BÖRSE ONLINE: Herr Staud, Ende 2017 gehörten Sie zu den wenigen Pessimisten, die ein schwieriges Jahr prognostizierten. Damit lagen Sie richtig.

Wieland Staud: Ja, damit lagen wir gut. Am Anfang des Jahres 2018 sahen wir den Jahresschlusskurs am 31. Dezember 2018 wenigstens 1000 Punkte von der Konsensschätzung (13 938 Punkte) entfernt und unter dem von 2017 (12 917 Punkte) beziehungsweise bestenfalls in dessen Nähe liegen. Er beendete das Jahr nun sogar noch deutlich tiefer. Die Meinung der Mehrheit ist meistens die völlig falsche.

Das "Handelsblatt" hat 21 Banken nach ihren Prognosen befragt. Im Mittel wird der DAX bei 12 430 Punkten erwartet, was eine Performance von rund 18 Prozent gemessen am Jahresschluss 2018 bedeuten würde. Ist das diesmal realistischer?

Ich halte die Erwartungen erneut für viel zu optimistisch. Wenn man sich die technische Verfassung der Indizes ansieht, gibt es keine Anzeichen für eine Entwarnung. Nach neun Jahren eines immerwährenden Anstieges ist die Party halt erst mal vorbei.

Können Sie dies etwas näher ausführen?

Wenn man sich etwa den DAX anschaut, ist der Aufwärtstrend seit 2009 mit Kursen unter 12 000 Punkten eindeutig gebrochen, und der Index notiert nun in einem langfristigen Abwärtstrend.

Betrifft dies nur den DAX oder auch andere Indizes?

Egal wohin man schaut, überall sind die Indizes aus ihrem langfristigen Aufwärtstrend gefallen. Egal ob Nasdaq, MDAX, oder S & P 500, die Entwicklung ist nahezu identisch. Auch negative Divergenzen konnte man bei all diesen Indizes schon seit Längerem beobachten.

Was zeigen die Divergenzen an?

Das betrifft die Dynamik des Marktes. Während der Index noch neue Höchststände erreicht, schafft das ein Indikator wie der MACD, ein weit verbreiteter technischer Indikator, nicht mehr. Solche Muster entstehen ausschließlich dann, wenn die Dynamik nach oben nachlässt. Sie kann auch als nachlassende Kaufbereitschaft interpretiert werden. Diese "negativen Divergenzen" sind oft ein gutes Zeichen dafür, dass wenig Begeisterndes im Busch ist.

Sehen Sie nirgendwo Lichtblicke?

Nein. Aktuell stehen die Chancen für dauerhaft und stetig steigende Kurse vom aktuellen Niveau aus nahe null. Es wird natürlich wie in allen Bärenmärkten zu starken Rallys kommen. Ansonsten muss man für die kommenden zwei bis drei Jahre aber wohl per Saldo eher schwarz sehen.

Sie sehen global auch keine Börse, die sich abkoppeln könnte?

Ich sehe keinen Markt, der sich grundlegend abkoppeln könnte. Wenn ich mein Handwerkszeug stoisch anwende, kann ich keinen Optimismus verbreiten. Das Chance-Risiko-Verhältnis ist nahezu überall so schlecht wie zuletzt vor zehn Jahren.

Und wie sehen Sie die Rentenmärkte. Kann man dort noch etwas Geld verdienen?

Für 2018 waren meine Prognosen nicht so gut. Ich hatte steigende Renditen erwartet. Auch momentan ist meines Erachtens die Entwicklung der Rentenmärkte nur bedingt zu antizipieren. Einerseits haben beispielsweise sowohl die US-Renditen als auch die deutschen Renditen erst jüngst ihren Aufwärtstrend gebrochen beziehungsweise entscheidende Niveaus unterboten. Das deutet auf nachhaltig fallende Renditen beiderseits des Atlantiks hin. Aber sind beispielsweise hierzulande dauerhaft deutlich negative Renditen wirklich vorstellbar?

Bundesanleihen finden immer noch reißenden Absatz. Ist das nicht paradox?

Eigentlich schon. Aber scheinbar ist den Investoren die sichere negative Realrendite einer Bundesanleihe lieber als andere Investments.

Und was können Anleger nun tun?

Derzeit ist guter Rat wirklich teuer. Einfach nichts machen könnte nicht die schlechteste Idee sein. Lieber entgangene Gewinne als reale Verluste. Oder man setzt auf alternative Konzepte.

Also auf so etwas wie der mit Ihrem Research gemanagte Greiff Equity L/S, der aber bis Oktober mehr oder weniger seitwärts lief?

Für mich ist dieser Fonds eine beachtenswerte Option. Wir haben gezeigt, dass unser sehr konservatives Konzept gerade, wenn es wild wird, sehr gut funktioniert. Immerhin stand zum Jahreswechsel ein Plus von etwas mehr als zwei Prozent seit dem Beginn meiner Tätigkeit zu Buche. In der gleichen Zeit hat der DAX rund 18 Prozent verloren. Oberstes Ziel ist erst einmal, kein Geld zu verlieren. Geld ist im richtigen Leben zu sauer verdient, um es an den Finanzmärkten verdampfen zu lassen.

Das versprechen auch andere - oftmals lediglich mit mäßigem Erfolg. Was machen Sie anders?

Der Greiff Equity L/S investiert immer in die 30 technisch besten Aktien aus DAX und Dow. Das Portfolio wird immer sofort gleichzeitig komplett gegen Kurs- und Währungsrisiken abgesichert. Laufen die ausgewählten 30 Titel besser als die beiden Indizes, ist das Ergebnis positiv. Eine Auflösung der Absicherung kommt nur in einer ausgezeichneten technischen Lage infrage. Das war in den zurückliegenden anderthalb Jahren nicht der Fall, und bis es erstmals dazu kommen könnte, wird wohl noch viel Zeit ins Land gehen. Aber auch in schwachen Märkten ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Fonds eine positive Rendite bei geringer Volatilität und sehr geringem Risiko erwirtschaftet.

Zur Person: Wieland Staud ist seit gut 30 Jahren Deutschlands führender und bekanntester Charttechniker. Seine Prognosen belegen eindrucksvoll, dass Charttechnik eine ernst zu nehmende Materie ist.