Der niederländische Zahlungsabwickler und Wirecard-Konkurrent Adyen hat kein Interesse an dem Unternehmen mit Sitz in Aschheim bei München, wie die "Börsen-Zeitung" meldet. Demnach sagte der Adyen-Kommunikationschef in einem Gespräch mit der Zeitung, dass die Niederländer nicht für Unternehmensteile von Wirecard mitbieten werden. Auch der japanische Technologieriese Softbank hat offenbar kein Interesse an Wirecard. Softbank sieht in dem Unternehmen Medienberichten zufolge keine Zukunft mehr und hat die im Jahr 2019 begonnene Partnerschaft aufgekündigt.

Das alles sind keine guten Nachrichten für die Wirecard-Aktie. Deren Wert hängt schließlich nach der Insolvenz nun maßgeblich davon ab, was das Unternehmen an Verkaufserlösen erzielen kann. Reichen die erzielten Einnahmen nicht aus, um die Ansprüche aller Gläubiger zu bedienen, gehen die Aktionäre komplett leer aus und erleiden einen Totalverlust.

Deutsche Bank liebäugelt mit Teilen von Wirecard


Immerhin zeichnet sich für die Banksparte ein Hoffnungsschimmer ab. "Wir sind eine der größten Banken im Zahlungsverkehr weltweit. Das ist eine unserer Stärken, ein echtes Kerngeschäftsfeld", sagte Deutsche-Bank-Vorstand Fabrizio Campelli dem "Handelsblatt" in einem am Freitag veröffentlichten Interview. "Wenn sich hier also Gelegenheiten ergeben, uns zu verstärken, werden wir uns diese ansehen." Am Donnerstag hatte die Deutsche Bank mitgeteilt, dass sie mögliche Hilfen für die Wirecard Bank prüft.

Wirecard hatte Anfang vergangener Woche mutmaßliche Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt, wenige Tage später folgte der Insolvenzantrag. Neben der Muttergesellschaft Wirecard AG mit ihren 250 Mitarbeitern haben am Heimatstandort Aschheim mittlerweile auch sechs Tochterfirmen mit 1270 Beschäftigten Insolvenz angemeldet, darunter die Vertriebs- und Marketinggesellschaft Wirecard Global Sales. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den zunächst zurückgetretenen und später vom Aufsichtsrat nachträglich fristlos gefeuerten Vorstandschef Markus Braun und andere Manager.

'SZ': Ermittlungen gegen Wirecard-Manager auch wegen Untreueverdachts


Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" nun auch wegen Untreueverdachts gegen den Ex-Vorstandschef und weitere Manager. Dabei geht es um den Vorwurf, dass dreistellige Millionensummen von Wirecard-Konten an Firmen in Asien und auf Mauritius flossen. Außerdem gehen die Ermittler laut dem "SZ"-Bericht von Freitag davon aus, dass die mutmaßlichen Manipulationen bei Wirecard spätestens 2014 begannen. Die Zeitung stützt sich dabei auf "Erkenntnisse von Ermittlern" und "Ermittlungsunterlagen". Die Staatsanwaltschaft erklärte, sie könne den Bericht nicht bestätigen. "Wir ermitteln weiterhin gegen Herrn Braun und mögliche Mittäter wegen aller in Betracht kommenden Straftaten".

Dass die mutmaßliche Manipulationen eine viele Jahre zurückreichende Vorgeschichte haben, war bekannt, bisher aber kein konkretes Startdatum, von dem die Ermittler ausgehen. Eine Schlüsselfigur ist neben Braun der früher im Wirecard-Vorstand für das Tagesgeschäft zuständige Manager Jan Marsalek. Seine Spur verlor sich vor gut zehn Tagen auf den Philippinen. Öffentlich gemacht hat die Staatsanwaltschaft, dass gegen Braun, Marsalek und andere wegen Verdachts unrichtiger Angaben und Marktmanipulation ermittelt wird.

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans forderte im "Handelsblatt" (Freitag) eine Reform der Finanzaufsicht, diese müsse "innovativer und schlagkräftiger" werden. Konsequenzen forderte der SPD-Chef auch für die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften: "Wir benötigen eine von den Big Four tatsächlich unabhängige Kontrolle." Big Four sind die vier großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Deloitte, KPMG, EY und PwC. Bei Wirecard hatte EY die Bilanzen geprüft. Das Unternehmen ist nun mit Klagen und Klagedrohungen wütender Aktionäre konfrontiert, weil die mutmaßlichen Manipulationen nicht früher auffielen.

Deutschlands Rang als "Geldwäsche-Paradies und Tummelplatz für Finanzakrobaten" schade nicht nur dem Image als Finanzplatz, sagte Borjans der Zeitung. "Er verursacht auch Schaden in Milliardenhöhe."

mf/fh/rtr/dpa-AFX