FONDSXPRESS: Herr Braml, Donald Trump hat es speziell auf Deutschland abgesehen. Was stört den US-Präsidenten?


JOSEF BRAML: Trump sieht die EU nicht mehr wie frühere US-Regierungen als Partner, sondern als Rivalen. Er will deshalb die Staatengemeinschaft in ihre Einzelteile zerlegen. Deutschland als die Führungsmacht der EU nimmt er da besonders ins Visier. Zugleich sympathisiert er mit Ländern, die dem europäischen Einigungsgedanken wesentlich distanzierter gegenüberstehen als Berlin.

Wie kommt Trump zu Einschätzung, Europa sei ein Rivale?


Er lebt in einer Welt, in der Unternehmen gegen Unternehmen und Staaten gegen Staaten kämpfen. Seiner Auffassung nach haben Staaten keine Freunde, sondern nur Interessen. In seiner Welt gibt es auch keine gemeinsamen Interessen. Ich beziehungsweise die USA gewinnen, alle anderen verlieren - das ist sein Credo. Deutschland und Europa müssen sich auf diese knallharte Old-school-Außenpolitik der USA weit mehr noch als bislang einstellen.

Lassen sich die von Trump angedrohten Zölle von 25 Prozent auf jedes importierte Fahrzeug aus Europa noch verhindern?


Wenn sich Europa erneut erpressen lässt, kann es vielleicht ein paar Monate oder sogar ein Jahr Aufschub von Washington gewährt bekommen, bevor höhere Zölle erhoben werden. Dadurch wird Europa aber nicht erneut zum Partner. Trump ist fest entschlossen, die regelbasierte Weltordnung, an die wir uns so gewöhnt haben und zu deren Etablierung die USA ja auch viel beigetragen haben, zu zerstören.

Trump hat kein Interesse an der Welthandelsorganisation WTO?


Nein, er hält auch die Nato für überflüssig. An die Stelle einer regelbasierten Weltordnung will er das Recht des militärisch starken Amerika setzen, das auf niemanden Rücksicht nehmen muss. Indem er bereits Stahl- und Aluminium, vielleicht demnächst auch noch Autos aus Europa als Bedrohung für die nationale Sicherheit definiert, kommt er seinen Zielen einen entscheidenden Schritt näher. Damit unterminiert er die WTO und die Nato. Die EU- und die Nato-Staaten müssen die Kehrtwende in Washington erst einmal verdauen. Da sie als Gegner eingestuft werden, dürfen sie nicht mehr auf die Sicherheitsgarantie der USA bauen.

Sind Gegenzölle seitens der EU sinnvoll?


Nein, Europa fehlt die Eskalationsdominanz. Das weiß Trump. Die EU verfügt aber über alternative Möglichkeiten. Wir sollten die Kurzsichtigkeit Trumps ausnutzen. Was er und seine Berater nicht verstehen: Die USA werden solange Handelsbilanzdefizite aufweisen, solange das Land über seine Verhältnisse lebt. Staat, Unternehmen und die Verbraucher sind massiv verschuldet. Wenn aber die USA es anderen Staaten unmöglich machen wollen, Handelsbilanzüberschüsse zu erzielen, dann nimmt es sich auch die Möglichkeit, weiterhin auf Pump zu leben.

Deutschland dagegen exportiert, spart und finanziert zum Teil das Defizit der USA?



Ja. Es wäre jedoch wesentlich besser, wir würden unsere Währungsreserven in den Ausbau europäischer Infrastruktur anlegen beziehungsweise die Menschen, die in prekären Verhältnissen in Europa leben, zurück in Lohn und Brot zu bringen. Wir sollten uns auch ein eigenes Militär in Europa leisten, damit wir nicht weiterhin erpressbar sind von Washington.

Auch Nordstream 2 wird heftig kritisiert. Deutschland mache sich zu sehr von russischen Energieimporten abhängig. Hat Trump recht?


Nein. Russische Energie ist im Vergleich zur LNG-Lieferungen aus den USA wesentlich billiger. Trump ignoriert auch die Tatsache, dass Russland immer - auch zu Zeiten des kalten Kriegs - geliefert hat. Und schließlich werden die USA künftig Russland brauchen, um den Expansionsdrang Chinas einzudämmen.

Trump hat die Frist im Handelsstreit mit China verschoben. Wäre ein Deal ein weiterer Beweis seines letztendlich erfolgreichen Verhandlungsstils?


Trump hat bereits erfolgreich Mexiko, Kanada, Südkorea und Europa erpresst. Doch das funktioniert nur kurzfristig. Amerika verprellt seine Alliierten und schadet sich auf lange Sicht selbst. In der großen Auseinandersetzung mit China sind die USA aber auf Alliierte angewiesen. Der Präsident überschätzt sich maßlos, die Einsicht aber wird kommen.

Können die Demokraten Trumps America-first-Kurs korrigieren?



Das System der "Checks and Balances" funktioniert nicht mehr. Viele Demokraten sind ebenso protektionistisch aufgestellt. Bernie Sanders hat Hillary Clinton schon im Wahlkampf gezwungen, ihre Freihandelsposition um 180 Grad zu korrigieren. Die Demokraten werden sich auch der von Trump angekündigten Modernisierung der Infrastruktur nicht widersetzen. Das Defizit weitet sich so aber weiter aus, die Gefahr einer erneuten Finanzkrise wächst. Von Wachstumszahlen und Börsenkursen darf man sich nicht täuschen lassen. Das ist alles wieder auf Pump finanziert. Die Blase wird platzen und das kann bald geschehen.

Wird Trump noch einmal antreten?


Er hat für seine Wiederwahl jedenfalls schon viel getan. Und auf der Seite der De mokraten ist bislang keine überzeugende Alternative auszumachen.