Ufuk Boydak heuerte im Jahr 2009 bei der Oldenburger Investmentboutique Loys zunächst als Analyst an. Seit dem Jahr 2014 managt er den Loys Aktien Europa, seit dem Jahr 2015 steuert er zusammen mit Christoph Bruns den 215 Millionen Euro schweren Loys Global. Beide Fonds folgen einer identischen Anlagephilosophie. Der Loys Global weist jedoch ein konzentrierteres Portfolio auf während der Loys Aktien Global weniger offensiv ausgerichtet ist.

"Beide Fonds investieren weltweit in deutlich unterbewerte Aktien", erklärt Boydak. Um attraktive Werte zu ermitteln, nutzt Loys eine hauseigene Datenbank. Die Manager suchen zudem immer wieder das direkte Gespräch mit den Unternehmenschefs. Die heftigen Marktschwankungen in den vergangenen Monaten nutzte Boydak zum Einstieg. Der Investmentprofi hält eine Jahresendrally für möglich. "Wer am Aktienmarkt langfristig aktiv ist, muss auch Zuversicht und Risikobereitschaft mitbringen."

Euro am Sonntag: Sie sind seit 2013 Fondsmanager. Ist das laufende Börsenjahr das bislang schwierigste in Ihrer Karriere?

Ufuk Boydak: Sicherlich ist die aktuelle Phase sehr herausfordernd. In der Vergangenheit gab es jedoch bereits immer wieder Entwicklungen, die Nerven und Märkte schwer belastet haben. Wie etwa die Eurokrise, der Brexit, der Handelsstreit der USA mit China oder die Pandemie. Trotz der Krisen: DAX oder S & P 500 haben auf Sicht von fünf oder zehn Jahren zugelegt. Das stimmt mich für die Zukunft optimistisch.

Die ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen bleiben wohl noch länger schwierig. Was bereitet Ihnen die größte Sorge?

Das Worst-Case-Szenario ist eine lange Phase von Stagflation - also anhaltend hohe Preise bei gleichzeitig nur geringem beziehungsweise keinem Wachstum. Dies würde für Depression am Aktienmarkt sorgen. Davon sind wir aber noch entfernt.

Weil es den Notenbanken gelingt, die Inflation in den Griff zu bekommen?

US-Notenbankchef Jerome Powell erklärte jüngst, die Fed verstünde mittlerweile mehr, wie wenig sie von Inflation verstehe. Das ist ehrlich und verdeutlicht, wie komplex die Materie ist. Dennoch sollte es möglich sein, dass die Notenbanken die Teuerung dämpfen können, ohne die Konjunktur komplett abzuwürgen.

Gibt es dafür bereits Anzeichen?

Ja. In vielen Ländern schränken Verbraucher ihren Konsum aufgrund der Teuerung beziehungsweise höherer Kreditkosten ein. In Frankreich beispielsweise sank die Zahl von Transaktionen im Immobilienmarkt signifikant. Auch die Rohstoffpreise kommen wieder zurück.

Hat die Inflation ihren Höhepunkt überschritten?

Die Anleger warten auf klare Hinweise. Sollte die US-Teuerungsrate für den Monat Juli unter den Erwartungen liegen, dürfte die Reaktion an den Märkten positiv ausfallen und eine gewisse Erleichterung eintreten.

Was ist aus Sicht eines Aktieninvestors besser: Kräftige Zinserhöhungen in kurzer Zeit, wie es die US-Notenbank macht? Oder ist ein "soft landing" der Wirtschaft eher - wie die EZB agiert - mit moderaten Anhebungen verteilt auf einen längeren Zeitpunkt zu erreichen?

Das lässt sich generell nicht beantworten. Die Amerikaner versuchen selbst ihr "soft landing" zu bewerkstelligen. Die Eurozone ist wiederum aufgrund ihrer hohen Energieabhängigkeit von der aktuellen Krise stärker betroffen als die USA. Zudem muss die EZB auch die hohe Verschuldung insbesondere der südeuropäischen Staaten berücksichtigen, weshalb die EZB sehr langsam agiert.

Die US-Notenbank geht aggressiver vor als die EZB. Gewichten Sie daher europäische Aktien im Portfolio höher?

Wir kommen immer von der Bewertungsseite. Im Euroraum findet man derzeit sehr attraktiv gepreiste Unternehmen, die unseren längerfristigen Anlagekriterien entsprechen. Man kauft nun mal keine Region, sondern investiert in einzelne Unternehmen. Der schwache Euro verteuert die amerikanischen Investments und kaschiert zudem die ebenfalls schwache Performance des amerikanischen Aktienmarkts.

Messen Sie der Verschuldung von Unternehmen aufgrund der nun restriktiveren Geldpolitik mehr Bedeutung bei als in Phasen stabiler Zinsen?

Wir prüfen die Bilanzen der für ein Investment infrage kommenden Unternehmen generell sehr intensiv. Im Portfolio finden sich ausschließlich Unternehmen, die ihren Schuldenverpflichtungen auch bei höheren Zinsen problemlos nachkommen können.

Der IWF hat die Konjunkturprognosen nach unten korrigiert. Konzentrieren Sie sich bei der Titelauswahl daher verstärkt auf Unternehmen, die über eine starke Preissetzungsmacht verfügen und die ihre Gewinne trotz des derzeitigen ökonomischen Gegenwinds steigern können?

Unser Fokus liegt grundsätzlich auf strukturell gesunden Unternehmen. Atea ist dafür ein gutes Beispiel. Der norwegische IT-Dienstleister verdient sein Geld mit dem Vertrieb von IT- Infrastrukturprodukten sowie der Installierung und Wartung von Netzwerken. Trotz hoher Inflationsraten werden die Kunden ihre IT-Investitionen nicht oder nur geringfügig zurückfahren. Der klare Marktführer Atea erzielt so kontinuierlich hohe Cashflows und wächst. Zudem ist das Unternehmen günstig bewertet.

Der Loys Global sowie der Loys Aktien Global investieren international. Wie groß ist das Anlageuniversum der Fonds und wie filtern Sie daraus attraktive Werte?

Für uns kommen rund 2.500 Unternehmensbewertungen infrage. Kaufkandidaten ermitteln wir anhand unserer eigenen Datenbank. Wir suchen nach Titeln, die eine Free-Cashflow-Rendite von mindestens vier Prozent und eine Unterbewertung von etwa 30 Prozent aufweisen. Die dann zur Auswahl stehenden Unternehmen analysieren wir noch einmal genau, in der Regel sprechen wir dann auch mit dem Management, um ein klares Bild zu gewinnen.

Als Value-Investor suchen Sie nach Aktien, die unter ihrem fairen Wert notieren. Haben Sie in den vergangenen Monaten Kaufgelegenheiten genutzt?

Ja, in Abschwungphasen gilt es, die Saat für den nächsten Aufschwung zu streuen. Wir haben daher Cash-Positionen genutzt beziehungsweise uns von weniger attraktiven Werten getrennt, um in die Schwäche hineinkaufen zu können. Unter anderem haben wir den US-Ölausrüster Schlumberger mit ins Portfolio aufgenommen. Auch wenn nach unserem Einstieg die Kurse mancher Werte zunächst einmal weiter fielen, sind wir davon überzeugt, dass sich die Unterbewertungen auflösen werden und die Kurse unserer Neuerwerbungen über den Einstiegspreis ansteigen werden. Kurse zu timen funktioniert nicht, weshalb man langsam antizyklisch vorgehen sollte.

Der Loys Global hat seit Jahresanfang rund 15 Prozent verloren. Sind Sie zuversichtlich, dass der Verlust bis zum Ende des Jahres geringer ausfällt?

Das ist schwer zu sagen. Aber wer am Aktienmarkt aktiv ist, der muss auch über ein gewisses Maß an Zuversicht verfügen und Risikobereitschaft mitbringen. Ja, ich denke, dass der Fonds aufholen, der Bärenmarkt ein Ende finden kann und wir auch noch eine Jahresendrally erleben können.

Soll ich meine Aktien oder besser noch gleich das ganze Portfolio verkaufen?", mag sich mancher Anleger angesichts der anhaltenden Marktturbulenzen in diesen Tagen fragen. Schließlich ist das Nervenkostüm nach dem monatelangen Rutsch an den Kapitalmärkten infolge Covid, Inflation, Zinswende und geopolitischen Risiken in Mitleidenschaft gezogen. Und bis auf Weiteres scheint keine Besserung in Sicht. V-förmige Kurserholungen, wie sie in der Vergangenheit im Zuge von Notenbankinterventionen oft zu beobachten waren, bleiben aus. Den Geldhütern sind die Hände gebunden.

"Warum erst jetzt?", möchte man diesen Anlegern entgegenhalten. Warum nicht schon vor Monaten, als die heutige Situation ihre Schatten vorauswarf? Und vor allem: "Was dann?" Was macht man mit dem liquiden Vermögen, das hoher Inflation ausgesetzt ist? Unter welchen Vorzeichen würde man re-investieren?

Wer etwas seelischer Unterstützung bedarf, mag sich an den Wirtschaftswissenschaftler Benjamin Graham erinnern. Er schuf "Mr. Market", jenen imaginären Investor, der sich jeden beliebigen Tag an der Börse von Panik, Euphorie und Apathie getrieben auf Basis seiner jüngsten Erlebnisse zu emotionalen Anlageentscheidungen verleiten lässt. Fundamentale oder technische Analyse, also Fakten, interessieren ihn nicht. Graham wies darauf hin, wie wichtig es ist, an der Börse das langfristige Bild im Auge zu behalten und rational zu handeln. Nicht selten ist es gerade dann günstig, Aktien zu kaufen, wenn Mr. Market, der die Summe der Marktteilnehmer darstellt, pessimistisch ist. Und Mr. Market ist im Augenblick schon ziemlich depressiv. Was als Grund verstanden werden sollte, die eigenen Investments, wenn sie mit Bedacht zusammengestellt wurden, nun auch beizubehalten und via Sparplan sogar zu verstärken. Der nächste Stimmungswandel von Mr. Market ist gewiss!

Loys Global: Der Fonds hat zwar eine schlechte FondsNote. Das liegt aber an der lange Zeit wenig erfolgreichen Value-Strategie. Inzwischen verspricht der Anlagestil Renditechancen.