Im €uro-Tischgespräch erklären die Experten von Amundi, BlackRock, DWS Xtrackers, Franklin Templeton und Invesco, wodurch sich die laufenden Kosten weiter vergünstigt haben und die Vielfalt und Transparenz nicht nur in puncto Nachhaltigkeit zugenommen hat.



€uro: Wird sich die starke Nachfrage nach passiv gemanagten Fonds 2022 fortsetzen?


Benjamin Fischer (Director - iShares & Wealth, Head of Banks & Strategic Clients, BlackRock): Das ETF-Wachstum hat sich im zurückliegenden Jahr erneut beschleunigt. Der ETF ist beim deutschen Privatanleger angekommen, denn ETFs ermöglichen den einfachen Zugang zum Kapitalmarkt für die breite Bevölkerung, bieten also eine "Demokratisierung der Geldanlage". Hierzu haben in den vergangenen Jahren auch die Fortschritte in der Technik beigetragen. Viele Anleger haben heute per Smartphone Zugriff auf ihr Depot - und ein ETF-Sparplan oder eine Einmalanlage sind mit ein paar Klicks eingerichtet. Hinzu kommt, dass aufgrund fallender Transaktionskosten die Anlage in ETFs für Anleger noch kostengünstiger geworden ist. Darüber hinaus haben im Lockdown viele die Zeit genutzt, um sich mit Finanzwissen zu beschäftigen, das heutzutage online einfach verfügbar und abrufbar ist.

Ulrich Cord (Team Head ETF-Vertrieb Deutschland, Invesco): Der Boom geht durch alle Altersgruppen und Bevölkerungsschichten, wobei es vor allem bei den 20- bis 35-Jährigen ein extremes Wachstum gab. Für sie gibt es den Mythos "Sparbuch" mit attraktiven Zinsen nicht mehr, sie müssen sich nach Alternativen umsehen. Dazu kommt, dass die Angebote der Neobroker diese Zielgruppe und deren Kostensensibilität sehr direkt ansprechen.

Marcus Weyerer (Senior ETF-Spezialist bei Franklin Templeton): Für uns als relativ junger Anbieter machen die Retailzuflüsse noch einen signifikanten Teil aus. Dabei fällt auf, dass Deutschland im Bereich der ETF-Sparpläne in Europa federführend ist. Kein anderes Land zeigt bisher ein solches Wachstum. Auch italienische Anleger nutzen ETFs ausgiebig, sind aber eher Trading-orientiert. In Großbritannien dominieren noch die traditionellen Plattformen, die aber - auch von den Kosten her - nicht die abwicklungsfreundlichste Form für Privatanleger sind. In Deutschland aber geht die Post ab: Vor zwei Jahren verzeichnete Deutschland eine Million, zwölf Monate später zwei Millionen, und jetzt gibt es hierzulande mehr als doppelt so viele ETF-Sparpläne wie 2020.

Fischer (BlackRock): Um die genauen Zahlen zu nennen: In Deutschland waren wir Ende 2021 bereits bei knapp 4,9 Millionen ETF-Sparplänen. Ende 2014 waren es 160 000. Das ETF-Anlagevolumen der deutschen Privatanleger lag zuletzt bei knapp 90 Milliarden Euro. Nach einer ganz neuen Studie, die von BlackRock in Auftrag gegeben wurde, wird sich das rasante Wachstum mit etwa 35 Prozent pro Jahr auch so fortsetzen. Damit wären wir 2026 in Deutschland bei beeindruckenden 20 Millionen ETF-Sparplänen pro Monat und einem Gesamtanlagevolumen von 350 Milliarden Euro in ETFs.

Thomas Wiedenmann (Head of ETF-, Indexing- & Smart-Beta Sales D/A, Amundi): Die Zahlen sind etwas ungenau, weil zwei der wichtigsten Spieler in dem Markt keine Angaben zu ihren Zahlen gemacht haben: Scalable Capital und Trade Republic. Die beiden sogenannten Neobroker haben zuletzt viele Anleger mit ihren günstigen Konditionen angelockt. Unter anderem verlangen sie keine Gebühren für Sparplanausführungen, während die meisten Banken und Direktbanken sich jede einzelne Ausführung vergüten lassen, etwa mit 1,50 Euro oder einem gewissen Prozentsatz der Rate. Die Summen die, die Neobroker auf diese Weise anlocken konnten, haben die Studienautoren geschätzt und zu den gesicherten Daten hinzugerechnet.

Der Zuspruch steigt also enorm?


Weyerer (Franklin Templeton): Ja, das Wachstum ist hierzulande deutlich schneller als in den europäischen Märkten. Viele Anbieter überlegen gerade, ob und wie sich der ETF-Sparplan-Boom in andere Länder transferieren lässt. In diesem Bereich sind die Deutschen eindeutig die Vorreiter. In der Corona- Zeit haben vor allem auch viele jüngere Anleger Zeit gefunden, sich mit dem Thema Investieren zu beschäftigen, und haben dann auch gute Gewinne gemacht. Solche positiven Erfahrungen prägen und werden durch Social Media auch transportiert.

Patrick Diel (Leiter Kundengeschäft D/A, DWS Xtrackers): Zu diesen Erfolgen hat auch eine deutsche Besonderheit beigetragen. Die klassischen Vertriebsstrukturen sind für die jüngere Generation oft nicht mehr verständlich. Aber auch vermögende Kunden zeigen sich immer weniger bereit, einem Berater bei schlechten Erfahrungen oder zu hoher Kostenbelastung treu zu bleiben, was den Trend zu Selbstentscheidern verstärkt hat. Die Corona-Zeit war Lernzeit: Aufgrund des vielfältigen Angebots und der geringen Kosten waren ETFs das probate Mittel, sich breit gestreut, thematisch oder nachhaltig zu engagieren. Andere Länder haben diesen Nährboden - eine noch niedrige Aktienquote, Sparpläne mit minimalen Kosten, lang etablierte Direktbanken und vielversprechende Neobroker - eben nicht oder nicht so flächendeckend.

Cord (Invesco): Der Zwist besteht zwischen dem Beratungsgeschäft, wo ETFs wenig beraten werden, und der Innovationskraft, die aus Deutschland und von den hier ansässigen Direktbanken, wie etwa Consorsbank, Comdirect, DKB oder ING Diba, kam. Selbstentscheider sind hier moderne Features mit kostengünstigen Konten und Depots gewöhnt. Robo-Advisor und Neobroker wie Scalable Capital oder Trade Republic befeuern diesen Trend von der Anbieterseite. Auch diese großen Trendsetter sind in Deutschland beheimatet und expandieren von hier aus nach ganz Europa. Deutschland hat hier eine Vorreiterrolle.

Wiedenmann (Amundi): Wer sich mit Finanzanlagen beschäftigt, stößt automatisch auf ETFs. Der einfache Grund dafür ist, dass es in Deutschland wenig Alternativen gibt, um langfristig Vermögen beispielsweise für die Altersvorsorge aufzubauen. Von staatlicher Seite fehlt eine entsprechende Förderung. Positiv formuliert hat der deutsche Privatanleger seine Vorsorge selbst in die Hand genommen, weil es ihm an einer politischen Lösung mangelt. Andere wie beispielsweise Skandinavien oder auch Frankreich haben es besser gelöst: Dort gibt es stark steuerbegünstigte Töpfe in Versicherungshand, die an Convenience und steueroptimiertem Renditevorteil kaum zu schlagen sind. Bei den Brokern in Frankreich und Spanien sind ETFs auch schon die wichtigsten Vehikel, aber der Nachfragedruck ist viel kleiner. Der Fokus liegt stark auf Brokerage. Auch muss man dort erst einmal erklären, was ein ETF-Sparplan überhaupt ist. Das Gleiche gilt für UK und USA. Die Deutschen gehen nach vorn, weil sie zu ihrem "Glück" gezwungen sind.

Weyerer (Franklin Templeton): Aus UK-Sicht sind Sparpläne, an deren Kapital man erst mit 55 Jahren kommt, ein großes Thema. Der Hintergrund: Es gibt kaum ein Umlagesystem. Die UK-Sparpläne fokussieren sich aber nicht so stark auf die ETF-Seite, weil die Renditeoptimierung von anderer Seite kommt. Je nach Steuersatz bekommt ein Privatanleger zwischen 20 und 45 Prozent seines Einsatzes von der Steuer zurück. Das ist ein starker Anreiz zugunsten langfristiger Anlagen und oft auch Aktiensparplänen.

Welche Marktchancen haben ETFs im Versicherungsmantel?


Diel (DWS): Klassische Lebensversicherungen mit Garantien funktionieren aufgrund des niedrigen Zinsniveaus kaum noch, deswegen steigen Versicherer auf fondsgebundene Policen um, die ihre Wertentwicklung aus Investmentfonds ziehen. Kostengünstige ETFs, die ja keine Vertriebsprovision auszahlen, sind hier eine passende Lösung, da die Entlohnung des Vertriebs aus dem Versicherungsmantel erfolgt. Zusätzlich schärft das Niedrigzinsumfeld beziehungsweise die deutlich negativen Realrenditen den Blick auf die renditeschmälernden Kosten der eingesetzten Fonds. ETFs sind auch hier ganz klar auf dem Vormarsch - ob bei klassischen oder nachhaltigen Fondspolicen.

Wiedenmann (Amundi): Allerdings gibt es nicht den gleichen Boom, den man auf der Sparplanseite beobachten kann. Versicherungskunden sind in der Regel weniger reaktionsschnell, weil sie Verantwortung auf den Berater ausgelagert haben. Trotzdem bieten alle Versicherer mit Rang und Namen mittlerweile auch ETF-basierte Policen an. Es liegt also jetzt an den Kunden, ihre Policen mit kostengünstigen ETFs zu bestücken. Dann fahren sie einen dicken SUV mit einem supereffizienten ETF-Motor.


Weyerer (Franklin Templeton): Wobei sich bereits ein gewisser Trend in die richtige Richtung zeigt. Noch ist die Anzahl der ETFs, die im Versicherungsmantel genutzt werden, relativ gering, speziell im Bestand. Kundengetrieben geht aber viel vom Neugeschäft mittlerweile in ETFs, und sie nehmen nicht mehr nur einen MSCI World, sondern immer öfter auch ETFs, die ein bestimmtes Konzept oder Thema abdecken. Thematische und nachhaltige Produkte sind definitiv unter den Kundenlieblingen der letzten zwölf Monate.

Sorgen hier die zunehmenden Inflationsängste für eine gewisse Umbesinnung?


Cord (Invesco): Kaufkraftverluste kann man vor allem durch Renditeoptimierung ausgleichen. Jeder hört in den Nachrichten, wie man sich am besten gegen Inflation schützen kann. Neben Immobilien und Aktien sind das inflationsgeschützte Anleihen oder jetzt im Gefolge der Ukraine-Krise der Rohstoffbereich. Wir verzeichnen eine stark gestiegene Nachfrage nach unserem Gold-ETC, aber auch nach Aktien, die stärker gegen Inflation geschützt sind. Für den mittel- bis langfristigen Vermögensaufbau sehen wir gute Chancen bei Tech-Aktien. Der Grund: Die Titel kommen meistens aus den USA oder China und sind nicht so stark von der aktuellen Ukraine-Krise betroffen - sie sind anders als das produzierende Gewerbe nur geringfügig von Rohstoffpreisen abhängig. Sie können oft höhere Margen durchsetzen und haben eine starke Innovationskraft. Die zuletzt stärkere Korrektur des Nasdaq 100 bietet langfristig attraktive Einstiegskurse, zumal er den S & P 500 oder den MSCI World auf lange Sicht immer wieder deutlich übertroffen hat. In Szenarien wie jetzt passt er sicher in viele Kundendepots. Er ist übrigens auch bei Sparplänen einer der beliebtesten Indizes.

Diel (DWS): Viele Tech-Werte können Preissteigerungen an ihre Kunden weitergeben, daher sind Aktien oft im Vorteil. Es hilft auch, dass sie oftmals in den USA angesiedelt sind - der Euroraum wird aufgrund der Rohstoffabhängigkeit, der Lieferkettenprobleme und der Nähe zur Ukraine derzeit eher gemieden. Wenn die Inflation aber hoch bleibt, dann kann das Tech-Aktien sehr wehtun. Bei langfristiger Inflation wäre ich daher zurückhaltend bei diesem Segment. Allerdings sind momentan eher die defensiven, klassischen Sektoren gefragt, zum Beispiel über einen Minimum-Volatility-ETF. In dem entsprechenden Index sind ja auch der Gesundheits wesen- oder Basiskonsumgüter- Sektor enthalten (WKN*: A1103F). Ein anderes Beispiel für eine defensivere Ausrichtung ist unser S & P 500 Equal Weight ETF (WKN*: A1106A).

*Anmerkung der Redaktion

Fischer (BlackRock): Wir haben in den ersten Wochen dieses Jahres darüber hinaus eine große Nachfrage nach Faktor-ETFs und hier insbesondere dem Value-Faktor gesehen. Hierbei handelt es sich um die Investition in Aktien die im Vergleich zu ihren Fundamentaldaten günstig erscheinen. Der Faktor hat die letzten 14 Jahre underperformed, aber historisch in einem Umfeld von steigender Inflation und steigenden Zinsen gepunktet. Daher die zuletzt hohe Nachfrage in diesem Bereich.

Wiedenmann (Amundi): Genau das gleiche Bild erleben wir: Gefragt sind Gold, Value-, Tech- und Immobilien-ETFs mit hohen Dividenden. Auf der Anleiheseite - viele Kunden müssen ja ein gewisses Quantum an Anleihen halten - gehen die Leute auf Inflation-Linker oder Liquid-Alternatives-Themen. Es gibt aber auch exotischere Strategien wie einen Inflation-Break-even-ETF, der über eine synthetische Struktur die Inflationserwartungen auszunutzen versucht.

Cord (Invesco): Um das etwas deutlicher einzuordnen: In den ersten beiden Monaten gingen die Gespräche mit unseren institutionellen Kunden fast nur über deren Positionierung: Value versus Growth, ob sie also besser auf niedrig bewertete Titel, die während der Pandemie stärker verloren hatten, oder auf Wachstumsunternehmen setzen. Wenn man sich aber das tatsächliche Anlagevolumen ansieht, ist am Ende das meiste Geld in ETFs geflossen, die den klassischen S & P 500 ohne Value- oder Growth-Fokus abbilden. Das hat uns überrascht, weil vor allem Nachhaltigkeit über die letzten Jahre das bestimmende Thema in der Beratung war und eher die nachhaltige Version, der S & P 500 ESG, von uns nachgefragt wurde, aber zu Jahresbeginn trotzdem der klassische S & P 500 der Top-Seller geblieben ist. Langfristig bleibt Nachhaltigkeit aber überall und vornehmlich im Bankvertrieb ein Riesenthema: Ab August müssen alle Kunden nach ihren Präferenzen, ob sie klassisch oder nachhaltig investieren wollen, gefragt werden.

Welchen Einfluss hat die aktuelle Krisensituation auf die ETF-Nachfrage?

Cord (Invesco): Sie befeuert die Nachfrage nach flexiblen, breit diversifizierten und kostengünstigen Instrumenten und verschafft ETFs somit generell Rückenwind. Welche Bereiche davon besonders stark profitieren, kommt aber auf das zugrunde gelegte Szenario an: Wird der Konflikt schnell beigelegt, werden Europa, Value und zyklische Titel laufen. Bleibt es geopolitisch angespannt, wird die Inflation zum zentralen Problem werden. Schlimmstenfalls kommt es zur Energiekrise, weil Russland nicht mehr liefert. Wir halten das mittlere Szenario für am wahrscheinlichsten und favorisieren Aktien, die unabhängiger von der Inflation sind, wie beispielsweise Energie, Tech, Aktien mit robusten Geschäftsmodellen sowie Gold.


Weyerer (Franklin Templeton): Im genannten mittleren Szenario werden traditionell Dividendentitel stark nachgefragt. Dividenden und Inflationsschutz werden in einem Zusammenhang gesehen. Immer, wenn es - wie man so schön sagt - rappelt, sieht man eine Flucht in die Dividenden. Auslöser ist die Vorstellung "Dividende ist was Stabiles", die nicht immer gerechtfertigt ist. Hier muss man sich aber genau ansehen, welche Strategien bei Dividendentiteln gewählt wurden. Ob es nur High Yield sind, Zykliker oder, oder …

… was fast zwangsläufig zur Frage nach Income-Strategien mit ETFs führt?

Weyerer (Franklin Templeton): … die man sehr gut mit geeigneten Dividenden-ETFs darstellen kann. Im Vorfeld muss man aber den Bedarf feststellen: Aktien oder Anleihen? Mit Festverzinslichen sind insbesondere in Zinsanstiegsphasen Risiken verbunden. Man denke nur daran, dass es jüngst einen Absturz bei US-Treasuries gab. Die Aktienseite kann derartige Schwankungen auch mal ausgleichen und sorgt auf lange Frist gesehen für eine auskömmliche Rendite. Man lebt länger, lebt länger im Ruhestand, und das ist mit Anleihen allein nicht mehr finanzierbar. Bei Aktien ist dann aber nicht nur auf die Dividende zu achten, sondern vor allem auch auf die Qualität.

Diel (DWS): Was sich sehr gut und pflegeleicht umsetzen lässt, ist ein gemischtes ETF-Portfolio aus beispielsweise 70 Prozent breit gestreuten Aktienindizes und 30 Prozent breit gestreuten Anleiheindizes zu günstigen Kosten. Wenn die Gewichtungen regelmäßig auf die Zielgrößen angepasst werden, kann systematisch bei Kurssteigerungen Gewinn mitgenommen und bei Kursrückgängen nachgekauft werden. Wer aktuell nur in Rentenmärkte investiert, erhält nennenswerte Renditen nur mit hohen Durations- oder Spread-Risiken.

Fischer (BlackRock): Eine andere Frage ist: Wird das Vermögen verzehrt oder soll es an die nächste Generation weitergegeben werden? Wird es für die Altersvorsorge benötigt, dann macht es sicherlich Sinn, dieses konservativer anzulegen. Wird ein Teil des Vermögens jedoch nicht benötigt und soll an die nächste Generation weitergegeben werden, steht somit längerfristig zur Verfügung, dann macht es gegebenenfalls Sinn, auch weiterhin stärker auf den Aktienmarkt zu setzen.

Welche aktiven Strategie-Ansätze im ETF-Angebot gibt es darüber hinaus?


Wiedenmann (Amundi): Genau genommen ist jeder ETF-Anleger aktiv, weil er sich mit seiner Anlage beschäftigt hat. Wir bei Amundi haben keine aktiv gemanagten ETFs. Es gibt super smarte Lösungen, wie man ein individuelles Depot aus passiven Bausteinen zusammensetzt, die in der Breite tauglich sind. Dazu gehört das Rebalancing, bei dem in die underperformenden Bausteine investiert wird. Das verstärkt den Cost-Average-Effekt immens.


Cord (Invesco): Wir haben mit dem Invesco Quantitative Strategies ESG Global Equity Multi-Factor UCITS ETF (WKN*: A2PHJT) einen globalen Aktien-ETF, der aktiv von unserem Quantitative-Strategie-Team gemanagt wird. Dieser ETF mit integriertem Nachhaltigkeitsfilter funktioniert sehr gut und kommt allen zugute, die sich nicht täglich mit ihren Investments auseinandersetzen möchten. Das Team minimiert in den unterschiedlichen Marktphasen gezielt die Risiken. Systematisches Management ist auch im Anleihebereich spannend, wo ESG schwer zu integrieren ist. Nachhaltige Anleihen sind enorm nachgefragt und damit auch teurer. Bei den niedrigen Zinsen muss man neben einer niedrigen Managementgebühr vor allem die Implementierungskosten minimieren.

Weyerer (Franklin Templeton): Wobei es falsch ist, effektive Nachhaltigkeit zwangs läufig mit aktivem Management verbunden zu sehen. Mit Fokus auf die Pariser Klimaziele (Paris aligned Benchmark, PAB) und Social Responsable Investment (SRI) gibt es aus sagekräftige Indizes, in die ein ETF sehr transparent und nachvollziehbar investieren kann. Mit dem Franklin S & P 500 Paris Aligned Climate UCITS ETF (WKN*: A2P5CL) können Anleger ihre Portfolios bereits für 0,07 Prozent p. a. besonders kostengünstig klimafreund lich ausrichten. Trotzdem kann eine aktive Komponente Sinn machen, wie es der Franklin Liberty Euro Green Bond UCITS ETF (WKN*: A2PB5T) umsetzt. So müssen im Fixed-Income-Bereich, auf den wir uns spezialisieren, Emittenten und Anleihe im Scoring nicht übereinstimmen. Im engen Markt für Green Bonds gibt es zwangsläufig einige Liquiditätsthemen. In manchen Märkten gibt es Zeitdruck bei Emissionen und im Gefolge Spread-Einengungen. Dann profitieren Anleger davon, wenn dort die Vorteile von aktivem Management mit den ETF-Vorteilen tägliche Handelbarkeit und Transparenz verbunden worden sind.

*Anmerkung der Redaktion

Fischer (BlackRock): Wir hören immer häufiger von Kunden, dass sie kostengünstig investieren möchten, trotzdem aber professionelle Unterstützung bei der Asset-Allokation wünschen. Dies kann mit Multi-Asset-ETFs, die sogar Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen, bestens gelingen. Der Anleger kann hier typischerweise zwischen verschiedenen Risiko/ Rendite-Profilen wählen und überlässt die Allokation der unterliegenden Aktien- und Anleihe-ETFs dann dem Fondsmanagement. Somit investiert der Anleger mit nur einem ETF breit und global in den Kapitalmarkt und streut seine Anlage effektiv und effizient in über 7500 Wertpapiere - zu kostengünstigen laufenden Fondskosten von nur 0,25 Prozent p. a.

Diel (DWS): Grundsätzlich sind ja alle Investoren Multi-Asset-Investoren - sie müssen zwischen den Anlagemöglichkeiten ja auswählen, ehe sie sich für eine oder einen Mix von mehreren entscheiden. Egal, ob aktiv, passiv oder quantitativ gemanagt, sie nutzen alle ETFs als Bausteine - das kann man selbst machen, über den Robo-Advisor oder einen Dritten. Die Quintessenz bleibt immer, ETFs sind das Mittel der Wahl, um die jeweiligen Strategien umzusetzen. Das bietet Wachstumspotenzial für die ETFs selbst und für uns als Anbieter.

Spielt die Nachhaltigkeit als Treiber weiterhin eine so wichtige Rolle?


Wiedenmann (Amundi): Darauf können wir wetten! 2021 war ein Spitzen-ESG-Jahr. Fast 80 Prozent der Nettomittelzuflüsse in Amundi- ETFs entfiel auf nachhaltige Produkte. Das ist natürlich über die Regulatorik getrieben, aber wir haben infolge der steigenden Kundennachfrage auch viele nachhaltige ETFs auf den Vorschlaglisten der Banken. Das liegt nicht zuletzt daran, dass ESG auch aus Risiko-Rendite-Aspekten aussichtsreich ist. Zugleich legen sie aber auch großen Wert auf die Nachhaltigkeit der ETF-Anbieter: Wie engagiert nimmt er seine Stimmrechte wahr, wie macht er seinen Einfluss auf das Management von Unternehmen geltend? Alles Punkte, in denen Amundi ganz vorn mitspielt. Kunden erwarten heute nicht nur, dass der ETF-Anbieter einen ESG-Index gut abbildet, sondern dass er seiner Verantwortung mit einer tragfähigen Engagement- und Abstimmungspolitik gerecht wird.

Fischer (BlackRock): Viele Privatanleger legen ihr Geld zur Altersvorsorge an. Nachhaltigkeitsrisiken sind Investmentrisiken - langfristig macht beispielsweise die Berücksichtigung von Klimarisiken daher auch aus ökonomischen Gründen Sinn. Daher ist Nachhaltigkeit für uns bei BlackRock bereits seit zwei Jahren der neue Standard, und wir haben in diesem Bereich mit über 60 ETFs eine der breitesten Produktpaletten im Markt, die wir fortlaufend erweitern.


Weyerer (Franklin Templeton): Nachhaltigkeit ist ein Selbstläufer, keine von der Industrie oder der Regulatorik aufoktroyierte Mode. Das zeigen beispielsweise die Selfdirected-Plattformen, bei denen ebenfalls der Löwenanteil der Zuflüsse in nachhaltige Produkte geht. Aktuell ist die Frage aufgekommen, ob durch den Krieg in der Ukraine die bisherigen Positionen korrigiert werden müssen. Zudem gab es sicher auch genügend Trittbrettfahrer, die dabei waren, weil es gut gelaufen ist und die jetzt ggf. im Energie- oder Rüstungsbereich die besseren Chancen sehen. Der Boom könnte sich kurzfristig dadurch etwas abschwächen - wobei die Politik nicht von ihren Klimapositionen umschwenken wird.

Cord (Invesco): Der große Trend ist ungebrochen. Im Einzelnen werden die Deutschen in der aktuellen Situation vielleicht Zugeständnisse machen und beispielsweise die drei verbliebenen Atomkraftwerke noch etwas länger laufen lassen, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Im Investmentbereich ist es differenzierter. Viele große professionelle Anleger sind bei Einzelinvestments nicht so streng wie bei Fonds- oder ETF-Investments. Sie setzen nicht auf die striktesten Ansätze, wo beispielsweise nur in die Top 25 Prozent der Unternehmen investiert wird, der sogenannte "Best-in-Class-Ansatz", sondern auf Transformation, also auch auf noch "schmutzige" Unternehmen, die sich aber kontinuierlich verbessern. Mit diesem "transformierenden" oder "Best-in-Progress- Ansatz" erreicht man im Gesamtkontext oft deutlich mehr. Dabei ist die richtige regulatorische Einordnung, was am besten ist, eine Herausforderung, weil es Interpretationsspielraum gibt.

Diel (DWS): Investoren in nachhaltige Produkte haben meist zwei Zielrichtungen: Rendite und einen positiven Beitrag zur Transformation der Wirtschaft. Taktisch können einzelne Segmente gut laufen - aber Nachhaltigkeit ist in erster Linie Management von Nachhaltigkeitsrisiken. Das wird langfristig die Rendite treiben. Es ist wichtig, Anlegern bei der ESG-Indexentwicklung transparent zu zeigen, was erreicht wurde und was möglich ist. Hier werden die Datenpunkte immer besser. Beispiel CO2-Ausstoß, ein Thema, das uns als Xtrackers sehr wichtig ist - hier gab es bisher oft nur Zahlen zum direkten und indirekten Verbrauch eines Unternehmens. Der Großteil der Emissionen in einem Produktzyklus fällt aber bei Lieferanten und Konsumenten an. Die Inklusion dieser Datenpunkte ist wichtig und stärkt das Vertrauen beim Investor. ETFs mit ihren klaren Indexregeln sind sehr transparent und eindeutig positioniert.

Wobei Sie aktiv an der Ausformung aussagekräftiger Indizes mitwirken?


Cord (Invesco): Das macht ja auch Sinn, da wir den Bedarf der Anleger kennen. Wir haben z. B. zusammen mit dem Datenlieferanten und Indexhersteller MSCI die MSCIESG-Universal-Screened-Reihe mitentwickelt. Ziel ist es, kontroverse Waffen, Tabak und Kohle auszuschließen, aber immer noch ein breit gestreutes Core-Investment über einen ETF zu ermöglichen. Durch die Ausschlüsse wird das Universum um zehn bis 15 Prozent reduziert. Um das nachhaltige Verhalten zu belohnen, findet ein ESG-Punktesystem Anwendung. Unternehmen, die sich kontinuierlich verbessern, erhalten eine höhere Gewichtung als andere. Das führt insgesamt zur höchsten Transformation, auch wenn der ETF eine nicht so hohe gesamte ESG-Punkt zahl ausweist. Parallel dazu haben wir eine striktere MSCI-ESG-Paris-Aligned-Strategie entwickelt, die Klimaziele genauso wie soziale und Governance- Themen beinhaltet, die aber einen höheren Tracking Error mit sich bringt. Die transformierenden Strategien werden stärker von Assetmanagern nachgefragt, während die strikteren Best-in-Class-Ansätze mehr im Bankenvertrieb zum Einsatz kommen. Hintergrund ist, dass ein höherer Tracking Error gegenüber der klassischen Benchmark im Bankvertrieb eine nicht so große Rolle spielt, wie im Assetmanagement- Bereich.

Weyerer (Franklin Templeton): Die Leitplanken sind mit der EU Paris-aligned Benchmark (PAB) gesetzt. Man kann links und rechts ein wenig darüber hinausgehen. Unsere Klima-ETF-Portfolios sind EU-Benchmark-Vorgaben und damit auf eine Erwärmung um 1,5 beziehungsweise zwei Grad Celsius ausgerichtet. Das ist aus unserer Sicht einer der Standards, auf den sich die meisten verständigen können. Man muss mit einer großen Bandbreite klarkommen: Es gibt in Gesprächen großes Interesse, aber viele suchen noch ihre eigene Nachhaltigkeits-Positionierung. Man hat fünf Meetings und hatte manchmal fünf unterschiedliche ESG-Ansätze. PAB-ETFs geben Anlegern die Möglichkeit, in eine standardisierte Benchmark nach EU-Vorgaben zu investieren, anstatt aus fünf verschiedenen ESG-Ansätzen wählen zu müssen.


Wiedenmann (Amundi): Der Markt wird sich zu einer gewissen Standardisierung zwingen. Man hat mit dem PAB eine unmissverständliche Richtlinie. Eine klare Benchmark, an der sich jeder orientieren kann, und die bereits zu einer Marke geworden ist. Amundi war hier von Anfang an dabei. Aktuell haben wir weitere neun ETFs auf MSCI-SRI-Indizes so erweitert, dass Sie auch die PAB-Kriterien erfüllen. Das Label "PAB" kommt übrigens sehr gut bei Kunden und Aufsichtsratsgremien an. Eine Thematik aber bleibt: Indexanbieter sind gefordert, eine Balance zwischen Ausschlüssen und einer ausreichend breiten Diversifikation zu erzielen.

Fischer (BlackRock): Die Nachhaltigkeitsziele von Anlegern sind sehr verschieden. Der eine wünscht Ausschlüsse kontroverser Geschäftsfelder, der andere verfolgt Ziele wie ein besseres ESG-Rating, ein dritter will thematisch unterwegs sein, beispielsweise in Themen wie Clean Energy oder Smart City. Jedes dieser Motive ist legitim, und dafür braucht es entsprechende Angebote. Die Assetmanagement-Industrie muss daran arbeiten, ihre Produkte transparent zum Anleger zu bringen. Dazu gehört es auch, beispielsweise Daten zu den ESG-Kennziffern oder zum CO2-Ausstoß zu veröffentlichen. Wir zeigen diese auf unserer iShares-Webseite für jeden ETF, um Transparenz zu schaffen. Durch die deutlich verbesserte Datenlage können wir auch Aussagen zu Klimaeinflüssen wie dem impliziten Temperaturanstieg (ITR) machen. So veröffentlichen wir neuerdings die MSCIKennzahl zum ITR, einem Indikator für die Ausrichtung eines Unternehmens oder Portfolios am Temperaturziel des Pariser Abkommens, ebenfalls auf unserer Webseite.

Wie wichtig ist die Unterscheidung zwischen Basis- und Zusatzinvestment?


Cord (Invesco): Ohne Aufmerksamkeit auf die Streubreite geht es nicht. Sie bestimmt das Chance-Risiko-Profil und lässt erkennen, ob man einen ETF langfristig als strategisches oder eher vorübergehend als taktisches Investment einsetzen sollte. Es gibt im Nachhaltigkeitsbereich sehr breit gestreute Investments, zu denen man sehr gut Themeninvestments als Satelliten hinzufügen kann: Mit Clean Energy, Solarenergie, Wind oder Wasserstoff - um nur einige Themen zu nennen - kann man ein wunderbar individuelles Portfolio gestalten.

Weyerer (Franklin Templeton): Wichtig ist, dass es auf der Core-Seite breit diversifiziert bleibt. PAB wird aus meiner Sicht zum neuen Standard für nachhaltige Basisinvestments werden, Green Bonds sind dagegen eher als Satelliten geeignet, die Diversifikation bieten. Es wird aber künftig noch viele Themen geben, die indirekt mit Nachhaltigkeit in Verbindung stehen - etwa Immobilien, Landwirtschaft, Wohnen. Man muss in jedem dieser Zusatzbereiche auf die Liquidität achten, sich fragen, ob er sich für einen ETF eignet. Die ESG-Positionierung kann auch mal vorübergehend Rendite kosten, eröffnet aber langfristig Top-Chancen.

Wiedenmann (Amundi): Für die Core-Satellite-Aufstellung haben wir mit mehr als 50 unterschiedlichen Strategien die breiteste ESG-Palette am Markt. Zudem gibt es bei Amundi viele große und bewährte Themen-ETFs, die bereits Artikel-8-konform sind. Stichworte sind Future Mobility, New Energy und Wasser. So kann man sich ein komplettes Core-Satellite-Portfolio bauen, was äußerst gut ankommt.

Fischer (BlackRock): Im Bereich der Themeninvestments bieten wir derzeit 13 ETFs an. Themen wie Automation & Robotics, Healthcare Innovation, Digital Security, Digitalisation oder Electric Vehicles & Driving Technology haben sich im letzten Jahr bei deutschen Anlegern großer Beliebtheit erfreut.

Das klingt nach einer weiterhin spannenden Entwicklung der ETF-Märkte?


Diel (DWS): Genau, die ETF Industrie hat aus vielen guten Gründen ein hohes Wachstums potenzial. Privatkunden nutzen bereits sehr stark ETFs, die institutionellen Investoren stehen immer noch am Anfang. Das Thema Nachhaltigkeit wird auch in den kommenden Monaten ein großer Treiber sein. Als deutscher Anbieter sehen wir Nachhaltigkeit im Dialog mit den Unternehmen auch aus einem europäischen Werteverständnis heraus. Marktseitig werden die Themen Inflation und Kaufkrafterhalt dafür sorgen, dass sich Investoren intensiv mit ETFs beschäftigen.

Wiedenmann (Amundi): In den zurückliegenden Monaten haben ETFs wieder gezeigt, wofür sie stehen: Sie geben taktischen Investoren die Möglichkeit, kurzfristige Anpassungen vorzunehmen - Stichwort Liquidität, Flexibilität und Fungibilität. Man kann Gold kaufen oder verkaufen, wie man möchte. Die taktische Allokation funktioniert also auch in volatilen Zeiten. Auch strategische Investoren bleiben den ETFs treu. Wir haben keinen Stopp oder nennenswerte Abflüsse bei ETF-Sparplänen gesehen. Strategisch spielen ETFs ihre Intuitivität und ihre Kostentransparenz aus, und der Cost-Average-Effekt begünstigt in solchen Phasen die erreichbaren Ergebnisse enorm.

Cord (Invesco): Die enorm positive Entwicklung im Privatanleger-Markt korrespondiert mit starkem Wachstum im Profi-Bereich. Während früher der deutsche Investor mit dem Kapitalmarkt nichts zu tun haben wollte, ebnen die ETF-Produkte diesen Menschen den Weg in die Finanzmärkte. Statt viele Beratungsgespräche zu führen, die sehr kostenintensiv sind, kann man sich langfristig mit ETFs flexibel und kostengünstig ein Vermögen aufbauen. Es ist eine rundum positive Entwicklung.

Fischer (BlackRock): ETFs sind das Instrument für den Vermögensaufbau. Dabei eignen sich ETF-Sparpläne hervorragend zum Einstieg und um kontinuierlich in den Kapitalmarkt zu investieren. Mit einem ETF lassen sich dabei ganz einfach Nachhaltigkeitsaspekte integrieren oder auch Themeninvestments abbilden. Von daher wird das starke Wachstum des ETF-Markts in Deutschland weitergehen.

Weyerer (Franklin Templeton): Dazu kommt jüngst der eindeutige Erfolgsbeweis: In einem der volatilsten Märkte mit Börsenschließungen, in dem auch viele Publikumsfonds geschlossen hatten, sind ETFs wieder einmal unbehelligt hervorgegangen. Selbst bei Osteuropa-ETFs hat das Vehikel an sich funktioniert und die Handelbarkeit blieb einige Tage länger als bei aktiven Fonds gegeben. Das hat alle Kunden versichert, dass die Liquidität im ETF-Markt robust ist. Dass man alle Assetklassen abbilden kann, hat ebenfalls alle überzeugt. Auch wenn wir kurzfristige Umschichtungen beispielsweise aus Nachhaltigkeit zur klassischen Energie oder in andere Bereiche gesehen haben, verändert diese Momentaufnahme den langfristigen Trend nicht. Anleger werden gut beraten sein, auch nachhaltige ETFs in ihrem Portfolio zu berücksichtigen. Man kann sehr günstig und sehr transparent mit seinen Sparplänen nachhaltig vorankommen, ohne sich um eine ellenlange Due-Diligence-Prüfung zu kümmern.

Das Gespräch moderierte Ludwig Riepl