William Hearst kam 1863 in San Francisco als Kind wohlhabender Eltern zur Welt. Sein Vater hatte während des kalifornischen Goldrauschs beim Schürfen die ertragreichsten Gold- und Silberminen Amerikas entdeckt. Seine Bergbaugesellschaft machte ihn zum Multimillionär und zu einem der reichsten Männer des Landes.

Der junge William hatte keine Lust, ins väterliche Unternehmen einzutreten. Er studierte an der Eliteuniversität Harvard Journalismus und kümmerte sich um die legendäre Studentensatirezeitung "The Harvard Lampoon", die damals von Joseph Pulitzer geleitet wurde. Nach drei Jahren flog Hearst von der Uni. Ein Weihnachtsgeschenk für die Professoren war ihm zum Verhängnis geworden. Es war ein typischer "Lampoon"-Streich: In einem luxuriös verpackten Paket fanden die Lehrkräfte einen Nachttopf, in dessen Boden jeweils das Porträt des Empfängers eingraviert war.

William Hearst übernahm 1887 die defizitäre Tageszeitung "San Francisco Examiner" - sein Vater hatte sie beim Pokerspiel gewonnen. Der 24-jährige William gestaltete das Provinzblatt radikal um, warb prominente Journalisten ab und wies sie an, exklusive und schockierende Geschichten zu recherchieren und möglichst dramatisch zu schildern. So wie er es bei seinem großen Vorbild Joseph Pulitzer in Harvard gelernt hatte. Schon nach zwei Jahren war der "Examiner" hochprofitabel.

Aber William Hearst wollte mehr - er träumte von einem großen nationalen Zeitungsimperium. Mit dem Millionenerbe seines inzwischen verstorbenen Vaters kaufte er 1895 die New Yorker Zeitung "Morning Journal". Er machte das Blatt zum Sprachrohr der kleinen Leute, warb mit Sensationsstorys aus Politik und High Society um die Gunst der Leser. Binnen eines Jahres schoss die Auflage des "Journal" von 77 000 auf über 430 000 Exemplare hoch.

Stets war ihm die Auflage wichtiger als die Wahrheit. Er ließ Interviews erfinden, Bilder manipulieren und blies Nachrichten oft grotesk auf. Hauptsache, die Geschichte las sich gut. Seine Journalisten wies er an: "Haben Sie keine Angst, einen Fehler zu machen. Ihren Lesern könnte er gefallen."

Hearsts "Morning Journal" stand damals in einem harten Konkurrenzkampf mit der "New York World" seines Mentors Pulitzer, der als Erfinder des Boulevardjournalismus gilt und mit diesen Themen seine Publikation zu einer der auflagenstärksten Zeitungen Amerikas gemacht hatte. Beide Verleger hatten erkannt, dass man mit Kriegen die Auflage steigern konnte. Sie nahmen den Aufstand der Kubaner gegen die spanische Kolonialmacht zum Anlass, Stimmung für einen Krieg der USA gegen Spanien zu machen.

Als 1898 das US-Kriegsschiff "Maine" im Hafen von Havanna explodierte, titelte die Hearst-Presse: "Remember the Maine, to Hell with Spain" ("Denkt an die ‚Maine‘, zur Hölle mit Spanien"). Dabei stand zu diesem Zeitpunkt eine Schuld Spaniens an dem Unglück überhaupt nicht fest. Als ein nach Kuba entsandter Illustrator, der angebliche Gräueltaten der Spanier dokumentieren sollte, die Lage in Havanna ruhig vorfand und gleich wieder zurückreisen wollte, wies ihn Hearst an: "Sie besorgen die Bilder - ich sorge für den Krieg." Diesen berühmten Ausspruch zitierte im James-Bond-Film "Der Morgen stirbt nie" der Schurke und Medienmogul Elliot Carver.

Während des viermonatigen Krieges in Kuba stieg die Auflage des "Journal" auf bis zu einer Million Exemplare täglich. Der Siegeszug von William Hearst war nicht mehr zu stoppen. Er erweiterte systematisch sein Imperium, gründete im Jahr 1900 die "Chicago American", 1902 den "Chicago Examiner" und den "Boston American" sowie 1904 den "Los Angeles Examiner". Sein Mentor und Hauptkonkurrent Pulitzer hatte inzwischen eingesehen, dass er den Kampf um die Vorherrschaft im Boulevardjournalismus verlieren würde. Er vollzog eine publizistische Kehrtwende und setzte in seinen Zeitungen auf eine seriöse Berichterstattung.

Im Jahr 1903 heiratete William Hearst die 21-jährige Millicent Willson, mit der er fünf Söhne haben sollte, und zog sich auf die 680 Quadratkilometer große Farm San Simeon in Kalifornien zurück. Dort baute er das Hearst Castle, ein damals 37 Millionen Dollar teurer Prunkbau mit 165 Zimmern, Kino und dem größten Privatzoo seiner Zeit. "Das Anwesen ist der Stein gewordene amerikanische Traum von den unbegrenzten Möglichkeiten, die selbst vor Stilgefühl oder Geschichtsbewusstsein nicht haltmachen", schrieb "Die Zeit". Das Mobiliar stammte meist aus Europa. Hearst ließ ganze Suiten spanischer Paläste und französischer Lustschlösser plündern. Die Kunstgegenstände für Hearst Castle konnten seine Leute auf ihren Beutezügen durch Europa angesichts der großen Not, die dort nach dem Ersten Weltkrieg herrschte, meist zum Schnäppchenpreis erwerben. Das Märchenschloss, in dem Hearst wie ein barocker Fürst residierte, war die perfekte Kulisse für die rauschenden Feste, die der Medientycoon regelmäßig veranstaltete. Stars wie Cary Grant, Clark Gable, Joan Crawford oder Charlie Chaplin, aber auch der britische Premier Winston Churchill oder der Luftfahrtpionier Charles Lindbergh zählten regelmäßig zu seinen Gästen.

William Hearst gehörte im Jahr 1935 mit einem Vermögen von 3,5 Milliarden Dollar zu den reichsten Männern der Welt. Er besaß jetzt 25 Tageszeitungen, 24 Wochenzeitungen (darunter bis heute erfolgreiche Magazine wie "Cosmopolitan" oder "Harper’s Bazaar"), zwölf Radiosender, zwei Nachrichtenagenturen und das Cosmopolitan-Filmstudio. Er verkaufte täglich mehr als 13 Millionen Zeitungen und erreichte damit rund 40 Millionen Leser. Fast jeder dritte Amerikaner las eine Zeitung aus seinem Imperium.

Keine Chance aufs Weiße Haus

Seine Medienmacht half ihm trotzdem nicht, sein größtes Ziel zu erreichen: das Präsidentenamt der USA. Er hatte sich zwar zweimal für die Demokraten in den Senat wählen lassen, aber 1906 vergeblich für den Posten des New Yorker Gouverneurs kandidiert. Daraufhin zog er sich enttäuscht aus der Politik zurück.

Hearst sympathisierte in den 30er-Jahren mit dem Nationalsozialismus und dem italienischen Faschismus. 1934 reiste er nach Deutschland und wurde von Adolf Hitler empfangen. Er veröffentlichte sogar eine Artikelserie von Hermann Göring, die er aber nach heftigen Protesten wieder absetzte. Die November-Pogrome 1938 veranlassten ihn schließlich zu einer politischen Kehrtwendung. Seine Zeitungen waren unter den ersten, die damals über den Holocaust berichteten. Hearst starb 1951 in Beverly Hills. Orson Welles hatte ihm zehn Jahre zuvor mit "Citizen Kane" ein filmisches Denkmal geschaffen. Zwar hatte der Tycoon noch eine Medienkampagne gestartet, um die Veröffentlichung des Films, der weitgehend von der Biografie Hearsts inspiriert war, zu verbieten. Aber "Citizen Kane", längst zum Kultfilm avanciert, kam trotzdem in den Vertrieb.

Nach dem Tode Hearsts übernahm sein gleichnamiger Sohn die Blätter und stärkte den Einfluss der Familie wieder. Er gewann als Journalist sogar einen prestigeträchtigen Preis für ein Interview mit dem sowjetischen Staatschef Nikita Chruschtschow. Der Preis ist nach dem Mann benannt, der früher der ärgste Konkurrent seines Vaters war: Joseph Pulitzer.

PEB