Üblicherweise sind sie heillos zerstritten: Verbraucherschützer und Lebensversicherer. Namentlich der Bund der Versicherten liegt im Clinch mit der Assekuranz. Dieser wirft den Gesellschaften vor, ihre Kunden zu benachteiligen, die Assekuranz zweifelt an der Kompetenz der Verbandsmitarbeiter. Im vergangenen Herbst war alles anders. Einträchtig begrüßten beide Gruppen die Reform der sogenannten Zinszusatzreserve, die das Bundesfinanzministerium auf den Weg gebracht hatte. Auch Ratingagenturen und die Finanzaufsicht Bafin zeigten sich begeistert. Wie kam es zu dieser seltenen Einigkeit? Jahrzehntelang waren Kapitallebens- und private Rentenversicherungen mit gesetzlichem Garantiezins ein Verkaufsschlager. Dieser Garantiezins lag teilweise bei vier Prozent. Angesichts der weltweiten Minizinsen sind solche Renditen in den Portfolios der Versicherer derzeit nicht zu erzielen. Denn der Großteil der Kundengelder steckt in Anleihen, und bei vielen neueren Papieren sind bestenfalls ein oder zwei Prozent zu holen.

Um sicherzustellen, dass die Versicherer die versprochenen Zinsen auch zahlen können, hat das Bundesfinanzministerium im Jahr 2011 die Branche zu einer Zinszusatzreserve verpflichtet. Je niedriger der Marktzins, desto höher der Betrag, den die Versicherer zurücklegen müssen. Doch bald zeigte sich, dass die Summen zu hoch dimensioniert waren. Allein 2017 wurden 15 Milliarden Euro fällig - mehr, als die Branche an Eigenkapital besitzt. 2018 wäre es sogar fast das Doppelte gewesen, hat die Ratinggentur Assekurata errechnet.

Vergangenen Herbst hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) die Zinszusatzreserve entschärft. Die Unternehmen haben nun mehr Zeit, um die Reserve aufzubauen. Lars Heermann, Bereichsleiter bei Assekurata, geht davon aus, dass für 2018 lediglich acht Milliarden Euro zusätzlich fällig werden.

Der Trend ist gestoppt. Für die Inhaber einer Police kann das bedeuten, dass sie mehr von den Kapitalerträgen der Versicherer abbekommen. Allerdings gab es auch eine gegenläufige Entwicklung: Die Erträge der Versichererportfolios sind 2018 angesichts des anhaltenden Zinstiefs weiter gesunken, weil hoch verzinste Altanleihen auslaufen. Beide Bewegungen haben sich, so schätzt Heermann, etwa ausgeglichen. Doch schon dieses Nullsummenspiel ist eine gute Nachricht, verglichen mit den vergangenen Jahren, als es für die Kunden immer weiter abwärtsging. 2019 ist die Überschussbeteiligung, die aus den Erträgen des laufenden Jahres stammt und jeweils für das kommende Jahr ausgewiesen wird, erstmals seit einer Dekade nicht gesunken.

Das zeigt eine Auswertung von Policen Direkt auf Basis von mehr als 90 Prozent des Markts. Demnach bleiben die Überschussbeteiligungen im Schnitt auf dem Vorjahreswert von 2,34 Prozent. Zum Vergleich: 2017 waren es 2,47 und 2016 sogar 2,84 Prozent.

Doch erschöpft sich der Reformeffekt nicht auf 2019. So sinkt der Anteil von Policen mit hohem Garantiezins jedes Jahr automatisch, weil die Verträge auslaufen. "Problembehaftete Bestände wachsen aus den Bilanzen heraus", sagt Michael Klüttgens, Leiter der Versicherungssparte beim Beratungsunternehmen Willis Towers Watson. Für Inhaber einer klassischen Police gibt es eine weitere gute Nachricht. Fast alle Unternehmen offerieren heute neue Produkte, die nicht mehr dem gesetzlichen Garantiezins unterworfen sind. Je mehr solcher Policen im Bestand sind, desto besser für die Bilanz des Versicherers. Abzulesen ist dies daran, dass der sogenannte Bestandsgarantiewert sinkt. Er zeigt die durchschnittlichen Garantien in den Vertragsbeständen eines Versicherers.

Ebenfalls positiv für die Bilanzen: Die Branche senkt ihre Verwaltungskosten. Kein Wunder, dass Assekurata-Manager Heermann zum Schluss kommt: "Die Unsicherheit über die Zinszusatzreserve ist vom Tisch, jetzt gibt es eine vernünftige Planungsgrundlage. Die Branche ist im letzten Jahr stabiler geworden."

Und wie steht es im Detail um die deutschen Lebensversicherer? Das hat die Analysegesellschaft für Anlage- & Versicherungsprodukte im Auftrag von €uro untersucht. Die zugrunde liegenden Zahlen stammen überwiegend aus den öffentlich zugänglichen Datenbanken der Finanzaufsicht Bafin, die wieerum auf den Bilanzen von 2017 beruhen (die kompletten 2018er-Bilanzen liegen erst im Herbst 2019 vor). Die Überschussbeteiligungen für 2019 wurden von den Versicherern abgefragt. Die sogenannten Bestandsgarantiewerte stammen von Partner in Life.

Ergebnis anhand der Zahlen, die vor der Entscheidung über die Zinszusatzreserve erhoben wurden: Die Lage der Branche war in etwa unverändert. Zwar haben statt fünf Unternehmen wie im Vorjahr lediglich zwei die Note "sehr gut" bekommen. Am anderen Ende der Tabelle stehen 14 statt 17 Anbieter, deren Stabilität "befriedigend" ist. Somit ist die Zahl der "guten" Anbieter von 38 auf 44 gestiegen. Die schlechteste Note überhaupt - und das ist für Kunden sehr beruhigend - ist ein "ausreichend". "Mangelhaft" und "ungenügend" bekam kein Anbieter. "Ich sehe keinen Lebensversicherer akut gefährdet", resümiert denn auch Heermann.

Manche Gesellschaften nehmen überhaupt kein Neugeschäft mehr an und sind daher in der Tabelle auf Seite 120 separat ausgewiesen. Doch auch Kunden solcher Versicherer müssen sich kaum Sorgen machen. Die Untersuchung ergab bei ihnen zweimal "gut" und viermal "befriedigend". Das bedeutet: Niemand sollte sich Angst vor einer Pleite machen lassen und seine Lebensversicherung deshalb kündigen.

Konkret wurde bei unserem Test die Finanzkraft des jeweiligen Versicherers mit 30 Prozent gewichtet. In die Bewertung "Kundenzufriedenheit" gingen Frühstornoquoten und Beschwerden mit insgesamt zehn Prozent ein. Die Bestandssicherheit - hierzu zählt unter anderem das Wachstum der Versicherungsbestände - macht ebenfalls 30 Prozent des Gesamtergebnisses aus. Hinzu kamen Performance, Zahlen zu Verzinsung und Kosten, die gleichfalls mit 30 Prozent gewichtet wurden. Übrigens: Keinen Eingang in die Untersuchung haben die sogenannten Solvenzzahlen gefunden, also das Verhältnis zwischen Eigenmitteln und möglichen Verpflichtungen. 2017 und 2018 mussten die Unternehmen diese Zahlen erstmals veröffentlichen. "Doch die Daten helfen kaum weiter bei der Beurteilung, welche Unternehmen stabil sind und welche nicht", sagt Thomas Hartung, Professor für Versicherungswirtschaft an der Bundeswehr-Universität München. Er verweist darauf, dass es um sehr langfristige Zahlungsströme gehe. "Das bedeutet: Wenn sich auch nur kleinste Parameter in der Gegenwart verändern, hat das einen ungeheuer starken Hebel für die fernere Zukunft." Ausreißer könnten auf Zufall beruhen.

Kommenden Mai werden die Solvenzzahlen das nächste Mal veröffentlicht. €uro behält die Situation im Auge.

Klassische Policen



Optionen für Versicherte


Dabeibleiben: Für Versicherungsanlagen gelten weiterhin großzügige Steuervorteile, die vom Vertragsbeginn abhängen: Bei Policen, die bis Ende 2004 geschlossen wurden, sind die Erträge steuerfrei. Für alle seit 2005 abgeschlossenen Policen bleibt die Hälfte aller erzielten Erträge steuerfrei, wenn der Vertrag frühestens nach zwölf Jahren endet und der Policeninhaber mindestens 60 - bei ab 2012 geschlossenen Kontrakten - 62 Jahre alt ist. Die andere Hälfte unterliegt dem individuellen Steuersatz, der im Rentenalter meist niedriger als in der Zeit der Berufstätigkeit ausfällt. Wer statt der Einmalzahlung eine lebenslange Rente will, zahlt den persönlichen Steuersatz auf den Ertragsanteil.

Kündigen: Hier gilt die Daumenregel: je kürzer die bisherige Vertragslaufzeit, desto lohnender eine Kündigung - frei nach dem Motto: "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende." Wer ganz sichergehen will, sollte einen unabhängigen Versicherungsberater auf die Police schauen lassen (Liste unter bvvb.de). Das kostet je Stunde rund 150 Euro Honorar plus Mehrwertsteuer.

Beitragsfrei stellen: Sie zahlen keine Beiträge mehr, der Vertrag bleibt jedoch bestehen. Was bislang angespart wurde, wird weiter verzinst. Vorsicht: Eine an den Vertrag gekoppelte Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung entfällt in diesem Fall.

Teilweise kündigen: Sie reduzieren Ihren Beitrag und damit auch den Versicherungsschutz. Der Vertrag wird aber auf einem deutlich höheren Niveau als bei einer kompletten Freistellung weitergeführt.

Billiger machen: Zahlen Sie jährlich statt monatlich. Sie sparen so den sogenannten Ratenzuschlag. Kündigen Sie eine eventuelle Unfalltod-Zusatzpolice, das führt bei gleichem Beitrag zu höherer Auszahlung im Erlebensfall. Stoppen Sie die Dynamisierung, denn bei jedem Schritt nach oben sind zusätzliche Abschlusskosten fällig.

Beleihen: Bei sogenannten Policendarlehen dient die Lebensversicherung als Sicherheit für einen Kredit. Die maximal mögliche Kreditsumme errechnet sich aus dem sogenannten Rückkaufswert - also jenem Betrag, zu dem der Versicherer die Police zurücknehmen muss, wenn der Kunde die Lebensversicherung kündigt.

Am Zweitmarkt verkaufen: Einige unabhängige Finanzdienstleister (etwa die im Artikel angesprochene Partner in Life) übernehmen Policen zu einem höheren Preis, als Versicherer dafür geben. Ein Aufschlag von drei bis acht Prozent auf den sogenannten Rückkaufswert ist realistisch. Im Web finden Sie unter bvzl.de Kriterien, um seriöse Anbieter zu erkennen.

So lesen Sie die Tabellen:

So hat €uro getestet Erläuterungen

Die Ergebnisse des Tests der Lebensversicherer



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