Kryptowerte werden auch in puncto Vermögensnachfolge immer wichtiger. Ein Rechtsexperte erklärt, welche neuen Details  beim Erben und Schenken von Bitcoin & Co jetzt zu beachten sind

BÖRSE ONLINE: Nur jeder Dritte hat hierzulande bisher sein Testament gemacht. Ist die Verfassung des letzen Willens im Hinblick auf den digitalen Nachlass empfehlenswert?

Nicolai Utz: Ein Testament ist nicht nur in Bezug auf digitale Nachlasswerte empfehlenswert, sondern hierüber sollte sich grundsätzlich jeder beizeiten – das heißt frühzeitig – Gedanken machen. Denn die gesetzliche Erbfolge entspricht in der Regel nicht den individuellen Vorstellungen bzw. birgt bei Entstehen einer Erbengemeinschaft – was den Normalfall darstellt – erhebliches Streitpotenzial.  

Was sind die Gründe für die Entstehung von Konflikten? 

Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die gesetzliche Erbfolge alle Erbberechtigten zwar mit möglicherweise unterschiedlichen Erbquoten, aber mit einer gleichstarken Rechtsstellung ausstattet. Es gilt der Grundsatz der sogenannten „Universalsukzession“, dass also alle meine Rechte und Pflichten mit meinem Tod auf den Alleinerben bzw. die Erbengemeinschaft übergehen. 

Welche konkreten Folgen kann eine fehlende Regelung via Testment haben?

 In Bezug auf den digitalen Nachlass bedeutet das beispielsweise, dass alle Erben – gemäß Rechtsprechung des BGH – auch Anspruch auf Zugriff auf meine sämtlichen sozialen Netzwerke oder meine Foto-Cloud haben, auch wenn die Durchsetzung in der Praxis nicht ganz leicht ist. Gerade in Bezug auf solche sehr persönlichen Angelegenheiten ist aber oftmals nicht gewollt, dass hierauf alle Erben zugreifen können. Will ich das verhindern, muss ich dies im Testament regeln, indem ich nur einzelne Beteiligte als Erben einsetze oder den digitalen Nachlass der Obhut eines Testamentsvollstreckers anvertraue – zum Beispiel mit der Anweisung, sämtliche Profile in sozialen Netzwerken zu löschen oder nur bestimmten Beteiligten zugänglich zu machen.


Was ist bei der Verwaltung des digitalen Nachlasses alles zu beachten, wenn Kryptowerte vorhanden sind?

Wichtig ist, dass der Erbe im Bedarfsfall Zugriff auf die relevanten Zugangsinformationen hat. Also auf public keys / private keys / seed phrases. Ganz entscheidend ist der private key, da bei Verlust des private keys niemand mehr auf den Kryptowert zugreifen kann. Insofern muss ich mir Gedanken über eine sowohl sichere als auch dauerhafte Verwahrung der aktuellen Zugangsdaten machen und dafür Sorge tragen, dass mein Erbe bzw. Testamentsvollstrecker, aber auch nur dieser, im Todesfall auf die Zugangsdaten zugreifen kann.

Was bedeutet das für den letzten Willen?

Etwaige Zugangsdaten in das Testament aufzunehmen, ist eine denkbar ungeeignete Lösung. Denn neben dem Nachlassgericht können beispielsweise alle durch das Testament Bedachten oder aber auch durch das Testament von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossene Personen Einsicht in das Testament erhalten. Eine Möglichkeit besteht beispielsweise darin, alle Zugangsdaten in einem physischen Datenspeicher anzulegen, diesen mit einem sehr sicheren Masterpasswort zu schützen und sicherzustellen, dass der Erbe bzw. Testamentsvollstrecker bei meinem Tod sowohl den Aufbewahrungsort des Datenspeichers als auch das Masterpasswort erfährt. Ferner muss ich die auf dem Datenspeicher hinterlegten Zugangsdaten aktuell halten.

Wie ermittelt man den erbschaftsteuerlichen Wert von Kryptowerten?

Die konkrete Bewertung wirft in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten auf und ist in vielen Punkten offen. Die Wertermittlung hängt davon ab, um was für einen Vermögensgegenstand es sich handelt. Werden Kryptowerte an einem regulierten Markt (Börse) gehandelt, gilt der Tageskurs am Todestag. Streiten lässt sich darüber, welcher Tageswert (Uhrzeit) zugrunde zu legen ist und auf welche Börse abzustellen ist. In zeitlicher Hinsicht dürfte zugunsten des Erben auf den tiefsten Tageskurs abzustellen sein. Werden Kryptowerte nur an unregulierten Märkten gehandelt, dürfte wohl – ebenfalls zugunsten des Erben – auf den niedrigsten Wert am Todestag abzustellen sein, der an einem verfügbaren Marktplatz vorliegt. Bei Krypto-Assets ohne Marktplatz und beispielsweise bei NFT oder Unikaten dürfte mangels Vergleichswerten eine Schätzung zweckmäßig sein. Hierbei können ein etwaiger Nennwert und auch ein gezahlter Kaufpreis von Bedeutung sein. Im Zweifel sind Sachverständigengutachten einzuholen, wobei auch diese hinterfragt werden kann.

Gibt es spezielle Erbschaftsteuerbefreiungen für Kryptowerte?

Eine spannende Rechtsfrage ist, ob „analoge“ Steuerbefreiungen auch im digitalen Bereich gelten. Beispielsweise, ob Kryptokunst / NFTs als Kunstwerke/-sammlungen im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes gelten können. Auch wenn es sich hierbei ebenfalls um Kunst handelt, dürfte die Steuerbefreiung an weiteren Tatbestandsvoraussetzungen – wie z.B. notwendige Kosten der Erhaltung – scheitern. Hierzu gibt es leider – wie bei vielen Themen der Übertragung einer analogen Gesetzgebung in eine digitale Welt – bislang keine belastbare Rechtsprechung. Nicht nur im privaten Bereich, sondern auch im betrieblichen Bereich.

Inwiefern im betrieblichen Bereich?

Betriebliches Vermögen kann weitgehend oder sogar vollständig von der Erbschaftsteuer befreit sein. Im Endeffekt will der Gesetzgeber produktives Vermögen privilegieren, um Arbeitsplätze nicht zu gefährden. Insofern knüpfen diese Befreiungsvorschriften zum einen daran an, dass für einen bestimmten Zeitraum – 5 Jahre für eine 85%-Verschonung bzw. 7 Jahre für eine Vollverschonung – weder der Betrieb veräußert noch die jährliche Lohnsumme reduziert wird. Weiterer relevanter Punkt ist jedoch, dass im Wesentlichen das produktive Vermögen, aber nicht das sogenannte Verwaltungsvermögen begünstigt werden soll. Eine zu hohe Verwaltungsvermögensquote (im Verhältnis zum Gesamtwert des Betriebs) kann eine Verschonung teilweise oder auch vollständig vereiteln. Relevant ist also, ob Kryptowerte als nichtbegünstigtes bzw. schädliches Vermögen einzustufen sind oder nicht. Für Kryptowährungen und Kryptokunst ist das im betrieblichen Bereich eher zu bejahen. Bei der Planung der Unternehmensnachfolge muss also auch ein Augenmerk auf die digitalen assets des Betriebs gelegt werden.


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Nicolai Utz
Acconsis
Nicolai Utz

Zur Person:

Nicolai Utz ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht bei der Sozietät Acconsis in München.Er leitet dort den Fachbereich Nachlass und Vermögensnachfolge und berät zu erbrechtlichen Themen einschließlich des Erbschaft- / Schenkungsteuerrechts. 


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