In immer mehr Strafverfahren wegen komplexer Dividendengeschäfte fallen die Entscheidungen. Aktuelle Urteile und die Hintergründe zu Cum-Ex-Geschäften im Überblick Von Stefan Rullkötter

Maple Bank
Das Landgericht Frankfurt am Main verurteilte am 7. November 2022 mit Wolfgang Schuck, langjähriger Geschäftsführer der seit 2015 insolventen Maple Bank, erstmals einen Ex-Bankchef wegen Steuerhinterziehung. Er erhielt vier Jahre und vier Monate Freiheits- und 96 000 Euro Geldstrafe, weitere 2,9 Millionen Euro aus seinem Vermögen werden eingezogen. Ein weiterer Ex Geschäftsführer wurde zu vier Jahren und zwei Monaten Haft plus Geldstrafe verurteilt. Bei ihm werden mehr als eine Million Euro eingezogen. Ein dritter Angeklagter, einst am Handelstisch der Bank tätig, soll wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. Der vierte Angeklagte hatte  die anderen andere belastet und kam dank der Kronzeugen-Regelung mit zwei Jahren Haft auf Bewährung davon. Bei ihm wurden 5,8 Millionen Euro als Taterträge eingezogen. Die Urteile sind  noch nicht rechtskräftig.

Hypovereinsbank
Am 1. November 2022 verurteilte das Landgericht Wiesbaden einen ehemaligen Mitarbeiter der Hypovereinsbank wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung.  Ein weiterer Ex-Banker erhielt wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in drei Fällen eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten, ebenfalls auf Bewährung. Zudem müssen sie 60000 Euro und  20000 Euro zahlen.

Deutsche Bank
Die Staatsanwaltschaft Köln durchsuchte am 18. Oktober 2022 die Zentrale der Deutsche Bank in Frankfurt und auch die Wohnung des ehemaligen Co-Vorstandsvorsitzenden Jürgen Fitschen. Die Behörde ermittelt seit Jahren wegen Cum-Ex-Transaktionen gegen das größte Kreditinstitut hierzulande. Die Deutsche Bank erklärte dazu, die Durchsuchungsmaßnahme sei Teil der seit dem Jahr 2017 laufenden Ermittlungen, bei denen das Unternehmen mit den Strafverfolgungsbehörden kooperiere.

Hintergrund: Grundsatzurteil zu Cum-Ex-Geschäften

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte am 28. Juli 2021 entschieden, dass bei Cum- Ex-Geschäften der Straftatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt ist. Der BGH bestätigte damals im Revisionsverfahren ein Urteil, das vom Landgericht Bonn im März 2020 im Rahmen des bundesweit ersten Strafprozesses dieser Art gefällt worden war. Mit Cum- Ex-Deals hatten Investoren, Banken und Aktienhändler den deutschen Fiskus über Jahre um Milliarden Euro geprellt. Dabei wurden Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenanspruch um den Zahltag hin- und hergeschoben. So ließen sich Beteiligte tatsächlich nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer auf Aktiendividenden mithilfe von Banken bis zu acht Mal erstatten.

Wie wurde das Grundsatz-Urteil begründet?

An einem vorsätzlichen Handeln hatten die BGH-Richter keinen Zweifel, weil die Beteiligten um den Dividendenstichtag herum „bewusst arbeitsteilig“ auf die Auszahlung nicht abgeführter Kapitalertragsteuer hingewirkt hätten. Die Angeklagten hätten viele Geschäfte nur betrieben, um die Finanzämter zu Steuererstattungen zu veranlassen, Zum Zeitpunkt der Begehung der Taten habe das Gesetz bereits eine klare und eindeutige Regelung vorgesehen, gegen die die Beteiligten verstoßen hätten. Dies ergebe sich schon daraus, dass nur die tatsächlich einbehaltene Kapitalertragsteuer zur Anrechnung und Auszahlung angemeldet werden dürfe, hieß es in der Urteilsbegründung.

Welche Strafen wurden damals verhängt?

Zwei Ex-Börsenhändler aus London wurden zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. Ihre Aussagen, die wesentlich zur Aufklärung beigetragen hatten, wertete bereits das Landgericht als strafmildernd. Die Richter hatten auch die Einziehung der Gewinne aus den illegalen Geschäften verfügt. Einer der Täter sollte seinen Anteil an den Profiten (14 Millionen Euro) zurückzahlen, Von der ebenfalls in diesen Skandal verwickelten Hamburger Privatbank M.M. Warburg wurde die Einziehung von 176 Millionen Euro angeordnet. Die Revision der Tatbeteiligten gegen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Bonn blieb damit erfolglos (Az. 1 StR 519/20).

Welche Folgen hatte das Cum-Ex-Urteil?

Die Grundsatzentscheidung des BGH ist und war für viele noch anhängige und zwischenzeitlich beendete Cum-Ex-Verfahren wegweisend. Zahlreiche Fälle beschäftigen weiterhin Staatsanwaltschaften und Gerichte. Dem deutschen Fiskus entstand von 2001 bis 2016 ein geschätzer Steuerschaden zwischen 10 und 32 Milliarden Euro. Das Vorgehen der Beteiligten war dem Bundesfinanzministerium seit spätestens 2002 bekannt. Das Argument der Strafverteidigung, es hätte hier eine Gesetzeslücke gegeben, wies der BGH zurück. Die konkreten Taten, die zwischen 2007 und 2011 von den Angeklagten verübt worden waren, seien zudem nicht verjährt.

Wie reagierte der Gesetzgeber darauf?

Für Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung ist die Verjährungsfrist seit Jahresende 2020 von zehn auf 15 Jahre verlängert worden. Dazu zählen auch Cum-Ex-Geschäfte. Die Begründung des Gesetzgebers für diese Maßnahme: Die bisherige Verjährungsfrist sei für Staatsanwaltschaften oft nicht ausreichend gewesen, um die strafrechtlich relevanten Sachverhalte dieser Finanztransaktionen rechtzeitig aufzudecken und auszuermitteln.