Das BGH-Urteil geht auf die Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale Sachsen zurück, die gegen die Sparkasse Leipzig geklagt hatte. Es ging um einen Prämiensparvertrag mit flexiblem Zinssatz aus dem Jahr 1994. Die Verbraucherorganisation beanstandet vor allem die Höhe der Zinssenkungen und fordert Nachzahlungen. Da zahlreiche Kreditinstitute solche flexiblen Prämiensparverträge anboten, geht das aktuelle Urteil weit über den Einzelfall hinaus.

Der BGH stellte klar, dass die Klausel für Zinsanpassungen in dem Vertrag der Sparkasse unwirksam war, weil sie keinerlei Vorgaben enthielt und für den Sparer unkalkulierbar gewesen sei. Der Vorsitzende Richter Jürgen Ellenberger erklärte: "Die Sparkasse hat sich nach Gutsherrenart Zinsänderungen durch Aushang in ihren Geschäftsräumen ausbedungen." Das sei nicht zulässig. Der für das Bankenrecht zuständige XI. Zivilsenat bestätigte damit ein früheres Urteil, in dem er eine Zinsanpassungsklausel bereits für unwirksam erklärt hatte.

REFERENZZINSSATZ ENTSCHEIDEND


Da Kriterien fehlten, legte sie der BGH-Senat nun ergänzend selbst fest. Danach gilt das Äquivalenzprinzip. War der Zinssatz bei Vertragsabschluss günstiger als der Marktzins, muss dies auch weiterhin gelten. Ein absoluter Abstand sei dagegen nicht heranzuziehen. Lag der Zins im Prämiensparvertrag bei Vertragsabschluss beispielsweise um drei Prozent über dem üblichen Marktzins, kann der Zins in der Niedrigzinsphase nicht auf Null oder gar einen Negativzins abgesenkt werden. Es muss vielmehr bei einem günstigeren Zinssatz bleiben. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband kritisierte das Urteil: Der jetzt vorgegebene relative Abstand zu einem Referenzzins sei je nach Zinssituation für Verbraucher vorteilhaft oder auch nachteilig im Vergleich zu dem derzeit verwendeten absoluten Abstand. "Wir sehen in dem Urteil deshalb nicht unbedingt eine Entscheidung im Interesse der Verbraucher."

Die Bürgerbewegung Finanzwende erklärte, einige Banken und Sparkassen hätten illegalerweise Menschen zu wenig Zinsen gezahlt. "Sie müssen nun auch die Konsequenzen tragen", argumentierte der Verbraucherschutzexperte der Organisation, Julian Merzbacher. Die Institute sollten jetzt von sich aus auf alle betroffenen Kunden zugehen.

Geklärt hat der BGH in seinem Urteil auch, wie der Referenzzinssatz festzustellen ist. Hierzu muss das Gericht einen Sachverständigen einschalten. Insoweit wurde die Musterfeststellungsklage noch einmal an die Vorinstanz, das Oberlandesgericht (OLG) Dresden, zurückverwiesen. Außerdem ist die Zinsänderung monatlich zu erfassen, aus der dann der Jahreswert gebildet wird.

Das OLG hatte der Musterfeststellungsklage der Verbraucherorganisation teilweise entsprochen. Dagegen hatten sowohl die Sparkasse als auch die Verbraucherzentrale Revision beim BGH eingelegt. Mit der jetzigen Entscheidung hatte die Klage der Verbraucherzentrale überwiegend Erfolg. (AZ: XI ZR 234/20)

rtr