Im Juni versprach EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: "In den kommenden 18 Monaten werden alle 27 EU-Staaten die wirtschaftlichen Folgen von Covid-19 überwunden haben." Vermutlich geht es schneller. Eine ganze Reihe von Ländern übertrifft die noch vor wenigen Monaten kommunizierten Wachstumsprognosen. Der schon zu Corona-Hochzeiten einsetzende Kursaufschwung ist daher nicht mehr nur von niedrigen Zinsen getragen. Er steht im Einklang mit ökonomischen Entwicklungen. Und hat Luft nach oben.

In den nächsten Quartalen wird der 750 Milliarden Euro schwere Wiederaufbaufonds der EU, das größte Konjunkturpaket in der Geschichte der Staatengemeinschaft, seine positive Wirkung auf Wirtschaft, Unternehmensgewinne und Finanzmärkte entfalten. Die ersten Tranchen der zugesagten Mittel werden derzeit an die Länder überwiesen. Beispielsweise erhielten Spanien neun und Italien 25 Milliarden Euro. Die Gelder fließen in die Modernisierung der Infrastruktur, in die Digitalisierung und bringen die ökologische Transformation voran.

Europa kommt in die Gänge und geht gestärkt aus der Krise hervor - das zeigt sich beispielhaft in den Niederlanden, Irland und Portugal.

Wachstum baut Defizit ab

Niederlande: Nach 18 Monaten Corona-Beschränkungen kehrt das Land zur Normalität zurück. 63 Prozent der Bevölkerung sind vollständig geimpft. Die Abstandsregel wird an diesem Samstag aufgehoben, Restaurants und Cafés können wieder mehr Gäste bewirten. In Theater und Kinos darf jeder Sitzplatz verkauft werden. Auch die Fußballspiele der "Eredivisie" unterliegen keinen Beschränkungen mehr. Noch dazu ist die Maskenpflicht aufgehoben.

Die Lockerungen werden den Konsum kräftig anschieben, folgert das Centraal Planbureau (CPB). Das Analysehaus hat seine Konjunkturprognose jüngst nach oben korrigiert. Statt um 3,3 werde das Bruttoinlandsprodukt der Niederlande in diesem Jahr um 3,8 Prozent zulegen. Dank der stärkeren Dynamik wird zudem die Neuverschuldung von aktuell rund fünf Prozent schon im kommenden Jahr wieder auf zwei Prozent zurückgehen, folgert CPB.

Die guten Nachrichten treiben die Kurse in Amsterdam. Der Leitindex AEX kletterte jüngst zum ersten Mal in seiner 37-jährigen Geschichte auf über 800 Punkte. Gefragt ist der Zahlungsdienstleister Adyen. Die Aktie legte seit Jahresanfang um 45 Prozent zu. Noch besser entwickelte sich der Hersteller von Lithografiesystemen für die Halbleiterindustrie ASML Holding. Der Titel bringt es auf 78 Prozent Plus. Weitere Zuwächse sind drin. Von der Leyen will die Abhängigkeit Europas von Chip-Herstellern aus den USA und Asien reduzieren. Der in ihrer Rede zur Lage der EU angekündigte "European Chips Act" soll die dazu notwendige Infrastruktur schaffen und die Forschung fördern. ASML dürfte davon profitieren.

Irland: Das Bruttoinlandsprodukt wuchs in den Monaten April bis Juni im Vergleich zum Vorjahresquartal gleich um 21,6 Prozent. Das Land steht damit an der Spitze aller EU-Staaten. Für das Gesamtjahr wird eine Wachstumsrate von zehn Prozent erwartet. Die vielen in Irland ansässigen exportorientierten internationalen Unternehmen sind starke Treiber der Erholung. Nun zieht auch die Binnenkonjunktur an. "In den kommenden Monaten wird der Aufschwung den bislang noch schwachen Bausektor erfassen", verspricht Paschal Donohoe. Irlands Finanzminister rechnet zudem mit deutlich steigenden Konsumausgaben. Im Oktober will die Regierung alle Corona-Beschränkungen aufheben.

Das motiviert Anleger zum Kauf. Gesucht an der Börse in Dublin ist beispielsweise Glenveagh Properties. Das Immobilienunternehmen will bis zum Jahr 2024 rund 3.000 Familienhäuser verkaufen. Die Aktie legte allein in den vergangenen drei Monaten 23 Prozent zu. Auch bei Ryanair steigen Investoren ein. Die Billigfluggesellschaft geht davon aus, bis zum März 2026 rund 260 Millionen Passagiere zu befördern. Zunächst war die Airline von nur 200 Millionen ausgegangen. Zudem will Ryanair bis zu 5.000 neue Jobs schaffen.

Grüne Transformation

Nicht zuletzt hellt sich auch über den stark vom Tourismus abhängigen südeuropäischen Ländern der Konjunkturhimmel auf und es verbessern sich die Investmentchancen. Portugal: Im vergangenen Jahr brach die Wirtschaft noch um 7,6 Prozent ein. Im laufenden und im kommenden Jahr werden wieder Wachstumsraten von 3,7 beziehungsweise 5,1 Prozent erwartet. Sorgen vor einem Wiederaufflammen der Schuldenkrise, die den Aktienmarkt negativ beeinflussen könnte, sind unbegründet. Moody’s geht davon aus, dass das Defizit von 137 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Zuge wieder stärkeren Wachstums abnimmt. Die Ratingagentur hob jüngst die Bonitätsnote von "Baa3" auf "Baa2" an und hob den Ausblick von "stabil" auf "positiv" an.

Zu den Top-Werten des portugiesischen Leitindex PSI in diesem Jahr zählt Novabase. Die Aktie des IT-Unternehmens legte 48 Prozent zu. Aufholpotenzial bietet die Fast-Food-Kette Ibersol. Einer Analyse von Simply Wall Street zufolge notiert der Titel rund 33 Prozent unter seinem fairen Wert. Nach einem Verlust von elf Prozent in diesem Jahr sollte sich zudem der langfristige Einstieg in die Aktie von Energias de Portugal lohnen. Der Versorger dürfte von der grünen Transformation profitieren, die die Regierung bereits auf den Weg gebracht hat. Portugal rangiert in dem weltweiten die Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandel messenden Climate Change Performance Index bereits auf Platz 17. Bis zum Jahr 2030 will das Land die Treibhausgasemissionen um 50 Prozent senken und den Energiebedarf zunehmend aus erneuerbaren Quellen decken. Energias de Portugal zählt zu den wichtigsten Anbietern alternativer Energien.

Keine geldpolitische Wende

Die Liste positiver Beispiele lässt sich fortsetzen. "In den nordischen Ländern sind die Rahmenbedingungen exzellent für Innovationen und Unternehmenserfolg", sagt Dirk Stöwer. Der Fondsmanager des Nestor Europa hat Aktien schwedischer Unternehmen wie den Ausrüster Fenix Outdoor und dänischer Konzerne wie den Porenbetonhersteller H + H International hoch gewichtet. "Es gibt in Nordeuropa eine herausragende Aktienkultur, sehr gute Infrastruktur und große Fortschritte bei der Digitalisierung der Behörden", lobt Stöwer. Seit Januar legte der Fonds 36 Prozent zu.

Die positiven Kursperspektiven für Europas Aktienmärkte werden trotz anziehender Inflationsraten durch die Europäische Zentralbank nicht getrübt. "The lady isn’t tapering", sagte EZB-Chefin Christine Lagarde jüngst in Anspielung auf die frühere britische Premierministerin Margret Thatcher. Die EZB werde lediglich das Tempo der Anleihekäufe drosseln. Eine Zinserhöhung ist erst im Jahr 2023 zu erwarten. Der mit Inflation einhergehende Kaufkraftverlust droht daher in den kommen- den Monaten höher auszufallen. Im August lag die Teuerungsrate im Vergleich zum Vorjahresmonat bei drei Prozent und damit über dem EZB-Ziel. Gegen Inflation gibt es jedoch für Anleger ein probates Mittel: Aktien und Aktienfonds.
 


INVESTOR-INFO

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Niederlande hoch gewichtet

Anleger haben Giles Rothbarth über 8,8 Milliarden Euro anvertraut. Die Mittel hat der Fondsmanager derzeit in über 50 Unternehmen investiert, die ihren Sitz innerhalb der Europäischen Union haben. Auch Schweizer Firmen finden sich im Portfolio. In der Titelauswahl und Länderallokation weicht der Fonds vom Vergleichsindex ab. Niederländische Unternehmen wie etwa ASML Holding und BE Semiconductor sind aktuell deutlich höher gewichtet. Auf Sicht von fünf Jahren legte der Fonds 127 Prozent zu.

Berenberg EuroZo. Focus Fund

Qualität und Wachstum

Trotz der bereits guten Wertentwicklung ist Mathias Born optimistisch, dass der Aufwärtstrend an Europas Börsen anhält. Der Manager des Berenberg Eurozone Focus Fund sucht in der Eurozone nach Unternehmen, die seinen Anlagekriterien Qualität und Wachstum entsprechen. Diese findet Born derzeit vor allem in der IT-Branche und im Pharmabereich. Der Fonds legte in den vergangenen drei Jahren 74 Prozent zu.

Nestor Europa

Überzeugungs-Investor

Mit 17 Millionen Euro ist das Volumen des Nestor Europa noch gering. Doch Manager Dirk Stöwer kann so auch in Unternehmen mit geringerer Marktkapitalisierung investieren. Der überzeugte Stockpicker hat die Ökoworld AG mit acht Prozent und das schwedische Unternehmen New Wave Group mit vier Prozent gewichtet. Seit Anfang des Jahres legte der Fonds 36 Prozent zu und rangiert damit in der Anlageklasse Europa weit oben.