Einige Analysten halten es inzwischen für möglich, dass die Schwelle von 100 zum Dollar fällt - das wäre für den Yen der höchste Stand seit 2016, die Turbulenzen aus der ersten Corona-Welle im März herausgerechnet.

"Die Fed hat alles geändert", sagt Chris Weston, Chefanalyst beim Brokerhaus Pepperstone. Das rasche Aufdrehen des Dollar-Hahns hat die Renditen in der weltweit führenden Volkswirtschaft so stark gedrückt, dass vor allem japanische Anleger ihr Geld lieber zuhause anlegen. "Wenn man in den USA investiert, außerhalb des Aktienmarktes, ist das weniger attraktiv als das, was man bei japanischen Staatsanleihen erwirtschaftet", sagt der Experte.

REALE RENDITE


Um die wirtschaftlichen Corona-Folgen zu bekämpfen, hat die US-Notenbank Fed die Zinsen in Richtung Null gesenkt und kauft zudem Wertpapiere im großen Stil. Entsprechend abwärts ging es mit den Renditen für die zehnjährigen US-Staatsanleihen, die sich seit Jahresanfang ungefähr halbierten und inzwischen bei weniger als einem Prozent liegen. In Europa ist die Verzinsung sogar noch geringer, zum Teil sind hier negative Renditen an der Tagesordnung. Japanische Papiere liegen bei einer Rendite von ungefähr Null. "Die Geldpolitik der Bank von Japan ist inzwischen nicht mehr so außergewöhnlich, weil jetzt auch große andere Notenbanken an ihrem unteren Ende bei den Zinsen angekommen sind", sagt Zach Pandl, Vizechef für Devisen bei Goldman Sachs.

Doch so richtig auffällig wird der Unterschied dann, wenn man die Inflation dazu in Betracht zieht. In diesem Fall notieren US-Papiere bei minus 0,85 Prozent, während japanische Anleihen immerhin bei Null liegen. Für japanische Anleger lohne es sich damit nicht mehr, im Ausland zu investieren, wenn sie sich nicht gegen Währungsschwankungen absicherten, erläutert Pandl.

Der Wandel ist bereits jetzt sichtbar. Weniger Geld aus Japan findet seinen Weg ins Ausland. So hat der größte Pensionsfonds des Landes GPIF, der besonders viel Geld in ausländische Staatsanleihen investiert, seine Auslands-Ziele in etwa erreicht. Unter dem Strich steckten japanische Anleger in diesem Jahr etwa 400 Milliarden Yen in Auslandspapiere, 2019 waren es 2,6 Billionen Yen, 2018 7,8 Billionen und im Jahr davor sogar zehn Billionen Yen. Auch die Unternehmen des Landes haben ihre Investitionen im Ausland wegen der Pandemie deutlich gekürzt.

Ob die Japaner ihr Geld wieder verstärkt im Ausland für sich arbeiten lassen oder nicht, hängt von der wirtschaftlichen Erholung nach der Pandemie ab und davon, ob die USA auch zu einem Land mit niedriger Inflation und niedrigem Wachstum werden wie Japan, sagt Masayuki Murata, Portfoliomanager bei Sumitomo Live Insurance. "Ich denke, es wird ein paar Jahre dauern, bis man das sagen kann."

rtr