Kryptowährungen sind das Steckenpferd von Martin Leinweber und Jörg Willig. Die beiden sind überzeugte Teamplayer und befolgen damit den Rat des Apple-Gründers Steve Jobs. Der sagte, dass große Dinge nie von einer Person allein erreicht wurden, sondern immer im Team.

Daher haben Leinweber und Willig zusammen die Plattform everyield.io gegründet, die dem Austausch von Wissen über digitale Vermögenswerte dient. Überdies haben sie gemeinsam das Buch "Asset-Allocation mit Kryptoassets" geschrieben. Es ist ein Handbuch über die Integration von digitalen Assets in traditionelle Portfolios. Leinweber war früher Portfoliomanager und ist nun bei einem globalen Indexanbieter für die Entwicklung digitaler Indizes zuständig. Jörg Willig verantwortet als Portfoliomanager Anlagestrategien langfristig ausgerichteter Vermögensverwaltungen und Fonds.

Euro am Sonntag: Herr Leinweber und Herr Willig, präferieren Sie Gold oder Bitcoin?

Jörg Willig: Da gibt es kein Entweder-oder. Das sind Brüder. Das eine verdrängt nicht zwingend das andere. Bitcoin kann eine Ergänzung zu Gold im Portfolio sein. Anleger sollten sich nicht unnötig einschränken. Beide haben ihre Vor- und Nachteile:

Welche sind das?

Martin Leinweber: Gold hat eine wesentlich längere Historie, mehrere Tausend Jahre. Das kennen die Menschen. Den Bitcoin gibt es gerade mal 13 Jahre. Außerdem ist Gold anonymer zu erwerben als der Bitcoin.

Aber als ein großer Vorteil des Bitcoin gilt doch gerade dessen Anonymität?

Leinweber: Das stimmt nicht. Es handelt sich um eine Pseudoanonymität. Alle Transaktionen auf der Bitcoin- Blockchain sind einsehbar und in vielen Fällen auch rückverfolgbar.

Dann ist Gold auch im Fall eines Armageddon das bessere Produkt?

Leinweber: Es ist fraglich, ob der Besitzer damit sicher über die Straße oder gar über eine Grenze kommt. Beim digitalen Gold muss er sich dagegen nur zwölf Wörter, den Private Key, merken. Das spricht für den Bitcoin.

Mal weg von den Extremfällen. Sie empfehlen Kryptowährungen wie den Bitcoin auch als Portfoliobeimischung?

Willig: In einem gut strukturierten Portfolio kann das sinnvoll sein. Wir haben verschiedene Szenarien betrachtet und festgestellt, dass ein Anteil von 1,5 Prozent einen nachhaltigen Effekt hat. Die Rendite des Depots steigt deutlich bei nur geringfügig erhöhter Volatilität. Auch der maximal mögliche Verlust, der Drawdown, erhöht sich nur marginal. Anleger sollten die sehr gute Entwicklung der vergangenen Jahre aber nicht einfach fortschreiben und dabei die Risiken aus dem Auge verlieren.

Leinweber: Die Anleger haben Angst vor der hohen Schwankungsbreite des Bitcoin und laufen vor dem Säbelzahntiger weg, statt diesen mit in das Portfoliogehege zu nehmen. Wenn der Anteil des Bitcoin gering ist, ist der Verlust erträglich, selbst wenn dieser auf null fallen sollte. Wichtig ist, dass auch ein Totalverlust den Anleger nicht in die Bredouille bringt.

Hört sich einfach an.

Willig: Ist es aber nicht. Oft verlieren Anleger die Nerven, wenn der Bitcoin oder andere Kryptos fallen, und veräußern dann. Oder sie kaufen in einen Hype hinein. Entscheidend ist aber, einen Plan zu haben und seine vorher festgelegte Vermögensallokation langfristig durchzuhalten. Nur dann fahren Investoren gut damit. Das heißt auch, wenn der Bitcoin stark gestiegen ist, den Anteil im Portfolio durch Verkäufe wieder auf das ursprüngliche Gewicht zu reduzieren. Sonst hat man plötzlich das Risiko des Depots stark erhöht. Also regelmäßig ein Rebalancing durchführen. Anleger dürfen den Respekt vor einem Risikobaustein im Depot nie verlieren.

Wie kommen Sie eigentlich auf die 1,5 Prozent?

Willig: Zum einen haben wir verschiedene klassische Ansätze der Portfoliokonstruktion ausprobiert. Zum anderen macht die Marktkapitalisierung von Kryptos vom Marktvolumen aller Vermögenswerte ungefähr 1,5 Prozent aus. Zusätzlich haben wir uns bekannte Fondsmanager wie etwa Bill Miller und Paul Tudor Jones angeschaut. Die gehen ähnlich vor.

Welchen Vorzüge haben Kryptowährungen wie der Bitcoin außer mehr Renditechancen für das Portfolio noch?

Leinweber: Sie korrelieren kaum mit anderen Vermögensklassen wie Aktien, Anleihen, Rohstoffen oder Gold, entwickeln sich also unabhängig davon.

In welcher Form empfehlen Sie Anlegern das Investment in Kryptodevisen?

Willig: Die Direktanlage über eine Wallet, eine digitale Brieftasche, nutzen vor allem technisch versiertere Investoren. Für den Standardanleger bieten sich eher physisch besicherte ETPs an, die ähnlich wie ein ETF bei Aktien funktionieren.

Was ist mit Kryptoaktien?

Willig: Mit denen kann nur indirekt an der Entwicklung von digitalen Assets partizipiert werden. Sie sind ein gehebeltes Investment auf Kryptos und sehr volatil. Man kann das Ganze mit Gold und Goldminenaktien vergleichen, die sich manchmal sehr unterschiedlich entwickeln. Für Privatanlegern sind solche Aktien herausfordernd.

Wie sehen Sie überhaupt die Zukunft von Bitcoin & Co?

Leinweber: Kryptos sind gekommen, um zu bleiben. Dieses Ökosystem und seine Infrastruktur werden weiter wachsen und reifer werden. Immer mehr institutionelle Anleger werden es nutzen. Zuletzt ist sogar die Sparkasse auf den Zug aufgesprungen. Zudem werden die konventionelle Geschäftswelt und der Kryptomarkt weiter zusammenwachsen, was sich bei Non-Fungible Tokens in der Kunst bereits zeigt.

Welche Kryptos setzen sich durch?

Leinweber: Das weiß kein Mensch. Es werden noch viele verfaulte Äpfel von den Bäumen fallen. Man kann es mit der New-Economy-Zeit in den 90er-Jahren vergleichen: So wie damals viele Aktien werden künftig noch viele Tokens durch den Rost fallen. Es wird neue Anwendungsmöglichkeiten geben, die wir uns heute noch überhaupt nicht vorstel- len können, bis irgendwann eine neue Google auftaucht.