Als am 7. November feststand, dass Joe Biden genügend Stimmen der Wahlleute zusammenhatte, um der 46. Präsident der USA zu werden, brach in vielen Großstädten Jubel aus. Fans des Demokraten versammelten sich auf den Straßen und feierten, Autos hupten. Vor dem Weißen Haus in Washington klatschten die Menschen.

Mittlerweile ist klar, dass Biden die Zahl seiner Wahlmänner und -frauen deutlich über die Marke von 270 Stimmen, die für eine Wahl zum Präsidenten erforderlich sind, hieven konnte. Auch wenn Donald Trump sich zunächst noch mit allen Mitteln dagegen wehrt.

Gleichzeitig kristallisiert sich heraus, dass im Senat - eine der beiden Kammern des US-Kongresses - weiterhin die Republikaner das Sagen haben werden. Noch stehen zwar Stichwahlen im Bundesstaat Georgia aus. Doch dass dort zwei demokratische Senatoren gewinnen und ihrer Partei faktisch eine Mehrheit verschaffen würden, gilt als eher unwahrscheinlich.

Die Kapitalmärkte sind mit dem Wahlergebnis zufrieden. Sie hatten sich vor einer "blauen Welle" gefürchtet, einem dominanten Sieg der Demokraten im Senat, im Repräsentantenhaus und bei der Präsidentschaftswahl. In einem solchen Fall hätten viele Pläne der Demokraten umfassend umgesetzt werden können - nicht immer nach dem Gusto von Wirtschaft und Finanzmärkten.

Nun ist mit Biden ein Demokrat US-Präsident, doch im Senat haben die Republikaner die Macht. Das dürfte zu einer moderateren Politik führen, die nach Kompromissen suchen muss. "Ohne eine blaue Welle ist Biden gezwungen, eine Politik der Mitte zu betreiben", sagt James Tierney, Portfoliomanager bei AllianceBernstein. "Das ist gut angesichts der politischen Polarisierungen der vergangenen Dekade."

Einer der Gewinner der Wahl aus wirtschaftlicher Sicht sind Technologieunternehmen. Sie dürften nun weniger ins Visier der Politik geraten als befürchtet. "Wäre den Demokraten der Durchmarsch gelungen, hätte es viele Diskussionen über Aufspaltungen der großen, sehr dominanten Tech-Konzerne gegeben", sagt Thomas Meier, Portfoliomanager bei MainFirst Asset Management. Derart strikte Maßnahmen sind nun wohl vom Tisch.

Auch eine strengere Aufsicht über die Pharmabranche wird in dieser politischen Konstellation wohl nicht kommen. Biden hatte angekündigt, die Preise von Medikamenten stärker kontrollieren zu wollen. "Regulierungen in Form von Arzneimittelpreiskontrollen und die Einführung einer allgemeinen Krankenversicherung werden wohl nicht durch den republikanischen Senat abgesegnet werden", meint Shamik Dhar, Chefökonom bei BNY Mellon. "Zu erwarten ist aber ein enormer Anstieg der Investitionen, beispielsweise in Krankenhäuser, die Arzneimittelentwicklung und medizinische Geräte." Damit zählt der Gesundheitssektor zu einem der größten Gewinner der Wahl.

Kaum durchsetzbar für Biden sind zudem deutliche Anpassungen des Steuersystems. Höhere Unternehmensabgaben, eine der Säulen seines Wahlkampfs, würde der Senat nicht mittragen. In der aktuellen Lage dürfte der künftige Präsident ohnehin kein Interesse an einer Mehrbelastung der Betriebe haben, denn die Corona-Pandemie hat die Wirtschaft stark in Mitleidenschaft gezogen. Damit liegt dieses Vorhaben, das die Unternehmensgewinne schmälern würde, nun erst einmal auf Eis. "Das hilft internationalen Großkonzernen", sagt AllianceBernstein-Manager Tierney.

Unverzüglich anpacken wird Biden dagegen ein gewaltiges Konjunkturprogramm, um der angeschlagenen Wirtschaft zu helfen. Wahrscheinlich sind Stützungsmaßnahmen in Höhe von 100 bis 150 Milliarden US-Dollar. Ein Teil davon könnte in Infrastrukturprojekte fließen, einen Bereich, dem Biden eine hohe Bedeutung beimisst. Seinem Wahlprogramm zufolge sollen dafür in den kommenden Jahren 970 Milliarden Dollar bereitgestellt werden. Infrastruktur-Unternehmen zählen deshalb ebenfalls zu den Wahlgewinnern.

Herausforderung Klimawandel

Noch einmal mehr als doppelt so viel Geld will Biden in Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels stecken. Seine Pläne sehen Ausgaben in Höhe von zwei Billionen Dollar vor. Unternehmen, die im Bereich regenerative Energien arbeiten, dürften maßgeblich davon profitieren. Als Verlierer gelten dagegen Ölfirmen, weil der Anteil fossiler Energieträger am Gesamtverbrauch verringert werden soll. Doch Experten warnen davor, die Branche vorschnell abzuschreiben. "Es wird keine rasche Abkehr vom Öl geben, dafür ist die Ölindustrie in den USA viel zu wichtig", sagt MainFirst-Manager Meier.

In Europa ist die Zufriedenheit über die Wahl Bidens vielerorts groß. Das hat weniger mit der Person des künftigen Präsidenten zu tun als vielmehr mit der Erleichterung, nicht mehr mit dem polternden Trump zu tun zu haben, der wirtschaftlich und politisch häufig Zündstoff lieferte. "Die deutschen Unternehmen dürfen sich auf eine rationalere US-Wirtschaftspolitik und auf mehr Verlässlichkeit freuen", sagt Meier. "Das stärkt ihre Investitionssicherheit."

Nicht erwarten dürfen Unternehmen und Anleger jedoch, dass Biden eine sehr liberale internationale Wirtschaftspolitik betreiben wird. Auch er wird das Wohl der USA an die erste Stelle setzen und einen gewissen Protektionismus fortführen, wenngleich weniger stark als Trump. "Biden wird versuchen, wichtige Produktionsketten und Jobs im verarbeitenden Gewerbe wieder in die USA zu holen", meint Alan Levenson, US-Chefökonom bei T. Rowe Price.

Dazu gehört eine kritische Haltung gegenüber China. So dürfte Biden Druck auf Peking in puncto Diebstahl geistigen Eigentums ausüben. Ganz so aggressiv wie Trump wird er aber nicht vorgehen. Experten vermuten, dass sich Bidens Präsidentschaft positiv auf Chinas und generell auf Asiens Wirtschaft und Aktienmärkte auswirken wird.

Um breit gestreut in den US-Aktienmarkt zu investieren, können Anleger eine Reihe von Fonds nutzen. Drei empfehlenswerte Portfolios sind in der Investor-Info links zu finden. Kurzfristig mag die Pandemie das Land lähmen, langfristig aber bleibt der Markt aussichtsreich. Das politische Umfeld jedenfalls ist vielversprechend: Die historischen Daten zeigen, dass Anleger die höchsten Gewinne erzielten, wenn ein Demokrat Präsident war und die Macht im Kongress geteilt.
 


INVESTOR-INFO

TRP US Large Cap Growth

Klassisch

Auf wachstumsstarke Bluechips aus Nordamerika konzentriert sich der US Large Cap Growth Equity Fund von T. Rowe Price. Ins Portfolio kommen Unternehmen mit Wettbewerbsvorteilen, die durch Innovation und Wandel in der Lage sind, ihre Gewinne und Cashflows zügig zu steigern. Die Giganten Amazon, Microsoft und Alphabet sind zurzeit die drei größten Positionen des Fonds, der einen Einstieg in wichtige US-Titel ermöglicht.

AB Sustainable US Thematic

Nachhaltig

Der Sustainable US Thematic Portfolio von AllianceBernstein sucht nach Unternehmen mit hervorragendem ökologischem oder sozialem Verhalten. Mindestens 80 Prozent der Titel müssen aus den USA stammen, daneben sind ausländische Konzerne möglich, die stark in den USA aktiv sind. Im Portfolio finden sich typische grüne Aktien wie Nextera Energy oder Vestas Wind Systems, aber auch Firmen, die in Sachen Nachhaltigkeit besser sind als ihre Konkurrenten.

JPM US Small Cap Growth

Aufstrebend

Kleine Unternehmen sind normalerweise renditestärker als große. Doch in den USA glänzten in den vergangenen Jahren vor allem die großen Tech-Konzerne. Mit dem JP Morgan US Small Cap Growth Fund setzen Anleger auf das Aufholpotenzial von Nebenwerten. Der Gesundheitssektor macht fast ein Drittel des Portfolios aus und lässt die Anteilseigner damit an Bidens Plänen für Investitionen in die Branche partizipieren.