Hintergrund sind ausgeklügelte Aktiendeals, mit denen Investoren den deutschen Fiskus nach Einschätzung von Finanzbehörden und Steuerrechtlern um eine Milliardensumme erleichtert haben.

Die Beteiligten nutzten eine Gesetzeslücke, um sich von den Finanzämtern Steuern erstatten zu lassen, die vorher gar nicht gezahlt worden waren. Jahrelang stand die Lücke offen, bis der Gesetzgeber sie 2012 stopfte. Grundlage des umstrittenen Geschäftsmodells war ein Aktienhandel rund um den Dividendentermin: Es ging dabei um Aktien vor diesem Zeitpunkt, also mit (lateinisch: cum) Ausschüttungsanspruch, und um Papiere danach, also ex Dividende. Deshalb spricht man auch von Cum-ex-Geschäften.

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WUNDERSAME VERMEHRUNG

Von findigen Banken und Steuerexperten beratene Investoren machten sich den Umstand zunutze, dass die auf Dividenden fällige Steuer von der ausschüttenden Aktiengesellschaft direkt ans Finanzamt überwiesen wurde. Der Aktionär bekam nur den Nettobetrag - und dazu eine Bescheinigung seiner Depotbank über die Kapitalertragsteuer, die die AG zu seinen Lasten gezahlt hatte. Diese Steuerbescheinigung ist für viele Anleger bares Geld wert: In vielen Fällen kann sich der Aktionär damit Geld vom Finanzamt zurückholen.

Mit Hilfe mehrfacher unübersichtlicher Besitzerwechsel der Aktien rund um den Ausschüttungstermin gelang es Investoren, die wertvollen Steuerbescheinigungen auf wundersame Weise zu vervielfachen: Aktien wurden leer verkauft, also ohne sie zu besitzen, und erst einige Tage später geliefert, Papiere wurden verliehen. Weil durch solche Transaktionen rund um den Dividendentermin nicht mehr klar war, auf wessen Kosten das Finanzamt eigentlich die Kapitalertragsteuer erhalten hatte, wurden am Ende mehreren Beteiligten Erstattungsansprüche bescheinigt.

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ÄRGER MIT JUSTIZ UND FISKUS

Irgendwann sahen die Finanzbehörden nicht mehr tatenlos zu, wie sich Investoren auf Kosten der Allgemeinheit Steuern doppelt und dreifach erstatten ließen. Sie verweigerten die von den Steuerjongleuren eingeplanten Auszahlungen. Dagegen zogen einige vor Gericht. Sie argumentieren, nach dem Gesetz sei diese Möglichkeit nun einmal zulässig gewesen. Das oberste deutsche Steuergericht schürte allerdings Zweifel an dieser Sichtweise: Der Bundesfinanzhof ließ einen Hamburger Investor abblitzen und machte nun deutlich, dass dieser Einzelfall "der weithin üblichen Gestaltungspraxis" entsprechen und damit auch viele andere Investoren betreffen dürfte.

Die Cum-ex-Geschäfte riefen auch mehrere Staatsanwaltschaften auf den Plan: So laufen in Frankfurt, München und Köln in diesem Zusammenhang Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Besonderen Ärger hat die Hypovereinsbank. Sie geriet nicht nur ins Visier der Strafverfolger, sondern streitet sich auch mit mehreren ehemaligen Managern über die Konsequenzen. Darunter sind drei Ex-Vorstände, gegen die sich die Bank Schadenersatzforderungen vorbehält. Teuer zu stehen kam die Unicredit-Tochter unter anderem, dass die Cum-ex-Geschäfte eines Kunden nicht aufgingen. Beide Seiten einigten sich mittlerweile auf einen Vergleich.

Reuters