Herr Dr. Krämer, welcher der Kandidaten wird die Wahl für sich entscheiden?
Dr. Jörg Krämer: Donald Trump liegt in den landesweiten Umfragen hinter Joe Biden. Aber er mobilisiert seine Anhänger viel stärker als Joe Biden. Das Rennen um die US-Präsidentschaft ist daher noch völlig offen.

Welche Auswirkungen hätten die Kandidaten jeweils auf die US-Wirtschaft?
Trump verunsichert die Wirtschaft durch seinen erratischen Protektionismus. Biden würde als Präsident die Wirtschaft dadurch belasten, dass die nach links gerückten Demokraten die Steuersenkungen von Trump rückgängig machen und viele Wirtschaftsbereiche stärker regulieren wollen.

Wie dürfte die Wall Street reagieren?
Mit Blick auf die Gesellschaftspolitik neigt die Wall Street eher zu Joe Biden. Dennoch würden die Märkte auf die Wahl Bidens wohl negativ reagieren, weil er für höhere Steuern und mehr Regulierung steht.

Welche Chancen sehen Sie in der neuen Präsidentschaftsperiode für den Handelsstreit zwischen den USA und China?
Unter einem Präsidenten Biden ginge der Handelsstreit weiter, auch wenn er einen anderen Ton als Trump anschlagen würde. Denn Demokraten und Republikaner sind sich einig darin, dass die USA von China wirtschaftlich, politisch und militärisch nicht dominiert werden wollen. Über die Parteigrenzen hinweg wird China in den USA zunehmend als Bedrohung empfunden.

Hat die Wahl auch Einfluss auf die Corona-Politik?
Für die Corona-Politik sind weniger die Bundesregierung als die Bundesstaaten verantwortlich. Die Bundesstaaten werden weiter auf die Situation vor Ort reagieren. Gut ist, dass die Zahl der Neuinfektionen seit Anfang August gesunken ist. Ermutigend ist auch, dass die US-Wirtschaft trotz der zweiten Corona-Welle im Juni und Juli weiter gewachsen ist.

Vor einigen Wochen wurde ein leichter Rückgang der Arbeitslosenzahlen verzeichnet. Zuletzt mussten sich jedoch wieder mehr US-Amerikaner arbeitslos melden. Wie dürfte sich die Lage unter dem künftigen Präsidenten entwickeln?
Die US-Wirtschaft erholt sich zügig vom Corona-Schock. Die Arbeitslosenquote dürfte im kommenden Jahr weiter zügig fallen. Es wird jedoch lange dauern, bis wie vor der Epidemie wieder Vollbeschäftigung herrscht.