluste aus dem Verkauf von Aktienfonds.

Der Vorteil für Aktionäre in diesem Verrechnungssystem: Steuerpflichtige Dividenden sind grundsätzlich mit realisierten Kursverlusten verrechenbar, wenn es sich um "Neuverluste" handelt, das Wertpapier also ab 2009 gekauft und wieder veräußert wurde. Diese dürfen neben Dividenden auch mit Kursgewinnen und Zinserträgen verrechnet werden. Wichtig ist: Seit 2009 sind nicht verrechnete Verluste aus Kapitalvermögen nur noch in künftige Veranlagungsjahre vorzutragen, aber nicht mehr in vergangene Zeiträume rücktragbar.

Musterfall

Aktiengeschäft: Ein lediger Aktionär, der in München wohnt, kaufte Anfang des Jahres 500 BMW-Stammaktien zum Kurs von 95 Euro und erhielt im April eine Dividende in Höhe von 3,86 Euro pro Anteil. Seiner Depotbank hatte er zuvor einen Freistellungsauftrag in Höhe seines Sparerpauschbetrags erteilt. Bei der Berechnung der Steuer zieht die Depotbank daher von der Bruttodividende (1.930 Euro) zunächst 801 Euro ab und ermittelt die Pauschalabgabe auf Basis der verbleibenden 1.129 Euro. Die Abgeltungsteuer, der Soli-Zuschlag und die Kirchensteuer (8 %) summieren sich auf 314,08 Euro (Gesamtsteuerlast: 27,82 %). Dem Aktionär wird unterm Strich eine Nettodividende von 1.615,92 Euro auf seinem Depotkonto gutgeschrieben.
Bei Verkauf im November 2019 realisiert er einen Verlust von 10.000 Euro, den er mit anderweitig erzielten Gewinnen aus Aktienverkäufen verrechnen kann.

Beispiel- Rechnung

Kauf: 500 BMW-Aktien (Jan. 2018):

500 x 95 Euro (Kaufkurs): 47.500 Euro

Dividende brutto: 500 x 3,86 Euro:

1.930 Euro

- Freistellungsauftrag: (801 Euro)

Zu versteuern: 1.129 Euro

➔ Abgeltungsteuer (25 %): 282,25 Euro
➔ Solizuschlag (5,5 %): 15,52 Euro
➔ Kirchensteuer (8 %): 16,31 Euro *

Gesamtsteuer: 314,08 Euro

Dividende netto: 1615,92 Euro

Verkauf: 500 BMW-Aktien (Nov. 2018): 500 x 75 € (Verkaufskurs): 37.500 Euro

Realisierter/verrechenbarer Verlust: 10.000 Euro

* Sonderausgabenabzug schon berücksichtigt