Auch wenn sich Kanzlerin Angela Merkel mit den anderen Euro-Staats- und Regierungschefs darauf einigte, dem Land ein neues Hilfspaket zu geben - Schäuble bleibt dabei: Für ihn wäre ein Grexit auf Zeit die "vielleicht mit Abstand beste Lösung". Wie ein "Krieger im Kampf" gebärde er sich in dieser Frage, erzählt einer aus der Ministerrunde. Ein anderer Koalitionspolitiker resigniert: "Er macht mich genauso wahnsinnig wie der Tsipras."

Zur Erinnerung: Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras hat in seinem Parlament für die Zustimmung zum verabredeten Reformpaket mit den Worten geworben: "Ich übernehme die Verantwortung für einen Text, an den ich nicht glaube, aber den ich unterschrieben habe ..." So oder ähnlich könnte es auch Schäuble formulieren. Er zweifelt zwar am vereinbarten Weg für Hellas über ein drittes Hilfspaket, nannte ihn im Bundestag am Freitag den "letzten Versuch", um unter den Bedingungen einer Euro-Mitgliedschaft aus der Krise zu kommen. Und wenn er dennoch den Antrag einbringt, diesen ungeliebten Weg zu beschreiten, werde er der Vorlage auch zustimmen, kündigte Schäuble schon Tage vor der Parlamentsentscheidung an.

KRITIKER WERFEN SCHÄUBLE ILLOYALITÄT VOR



"Ich bin nicht pflegeleicht, ich bin nicht bequem, aber ich bin loyal", so lautet Schäubles Selbstbeschreibung, wie er sie einmal formulierte. Genau das, diese Loyalität gegenüber dem von seiner "Chefin" Merkel vereinbarten Weg, sprechen ihm nun die Sozialdemokraten ab. Dabei beobachten viele von ihnen sein Wirken etwas ratlos mit einer Mischung aus Faszination und Resignation. Er solle gefälligst "vollumfänglich" die von Merkel vorgegebene Griechenland-Linie umsetzen, fordern führende SPD-Politiker wie Fraktionschef Thomas Oppermann oder sein Vize Carsten Schneider.

Der SPD-Haushaltspolitiker Johannes Kahrs ist nicht der einzige, dem Schäubles "Grexit-Gerede" auf die Nerven geht. Auch Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem denkt so, wie er am Donnerstag in Berlin deutlich machte.

Doch das kann einen so beispiellos erfahrenen Vollblut-Politiker wie Schäuble kaum schrecken. Er kann vor allem mit zwei Pfunden wuchern: mit einer großen Unterstützung für seinen Kurs in der Öffentlichkeit und dem Argument, dass er als einziger Finanzminister im Euro-Raum praktisch jeden kleinen Schritt des Griechenland-Dramas mit den verschiedenen, immer umstrittenen Hilfspaketen mitgegangen ist und mitentschieden hat. Selbst ein hochrangiger Sozialdemokrat räumt ein: "Der öffentliche Rückhalt für Schäubles Position ist unglaublich hoch. Das reicht weit in unsere Partei und Basis hinein." Auch für viele zweifelnde Unionsabgeordnete im Bundestag ist Schäuble die letzte Hoffnung, dass bei Griechenland noch Stoppschilder gesetzt werden.

FINANZMINISTER AUF EINEM GERADEN KURS



Was seine Haltung zu Griechenland angeht, ist Schäuble, und das erkennen auch sozialdemokratische Kritiker an, eigentlich einen klaren Weg gegangen. Er war der erste, der schon mitten im Wahlkampf 2013 öffentlich eingestand, dass Griechenland ohne ein drittes Hilfspaket nicht wird auskommen können. Und er hatte schon vor Monaten als erstes deutsches Regierungsmitglied von Rang erklärt, für ihn sei der Grexit angesichts der Politik der neuen linksgeführten Regierung in Athen kein Tabu mehr.

Nun aber ist Schäuble für sich zu dem Ergebnis gekommen, nur ein Schuldenschnitt werde Griechenland letztlich helfen. Das sieht im übrigen die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, ähnlich. Für einen Schuldenschnitt aber ist ein zumindest teilweises Ausscheiden aus dem Euro erforderlich. SPD-Chef Sigmar Gabriel nennt das zwar eine "ehrenwerte Position". Dass Schäuble diese Position aber auch weiter verficht, nachdem man sich in Europa auf etwas anderes geeinigt hat, das nehmen ihm viele übel.

Dass Schäuble manchmal seine ganz eigenen Wege geht, das wissen seine Kritiker, aber auch Merkel und seine politischen Freunde aus leidvoller Erfahrung. Der einzige Minister im Kabinett mit Veto-Recht genießt eben einen Sonderstatus. Bislang galt er unbestritten bis weit in die Opposition hinein als überzeugter Kämpfer für ein gemeinsames Europa. Vor drei Jahren erhielt der Kabinetts-Älteste den renommierten Internationalen Karlspreis, mit dem die Stadt Aachen Persönlichkeiten für besondere Verdienst um die europäische Einigung auszeichnet.

Den "letzten überzeugten Europäer" in der Regierung nannte ihn selbst einmal der Grünen-Politiker Jürgen Trittin. Darauf angesprochen sagt Trittin heute aber nur noch ausweichend: "Wolfgang Schäuble ist in allem, was er tut, Überzeugungstäter. Aber das Kerneuropa, das Schäuble seit Jahren befördert, ist nicht meins."