Chinas Volksbefreiungsarmee ist derzeit im Dauereinsatz vor der Küste Taiwans. Vor drei Wochen hatte der Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi heftige Kritik Pekings und bis dahin beispiellose Militärmanöver ausgelöst. Am Montag demonstrierten Chinas Streitkräfte erneut Stärke. Eine Delegation von US-Demokraten hatte sich zu Gesprächen mit Taiwans Regierung in Taipeh eingefunden - aus Sicht Pekings eine "schamlose Verletzung der Souveränität Chinas".

Der Taiwan-Streit birgt erhebliche Risiken. Eskaliert der Konflikt, hätte dies massive Konsequenzen für die Märkte. Unwahrscheinlich ist ein Waffengang nicht. Im vor Kurzem veröffentlichten Weißbuch behält sich Peking militärische Mittel zur angestrebten Wiedervereinigung mit der "abtrünnigen Provinz" ausdrücklich vor: "Wir verzichten nicht auf die Anwendung von Gewalt." Taiwans demokratisch gewählte Regierung hat in Reaktion auf die jüngsten Drohgebärden die Verteidigungsausgaben noch einmal erhöht

Eigenständigkeit und Sicherheit Taiwans garantiert vor allem aber Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC). Das Unternehmen mit Sitz in Hsinchu produziert hochwertige Mikrochips, die in Fahrzeugen, Cloud-Servern, Hochgeschwindigkeitsrechnern, 5G-Kommunikationssystemen und iPhones eingesetzt werden.

Noch ist China auf TSMC-Halbleiter angewiesen, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Das Reich der Mitte kann sie bislang nicht in der gleichen Qualität und Menge produzieren. "Ein gegen Taiwan gerichteter kriegerischer Akt würde die Versorgung des Festlands mit diesem so kritischen Input gefährden", heißt es in einer Studie der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik.

Zu den Kunden vom TSMC zählen neben chinesischen auch US-Unternehmen wie Apple, Nvidia oder Advanced Micro Devices. Rund zwei Drittel des Umsatzes erzielt TSMC in den USA. Washington hat daher ein vitales Interesse daran, dass die Mikrochip-Lieferkette nicht unterbrochen wird. Taiwan könne sich auf die militärische Unterstützung der USA verlassen, versicherte US-Präsident Joe Biden.

Peking passt das alles nicht. Die Abhängigkeit von TSMC will man so schnell wie möglich beenden. "Der Ausbau der heimischen Produktion steht auf der Wirtschaftsagenda der chinesischen Regierung ganz weit oben und bekommt weiter politische Unterstützung", sagt Norbert Frey, Leiter des Fondsmanagements bei der Fürst Fugger Bank.

Auftrag zur Aufholjagd

Semiconductor Manufacturing International Corporation (SMIC), (WKN: A2D H1J) ist Chinas größter Chipauftragsfertiger. CEO Zhao Haijun soll den technologischen Rückstand gegenüber der taiwanesischen Konkurrenz verringern. Derzeit entstehen in Peking, Shenzen und Shanghai drei neue Produktions- und Forschungsanlagen. Allerdings findet sich das von der chinesischen Regierung finanziell kräftig unterstützte Unternehmen seit Dezember 2020 auf der US-Liste der Handelsbeschränkungen, der "entity list". Seitdem ist SMIC von notwendiger US-Technologie abgeschnitten.

Trotzdem scheint ein Durchbruch gelungen zu sein. Meldungen des Informationsdiensts TechInsights zufolge hat das Unternehmen erstmals Sieben-Nanometer-Chips produziert. TSMC oder Samsung stellen Halbleiter in dieser Größenordnung bereits seit vier Jahren her. Für SMIC wäre es - sollten sich die Nachrichten bestätigen - dennoch ein echter Meilenstein.

An der Börse hat die Aktie noch nicht gezündet. Seit Jahresanfang weist der Kurs nur ein knappes Plus auf. Im zweiten Quartal war der Gewinn im Vergleich zum Vorjahresquartal deutlich geringer ausgefallen. Citigroup rechnet auch in den kommenden Monaten mit Gegenwind. Derzeit stornieren vor allem Unternehmen aus der Unterhaltungselektronik ihre Bestellungen bei SMIC. Für mutige Investoren mit langem Anlagehorizont sollte sich der Einstieg aber lohnen. Neben der Aussicht auf weitere technologische Fortschritte motiviert ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von um die zehn zum Kauf.

Gute Chancen bieten sich Investoren auch im E-Fahrzeug-Segment. Einer Prognose des Autohändlerverbands China Passenger Car Association zufolge werden in diesem Jahr sechs Millionen neue Elektroautos abgesetzt, mehr als doppelt so viele wie im vergangenen Jahr. Von der starken Binnennachfrage profitiert Build Your Dreams (BYD). Das Unternehmen verkaufte in China im ersten Halbjahr weltweit mehr Fahrzeuge als Tesla. Obwohl BYD schon sehr hoch bewertet ist, entzünden sich an den Expansionsplänen anhaltende Kursfantasien. BYD möchte in Australien, den USA, Europa sowie in Lateinamerika Marktanteile gewinnen. Ein weiteres Plus: Der Konzern produziert auch E-Batterien, Elektromotoren und Chips für Autos. Unterbrochene Lieferketten muss er daher nicht fürchten.

Notenbank senkt Referenzzins

Neben dem Kauf attraktiver Einzelwerte können Anleger auch die Mittel breit streuen. Der iShares MSCI China beispielsweise umfasst 720 Titel. Trotz einer Reihe von Unwägbarkeiten, zu denen neben dem Taiwan-Problem auch das radikale Vorgehen der chinesischen Regierung gegen Tech-Unternehmen zählt, traut die Investmentbank Goldman Sachs chinesischen Aktien in den kommenden zwölf Monaten einen Anstieg von rund 20 Prozent zu. Begründet wird die Prognose mit einer wirtschaftlichen Erholung ab dem dritten Quartal. In den Monaten April bis Juni war das Bruttoinlandsprodukt infolge von strikten Corona-Lockdowns und Nachfrageeinbrüchen im Immobilienmarkt lediglich um 0,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal gewachsen.

Um sicherzustellen, dass die Konjunktur tatsächlich anzieht, senkte Chinas Zentralbank am Montag unter anderem den Referenzzins für einjährige Darlehen an Finanzinstitute um zehn Basispunkte auf 2,75 Prozent. Ziel der Maßnahme der People’s Bank of China ist es, Kredite zu verbilligen, um Konsum und Investitionen zu fördern. Das allein aber dürfte nicht reichen, um das für 2022 angepeilte Wachstum von 5,5 Prozent noch zu erreichen.

Asien-Investoren gehen davon aus, dass zusätzliche Stimulierungsmaßnahmen ergriffen werden. Chinas Premierminister Li Keqiang forderte die Provinzregierungen schon mal auf, deutlich mehr in die Infrastruktur zu investieren. Am übergeordneten Ziel, die USA als Wirtschaftsmacht Nummer 1 schon in wenigen Jahren abzulösen, hält man in Peking fest.

INVESTOR-INFO

China-ETF

Günstig bewertet

Mit dem iShares MSCI China A ETF partizipieren Anleger an der Wertentwicklung von 495 chinesischen Unternehmen. Zu den Top- Werten zählen Longi Green Energy, China Merchants Bank und BYD. Die Konsumbranche ist mit 24 Prozent gewichtet. Auf Finanztitel entfallen 16, auf IT-Aktien 13 Prozent der Mittel. Seit Jahresanfang hat der Exchange Traded Fund rund neun Prozent verloren. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von im Schnitt 15 ist das Portfolio nun günstig bewertet. Für risikofreudige Investoren.

China-Fonds

Eigene Anlage-Ideen

Das Manager-Duo des JPM China Fund, Howard Wang und Rebecca Jiang, weicht immer wieder vom Vergleichsindex CSI 300 ab. Aktuell sind IT-Titel höher gewichtet. Finanzwerte sind dagegen unterrepräsentiert. Unter den Top-Aktien finden sich die Internetunternehmen Tencent und Alibaba. Die eigenen Anlage-Ideen bringen Erfolg. In fünf Jahren erzielte der Fonds 47 Prozent. Trotz eines Minus von 17 Prozent im laufenden Jahr ist der Fonds für langfristige Anleger ein Kauf.

Taiwan Semiconductor

Rendite-Chips

Die Aktie von Taiwan Semiconductor Manufacturing Corporation (TSMC) legte in drei Jahren 136 und in fünf Jahren 186 Prozent zu. Das Unternehmen zählt zu den größten Chip-Auftragsherstellern der Welt. Im zweiten Quartal des laufenden Jahres steigerte TSMC Umsatz und Gewinn deutlich. Zudem verfügt das Unternehmen über eine hohe Cashposition. Der Aktienkurs hat im ersten Halbjahr nachgegeben, zuletzt ging es aber wieder kräftig nach oben.