Herr Rogers, Sie gelten als Vielreisender. Wohin ging denn Ihre letzte Visite?
Vor Kurzem bin ich aus Nordkorea zurückgekehrt.

Was hat Sie denn in das kommunistische Land getrieben?
Ich hatte gehört, dass im Land dramatische Veränderungen im Gange sind. Ich wollte sehen, ob das korrekt ist und ob es da gute Investmentmöglichkeiten gibt. Und nun bin ich mir sicher, dass Nordkorea in Kürze sehr aufregend sein wird.

Weshalb?
Es gibt dort ein Dutzend neuer Freihandelszonen, Ausländer können dort investieren. Das Land öffnet sich. Die Situation erinnert mich an China in den 80er-Jahren oder an Myanmar 2010. Ich bin mir sicher, in Nordkorea wird es großartige Investmentchancen geben.

Sie sind viel gereist in den letzten Jahrzehnten. Werden Sie nicht langsam müde?
Nein. Ich denke zwar, dass ich langsam die Nase voll haben sollte, aber es macht mir weiterhin sehr viel Spaß. Ich möchte eher mehr denn weniger reisen.

Ein Schwerpunkt Ihrer Reisen gilt den Rohstoffmärkten, die derzeit unter Druck stehen. Einige Experten sagen, der Superzyklus sei nun zu Ende.
Da bin ich absolut anderer Meinung. Ich erinnere daran, dass es immer wieder starke Korrekturen in den Bullenmärkten gegeben hat. Ich sehe kein so dauerhaft ausreichendes Angebot auf den Rohstoffmärkten, welche den aktuellen Bullenmarkt beenden könnten. Das mag in der Zukunft mal der Fall sein, aber noch ist das nicht passiert.

Das Angebot reicht also nicht für die Nachfrage?
Für eine ganze Reihe von Rohstoffen gilt dies wahrscheinlich für einen kurzen Zeitraum. Genügend Angebot mag es bei Eisenerz und Palmöl geben. In den meisten Rohstoffsektoren ist das aber nicht der Fall.

Welchen Rohstoff favorisieren Sie?
Das ist wirklich sehr schwer zu sagen. Ich weiß nur, wenn ich einen Rohstoff als Favorit bezeichnete, würde sich dieser wohl am allerschlechtesten entwickeln. Aber im Ernst: Wahrscheinlich ist derjenige Rohstoff am besten, dessen Preis am stärksten gefallen ist. Der Gasmarkt zum Beispiel ist ein interessanter Bereich.

Edelmetalle haben ebenfalls heftig an Wert verloren. Ihr Tipp - abwarten oder zukaufen?
Ich tendiere zum Abwarten. Ich habe in der jüngeren Vergangenheit zwar kein Gold oder Silber verkauft, aber ich kaufe auch nicht zu. Aber die Zeit zum Zuschlagen wird kommen. Dann bin ich hoffentlich smart genug, um nachzukaufen.

Wie stark kann Gold noch fallen?
Gold erlebt eine normale Korrektur nach einer zwölf Jahre dauernden Kursrally. Gold hat seit seinem Preishoch noch nicht mal die Hälfte seines Werts verloren. Und selbst das wäre nichts Besonderes. Die meisten anderen Anlageklassen korrigieren alle paar Jahre um 50 Prozent. Sollte Gold tatsächlich so stark fallen und unter 1000 US-Dollar je Unze rutschen - das heißt aber nicht, dass ich das prophezeie -, werde ich hoffentlich smart genug sein, zuzukaufen.

Warum steigt der Goldpreis nicht, obwohl die Zentralbanken ihre Notenpressen angeworfen haben?
Es ist nicht immer so, dass der Goldpreis profitiert, wenn viel Geld gedruckt wird. Das haben wir etwa 1980 erlebt. Damit es weiter nach oben geht, muss erst die starke Korrektur abgeschlossen sein.

Was halten Sie derzeit von Aktien?
Bei Aktien muss man vorsichtig sein angesichts immer neuer Rekorde. In den USA ist die Mehrheit der Aktienkurse nicht nach oben, sondern sogar runtergegangen - es sind einige wenige Titel, die die Börse treiben. Ich würde lieber in Japan, Russland oder China investieren, wo es sehr günstige Aktien gibt.

Sie sind wegen der Situation in Russland nicht besorgt?
Ich bin immer über die politische Situation besorgt, egal wo ich bin. Das gilt sogar für die aktuelle politische Situation in den USA, dennoch notieren die Kurse dort auf Rekordhoch. Ja, man muss sich immer Sorgen machen. Aber wenn das allen auf einmal so geht, dann geraten Aktien unter Druck. Wie im Fall von russischen Titeln, die andernfalls sehr teuer wären. Manchmal ist es eben eine gute Gelegenheit, zu kaufen, wenn viele Anleger besorgt sind.

Wo kaufen Sie denn in Russland?
Ich habe in Russland Aktien des Düngemittelherstellers PhosAgro gekauft. Dort bin ich kürzlich Direktor geworden. Die Gründe sind, dass ich mit Blick auf die Landwirtschaft und auf Russland zuversichtlich bin. Da passt einfach alles zusammen. Ich habe auch Russland-ETFs gekauft. Zudem habe ich in Aktien der Fluglinie Aeroflot und anderer russischer Unternehmen investiert.

Sie erwarten keine weitere Eskalation der Ukraine-Krise oder einem Krieg?
Irgendwann kommt es vielleicht dazu, aber nicht in Kürze. Ich weiß nicht, wer im Westen Krieg haben will, außer vielleicht den USA. Auf jeden Fall nicht die Europäer und die Asiaten. Und die USA haben auch kein Geld, um einen Krieg gegen Russland zu führen.

Wie schätzen Sie die Situation in China ein?
Die Wirtschaft in China wächst lang nicht mehr so dynamisch wie früher. Das Spannende an China ist, dass das Land anders als andere Nationen in den vergangenen Jahrzehnten keinen ökonomischen Rückschritt erlebt hat. China ist in dieser Hinsicht anormal. Und es macht mir auch Sorgen, dass die Wirtschaft langsamer wächst und dass die Immobilienpreise zurückgehen.

Wo sehen Sie dennoch Chancen?
China hat im vergangenen November ein großes Treffen der kommunistischen Partei in Peking abgehalten und dabei jene Sparten der Volkswirtschaft festgelegt, die sie in den nächsten zwei Dekaden fördern wollen. Dazu zählen der Umweltschutz, das Gesundheitssystem, der Eisenbahnsektor und der Finanzmarkt. Ich kaufe vor allem Aktien aus diesen Sektoren.

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Jim Rogers wurde 1942 in Demopolis im US-Bundesstaat Alabama geboren. Nach dem Studium der Geschichte, Philosophie und Wirtschaftswissenschaften in Yale und Oxford war er zunächst für mehrere internationale Konzerne an der Wall Street tätig. 1970 gründete Rogers mit George Soros den berühmten Quantum-Fonds. Rogers, der auch als Buchautor erfolgreich ist, lebt mit Frau und zwei Töchtern mit den Spitznamen Happy Bee und Baby Beeland in Singapur.