Der Duden hat seine beste Zeit als anerkanntes Nachschlagewerk zur deutschen Rechtschreibung womöglich hinter sich - vielleicht sogar nachhaltig. Seit sich Wörter wie Gästin in das Regelwerk verirrt haben, stellt sich mancher die Frage, was er mit der einstigen Bibel fürs Richtigschreiben eigentlich noch anfangen soll. Das Dilemma wird nicht weniger elend, wenn besagter Duden das Anwendungsbeispiel "sich um seine Gästinnen kümmern" anbietet.

Aber vielleicht hat die Mutter aller Wörterbücher mittlerweile ganz andere Qualitäten. Wie mag das Werk wohl den Begriff "Nachhaltigkeit" erklären, ohne dessen inflationären Gebrauch kein Vorstandschef dieser Welt mehr eine Rede hält, und sei sie noch so kurz? Das Wort verbinden viele Menschen mit Umweltschutz, nicht ganz so viele mit einer Unternehmensführung, die auf langfristigen Erfolg angelegt ist, und mutmaßlich noch weniger mit sozialer Verantwortung.

Die Nachfolger von Konrad Duden, der sein erstes Wörterbuch vor 141 Jahren herausbrachte, bieten zweierlei Erklärungen für "Nachhaltigkeit" an. Die erste lautet: "Forstwirtschaftliches Prinzip, nach dem nicht mehr Holz gefällt werden darf, als jeweils nachwachsen kann." Man muss keine Motorsäge in der Garage haben, um das stimmig zu finden. Die zweite geht so: "Prinzip, nach dem nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen, sich regenerieren, künftig wieder bereitgestellt werden kann." Das klingt stark nach Ökologie und weniger nach dem in der Wirtschaft längst gängig gewordenen Dreiklang Umweltschutz, Soziales und (gute) Unternehmensführung.

International mündete dieser Dreifachansatz in die Buchstaben ESG (für englisch Environment, Social und Governance). Wer nachhaltig wirtschaften will, muss auf jeden Fall ESG-Kriterien erfüllen. Das gilt für Energiekonzerne genauso wie für Autobauer, Versicherungen oder Banken.

Testsieger: GLS Bank

€uro am Sonntag hat nun erstmals die Geldinstitute auf ihre Nachhaltigkeit getestet, und zwar überwiegend darauf, wie ernst es die Banken mit dem E in ESG, also dem Umweltschutz meinen. Keine leichte Aufgabe, wie Fondsmanager Bert Flossbach vom Vermögensverwalter Flossbach von Storch im Gespräch mit der "Wirtschaftswoche" Mitte Juni feststellte. "Eine Großbank ist aufgrund der Komplexität im Kreditgeschäft und im Investmentbanking nicht zu durchdringen", sagte er. "Es ist schwer, hier ein Nachhaltigkeitsurteil zu fällen." Wir haben es trotzdem versucht und dabei sowohl regionale als auch überregionale Banken betrachtet.

Das Sozialwissenschaftliche Institut Schad (SWI) bewertete für €uro am Sonntag die (ökologische) Nachhaltigkeit der Geldinstitute auf dreierlei Weise. Es zog Daten aus Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichten der Bankunternehmen heran, die Dr. Zielke Research Consult zusammengetragen hat. Das SWI nutzte die Eco-Ratings des Finanzen Verlags (in dem unter anderem €uro am Sonntag erscheint), mit denen die ökologische Nachhaltigkeit von Aktienfonds bewertet wird. Für den Test beschränkten wir uns auf diejenigen Fonds, die klar einer Bank oder Bankengruppe zugeordnet werden können.

Und schließlich floss als dritte Komponente der Umfang des Angebots an grünen Fonds (Eco-Ratings "A" und "B") in die Gesamtwertung ein. Unterm Strich waren maximal 100 Punkte zu erreichen. Details zur Methode und zur Gewichtung lesen Sie in "So wurde gewertet".

Zusätzlich zum Test gibt es eine Umfrage unter fast 90.000 Bankkunden. Wir wollten - wie schon im Vorjahr - wissen, für wie nachhaltig sie ihre Bank halten. Vorab schon mal so viel: Die Umfrage und der Test förderten sich bisweilen deutlich unterscheidende Ergebnisse zutage. Zudem waren Nachhaltigkeitsbanken wie die Umweltbank oder die GLS Bank bei der Umfrage ausgeklammert. Warum das? Weil deren Kunden ihre Bank ohnehin schon wegen der nachhaltigen Ausrichtung wählen und ein Vergleich mit anderen Banken daher nicht sinnvoll erscheint. Diesmal lag unter den überregionalen Banken die ING vorne. Bei den regionalen Instituten schnitten die PSD-Banken am besten ab.

Doch zunächst zum Test. Hier erreichte die GLS Bank als einzige die Bestnote "sehr gut +". Das nach seinem Selbstverständnis zu den Nachhaltigkeitsbanken gehörende Institut fiel laut Testbericht unter anderem damit auf, dass es "in seinen Geschäftsberichten die Ziele und Bemühungen für eine langfristige, umweltfreundliche Ausrichtung transparent und ausführlich darlegt." SWI-Projektleiter Tim Härle ergänzt: "Aber nicht nur hier setzt sich die GLS von den anderen Teilnehmern ab. Auch die Fonds des Instituts sind besonders nachhaltig." Zwar hat die GLS mit genau zwei Fonds nur eine minimale Auswahl, was bei der dritten Testkomponente Punkte kostete, aber beide Fonds haben ein "A", also das bestmögliche Eco-Rating bekommen.

Im Test haben wir die von den Bankengruppen angebotenen Fonds mit insgesamt 60 Prozent stärker gewichtet als die Nachhaltigkeit der Unternehmen selbst. Der Grund: Die Auswirkungen von Investitionsentscheidungen etwa über Fonds dürften hinsichtlich ökologischer Nachhaltigkeit gewichtiger sein als die direkten Emissionen der Banken.

In welchen Dimensionen hierzulande Kapital angelegt wird, illustriert eine Zahl des Fondsverbands BVI. Er bezifferte das Fondsvolumen im ersten Quartal dieses Jahres auf 3,95 Billionen Euro. Zur Einordnung: Das ist mehr als das Fünffache des europäischen Post-Corona-Aufbauplans, dessen Volumen von 750 Milliarden Euro in Brüssel unter der Rubrik "gigantisch" läuft. Wenn nur ein Teil der 3,95 Billionen Euro in ökologisch nachhaltige Wirtschaftszweige fließen sollte, wäre das etwa für den Klimaschutz vermutlich wichtiger, als wenn eine Bank nur noch Ökostrom aus Norwegen bezöge, den es ohnehin schon gibt - was daher keinen zusätzlichen ökologischen Nutzen bringt.

Projektleiter Härle sagt es so: "Je mehr in nachhaltige Fonds investiert wird, desto mehr wird das Wachstum von umweltschädlichen Unternehmen ausgebremst. Gleichzeitig bedeutet das, dass ökologisch nachhaltige Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil haben. Es geht also eher darum, in was nicht mehr investiert wird." Den Beitrag der Eco-Ratings als Leitplanke, die Orientierung gibt, schätzt Härle solange hoch ein, wie sich in diesen Noten nicht etwa Greenwashing, sondern tatsächlich ökologische Nachhaltigkeit niederschlägt - wie beim Bezug von Ökostrom aus norwegischer Wasserkraft.

Platz 2: Hamburger Sparkasse

Den zweiten Platz im Test sicherte sich die Hamburger Sparkasse (Haspa) mit der Note "sehr gut". "Über die Dekabank, das Wertpapierhaus der Sparkassenfinanzgruppe, bieten alle Sparkassen Fonds an, die mit zu den nachhaltigsten im Test gehören", sagt Härle. "Sie geben den eigenen Kunden eine große Auswahl an umweltfreundlichen Investitionsmöglichkeiten." Auch bei der Betrachtung der Geschäftsberichte landet die Haspa weit vorne. Datenlieferant Dr. Zielke lobt ausdrücklich die "sehr strukturierte Dokumentation und Darstellung der konkreten Maßnahmen" zur Reduzierung von CO2-Emissionen. Die Haspa weise alle Emissionen nach international anerkannter Klassifizierung transparent aus. Güteklasse "Sagen, was ist", wie Rudolf Augstein, Gründer des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", wohl anmerken würde.

Die Deutsche Kreditbank (DKB) kam - ebenfalls mit einem "Sehr gut" - auf den dritten Platz. Die Bank punktete unter anderem hiermit: Sie produziert mit Photovoltaikanlagen selbst Strom und nutzt generell 100 Prozent Ökostrom. Etwas schwächer wurde die Kreditvergabepolitik der DKB bewertet. Zwar bekennt sich die Bank zu den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen, "sie geht aber nicht konkreter auf Prozesse zur Überprüfung ein", heißt es im Testbericht. Mit drei Fonds hat die DKB kaum mehr im Angebot als die GLS. Immerhin zwei davon haben ein "A"-Eco-Rating. Der dritte Fonds hat ein durchschnittliches "C"-Rating.

Ganz generell ergibt sich aus der Sicht Härles beim Thema "Nachhaltigkeit und Banken" ein uneinheitliches Bild. Zwar hätten die meisten Institute mittlerweile die Strukturen, die sie dafür brauchen, "eine nachhaltige Ausrichtung voranzutreiben", doch oft hapere es daran, sobald es konkret um mehr als kleinere Veränderungen gehe. So bezögen zwar eine Reihe von Geldinstituten Ökostrom, "aber nur sehr wenige Institute setzen in ihrer Kreditvergabepolitik nachhaltige Strategien mit konkreten Kennzahlen um", moniert Härle. Widersprüchlich Anmutendes ergibt auch ein Blick auf die Fonds der Geldhäuser. "Einige Banken, gerade die Sparkassen, bieten eine großzügige Auswahl an nachhaltigen Investitionsmöglichkeiten. Die meisten der angebotenen Fonds sind jedoch weiterhin wenig bis überhaupt nicht nachhaltig", stellt Härle nüchtern fest. In der Tat: Die Dekabank hat zwar 19 Fonds im Programm, die ein "A"- oder "B"-Eco-Rating aufweisen. Doch 21 Fonds kommen nur auf ein "C" oder "D", und 30 haben mit "E" das schlechteste Eco-Rating. Mit ihrer Nachhaltigkeit in ökologischer Hinsicht ist es also nicht weit her. Im Schnitt liegen die Deka-Fonds also zwischen "C" und "D". Übersetzt in Noten kommt das SWI auf eine 3,44.

Noch ein Beispiel: Die Deutsche Bank hat zwar 42 Fonds mit sehr guten und guten Eco-Ratings von "A" oder "B". Doch allein 127 Fonds der Bank haben nur ein "E". Härle formuliert es deutlich: "Außer bei der GLS Bank und der DKB sind bei allen Instituten über die Hälfte der Fonds mit einem "D"- oder "E"-Rating versehen. Damit entziehen sich die Institute ihrer gesellschaftlichen Verantwortung." Man könnte auch sagen, das Nachhaltigkeitsmarketing ist erfolgreicher als das substanzielle Umsteuern auf grüneres Wirtschaften.

Deutsche Bank/Sparkassen hinten

Das zeigt hie und da auch die eingangs erwähnte Umfrage unter Bankkunden. So bewerteten die Kunden der Sparda-Banken ihre Institute hinsichtlich Nachhaltigkeit mit "gut" oder "sehr gut". Die drei im Test vertretenen Sparda-Banken bekamen indes nur ein "befriedigend" oder "ausreichend". Das heißt, so Härle: "In der Betrachtung der Geschäftsberichte und der Fonds schneidet die Bankengruppe klar schlechter ab." Anders bei Sparkassen und der Deutschen Bank. Sie schnitten in der Umfrage am schlechtesten ab, kamen im Test jedoch auf "sehr gut" oder "gut". Die eher schlechten Umfrageergebnisse für die beiden Bankengruppen erscheinen seltsam, zumal sie die mit den meisten nachhaltigen Fonds sind. Allerdings bekamen sie von den Teilnehmern auf die Frage nach ihrer "Zufriedenheit mit nachhaltigen Produkten" das schlechteste Zeugnis.

Generell erscheint gut möglich, dass Nachhaltigkeit für viele Kunden gar nicht so wichtig ist. Nur gut fünf Prozent nannten Nachhaltigkeit als Grund für die Wahl ihrer Bank. Klingt nicht viel, sind aber vielleicht schon mehr Leute als diejenigen, die sich, streng nach Duden, fürderhin "um Gästinnen kümmern" wollen, und zwar nachhaltig.

Umfrage/Bewertungsschema: Basis ist eine Umfrage des Schwestermagazins €uro unter fast 200.000 Bankkunden. 89 924 davon beantworteten auch Fragen zur Nachhaltigkeit ihrer Bank (ökologische und soziale Aspekte/Kategorien Umwelt und Gesellschaft). Einzelauswertung ab 200 Voten/Bank. Noten: > 88 Punkte: sehr gut +; ab 76 P.: sehr gut; ab 64 P.: gut; ab 52 P.: befriedigend; ab 40 P.: ausreichend
 


So wurde gewertet

Test "Nachhaltige Bank": Im Mittelpunkt der Erhebung des Sozialwissenschaftlichen Instituts Schad (SWI) stand der Versuch, die ökologische Nachhaltigkeit von Banken in Deutschland zu beurteilen. Der Test gliedert sich in drei Teile.

• Ökologische Nachhaltigkeit der Unternehmen (Gewicht an der Gesamtwertung: 40 Prozent): Hier wurden Daten aus der Studie "Spotlight CSR Kreditinstitute 2019" von Dr. Zielke Research Consult ausgewertet. Sie stammen aus Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichten der Banken. Betrachtet wurde unter anderem, inwieweit Nachhaltigkeit als Thema in den Strukturen und Strategien der Unternehmen verankert ist (also: Kümmert sich jemand darum, und falls ja, wer?). Konkrete Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes flossen ebenso ein wie die Nutzung von Ökostrom, Nachhaltigkeitskriterien bei der Kreditvergabepolitik und der CO2-Ausstoß der Banken pro Mitarbeiter.

• Ökologische Nachhaltigkeit der Fonds, die der jeweiligen Bank/Bankengruppe zugeordnet werden können (50 Prozent): Hierzu zog das SWI die Eco-Ratings des Finanzen Verlags heran, die in Zusammenarbeit mit Mountain-View Data berechnet werden. Die Eco-Ratings reichen von der Bestnote "A" bis zur schlechtesten Note "E". SWI übersetzte die Benotung in Zahlen. Also: Topnote: 1, schlechteste Note: 5.

• Auswahl an ökologisch nachhaltigen Fonds (zehn Prozent): In dieser Kategorie wurde bewertet, wie viele ökologisch nachhaltige Fonds (Eco-Ratings "A" und "B") die Banken im Angebot haben. Hier galt: je mehr, umso besser.

Umfrage "Nachhaltigkeit von Banken": Neben dem Test, der die Nachhaltigkeit misst, interessierte uns, wie nachhaltig die Kunden ihre Bank finden. Dazu fragten wir unter anderem nach der Zufriedenheit mit den nachhaltigen Produkten der Bank und nach dem Vertrauen in die Geldinstitute.