Seit Jahren steigen die Baukosten kontinuierlich, allein im vergangenen Jahr laut Zentralverband des Deutschen Baugewerbes um rund sechs Prozent - und in der aktuellen Situation geht es weiter nach oben. Auch für viele Gutverdiener rückt der Traum vom Eigenheim damit in immer weitere Ferne.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass ein Konstrukt wieder vermehrt in den Fokus rückt, das es hierzulande zwar schon seit über 100 Jahren gibt, das aber dennoch bislang wenig Anwendung gefunden hat: Bauen beziehungsweise Wohnen im Erbbaurecht. Was nichts anderes bedeutet, als ein Haus auf einem Grundstück zu errichten oder zu erwerben, das einem nicht gehört. Stattdessen wird der Grund für einen längeren Zeitraum gepachtet.

Das klingt für viele zunächst ungewöhnlich, hat aber vor allem für angehende Immobilieneigentümer einen nicht zu unterschätzenden Vorteil. "Sie müssen zunächst weniger tief in die Tasche greifen", sagt Adrian Birnbach, Anwalt in München und spezialisiert auf Immobilienrecht. Da der Kaufpreis für das Grundstück entfällt, ist das gesamte Investitionsvolumen geringer, was gleichzeitig auch die Nebenerwerbskosten senkt. Geld, das dann anders genutzt werden kann.

Birnbach berät nicht nur zu dem Thema, sondern weiß auch aus eigener Erfahrung, wovon er spricht, denn er lebt mit seiner Familie selbst auf fremdem Grund. Sein Haus im beliebten Stadtteil Obermenzing hat er auf dem Besitz des Freistaats Bayern gebaut. Volleigentum, räumt er unumwunden ein, hätte er sich in dieser Lage nicht leisten können. So aber wohnt er in begehrter Umgebung und genau so, wie es seinen Vorstellungen entspricht.

Trotzdem, so der Jurist, gebe es beim Erbbaurecht einige Fallstricke. Wer sich dafür interessiert, sollte sich daher zunächst immer genau informieren. Und vor allem: genau rechnen. "Schließlich", stimmt auch Anne Ahler, Baufinanzierungsexpertin beim Beratungsunternehmen Dr. Klein in Lübeck zu, "muss die Erbbaupacht über die gesamte Vertragslaufzeit gezahlt werden". Und nicht immer geht die Rechnung dann auf.

Die wichtigsten Aspekte dabei sind die Höhe der Pacht und die Laufzeit (siehe auch unten). Erstere liegt pro Jahr zumeist zwischen drei und fünf Prozent des Bodenrichtwerts, also des Durchschnittswerts von Grundstücken in gleicher Lage oder Zone. Er kann aber auch deutlich darunter oder sogar darüber liegen und zudem - je nach Vertrag - im Lauf der Zeit durch eine sogenannte Wertsicherungsklausel steigen.

Auch die Laufzeiten der Verträge variieren stark. Theoretisch ist es sogar möglich, sie auf ewig abzuschließen, in der Regel aber liegt die Pachtzeit zwischen 50 und 99 Jahren. Insbesondere wer Immobilien auf Grundstücken kauft, deren Erbbaurechtsverträge nicht mehr die volle Laufzeit haben, betont Ahler, könne Schwierigkeiten bei der Finanzierung bekommen. Denn grundsätzlich gilt, dass die Tilgung zehn Jahre vor Ablauf des Vertrags abgeschlossen sein muss (siehe unten). Je weniger Zeit aber bleibt, desto höher wird die Rate. Zudem gebe es Beleihungsobergrenzen, fügt Anwalt Birnbach an, "und viele Banken sind von Haus aus skeptisch und verlangen höhere Zinsen".

Endet die Pachtzeit, kann sie zwar verlängert werden. Aber: Der Erbbaurechtsgeber ist nicht dazu verpflichtet. Entscheidet er sich dagegen, läuft die Vereinbarung aus und - das ist das Entscheidende - die Immobilie geht auf ihn über. In diesem Fall enthält der Erbbaurechtsnehmer eine Entschädigung. Sie liegt meistens bei zwei Drittel des Verkehrswerts, kann aber auch individuell verhandelt werden.

Wenn der Boden mehr wert wird

Doch auch wenn der Grundstückseigentümer grundsätzlich offen gegenüber einer Vertragsverlängerung ist, kann dies den Erbbaurechtsnehmer in die Bredouille bringen. Denn normalerweise steigt der Wert des Bodens im Lauf der Jahrzehnte. Bei einer Verlängerung kann also auch die Pacht massiv steigen. Vor gut zwei Jahren ging ein Fall in Hamburg durch die Presse, bei dem der rot-grüne Senat die Pachtforderungen an Eigenheimbesitzer verzehnfachen wollte. Auch in anderen Fällen stellten Erbbaurechtsgeber Immobilienbesitzer vor die Wahl, zu den aktuellen Bodenpreisen zu kaufen oder eben drastische Erhöhungen des Pachtzinses zu akzeptieren.

Andersherum kann das Auslaufen eines Vertrags mit fest vereinbarter Entschädigung aber auch positiv für den Erbbaurechtsnehmer sein, wie Matthias Nagel, Geschäftsführer des Deutschen Erbrechtsverbands, betont. Das ist etwa in Gegenden der Fall, in denen Immobilien ansonsten schwer verkäuflich sind.

Etwa fünf Prozent der Grundstücke in Deutschland, so Schätzungen, sind derzeit im Erbbaurecht vergeben. Genaue Zahlen gibt es nicht. Branchenkenner wie Peter Becker, Notar in Schwäbisch Gmünd, sind sich aber sicher, dass in Deutschland in den kommenden Jahren mit deutlichen Steigerungen zu rechnen ist. Im Ausland ist das Thema schon jetzt viel verbreiteter. In Großbritannien beispielsweise sind Begriffe wie "freehold" und "leasehold" seit Jahrzehnten selbstverständlicher Bestandteil von Immobilieninseraten. Etwa 75 Prozent der Gebäude in London und sogar 80 Prozent in Amsterdam stehen auf fremdem Grund. Und auch in der Schweiz, in Israel oder in den USA gehört vielen Immobilienbesitzern das Grundstück nicht, auf dem sie leben.

In Deutschland sind es bis heute vor allem Stiftungen, Kommunen und Kirchen, die Erbbaurechte vergeben. Allein die Klosterkammer Hannover hält momentan mehr als 17.000 Erbbaurechte, weiß Becker. Eher selten übernehmen dagegen Unternehmen oder Privatleute die Rolle des Erbbaurechtsgebers - obwohl das Konstrukt auch für sie Vorteile haben kann. Insbesondere, wer selbst nicht investieren möchte, erhält einen stetigen Geldfluss und profitiert weiterhin von der Wertsteigerung. Gerade Erbengemeinschaften, erlebt Anwalt Birnbach immer wieder einmal, entscheiden sich gern für eine solche Lösung.

Die größte Zunahme sehen Experten aber künftig bei den Kommunen. Gerade in Metropolen, beobachtet Verbandschef Nagel, entdeckten die Stadtoberen das Konstrukt gerade neu. Ihr Ziel ist es, die Spekulation mit Baugrund zu unterbinden und damit langfristig bezahlbaren Wohnungsbau zu sichern. In München beispielsweise, wo das Angebot an bezahlbarem Wohnraum schon seit Langem nicht mehr ausreicht, hat sich der Stadtrat 2017 entschieden, Flächen grundsätzlich nur noch für 80 Jahre im Erbbaurecht zu vergeben. Laut Kommunalreferat soll dadurch eine nachhaltigere Bodenbevorratung erreicht werden. Der Verbleib in der öffentlichen Hand ist auch langfristig gesichert, zudem "kann durch Erbbaurechtsverträge auch dauerhaft Einfluss auf die Nutzung der Flächen im Sinne der städtischen Vorhaben Einfluss genommen werden".

Damit kehrt das Deutsche Erbbaurecht sozusagen zu seinen Anfängen zurück. Denn seiner Grundidee nach war es als Mittel der Sozialpolitik gedacht. Auslöser für die Einführung war auch Anfang des 20. Jahrhunderts - die erste Rechtsverordnung stammt aus dem Jahr 1919 - die Situation in den Städten, wo der Wohnraum schon vor dem Ersten Weltkrieg knapp war. Das Problem verschärfte sich dramatisch, als dann Flüchtlinge und Arbeitsuchende in die Städte drängten. Wenn Bauherren das Grundstück nicht auf einen Schlag bezahlen müssen, so auch damals die Idee, bleibt mehr Geld für das Gebäude.

Wann und für wen Erbbaupacht heute eine sinnvolle Lösung ist, so Finanzfachfrau Ahler, lasse sich pauschal nicht beantworten. Zumal neben Finanzierung, Höhe der Pacht und Laufzeit des Vertrags auch noch andere Aspekte eine Rolle spielen können, zum Beispiel, welches Mitbestimmungsrecht der Erbbaurechtsgeber haben will und welche Auflagen er macht. Auch Ahler bestreitet nicht, dass das Konstrukt ein gutes Instrument sein kann, um mehr Menschen in Eigentum zu bringen. Sie sagt aber auch: "Erbbaurechtsverträge sind sehr komplexe Vertragswerke, die nur unterzeichnen sollte, wer sie auch wirklich verstanden hat." Viele Betroffene, so erlebt sie immer wieder, schenken den Risiken nicht genügend Beachtung. Was wohl auch daran liegt, dass die Verhandlungen zu einem Zeitpunkt stattfinden, an dem das Ende der Erbpacht in weiter Ferne liegt.

Rechtzeitig verhandeln

Bei 22 Prozent aller deutschen Erbbaurechtsgeber, so hat der Erbrechtsverband in einer Umfrage ermittelt, laufen bis 2030 Verträge aus. Eine weitere Welle wird es zwischen 2040 und 2060 geben. Dann enden viele Verträge, die nach dem Zweiten Weltkrieg geschlossen wurden. Auf viele Erbbaurechtsnehmer könnten Probleme zukommen, fürchtet man beim Verband: Sie sind zu Beginn blauäugig an die Sache herangegangen und sitzen nun auf schlech- ten Verträgen.

Um hier nicht plötzlich unter Druck zu geraten, rät Experte Nagel, frühzeitig Kontakt aufzunehmen. Vor allem bei Kirchen, Stiftungen und Kommunen bestünden - Negativbeispielen zum Trotz - in der Regel gute Chancen, für beide Seiten akzeptable Lösungen zu finden. So haben sich letztlich auch die Vertragspartner in Hamburg auf eine Lösung geeinigt, die für beide Seiten tragbar war. Auch bei privaten Erbbaurechtsgebern seien die Verhandlungsspielräume oft größer als vermutet, so Nagel. Anwalt Birnbach, dessen eigener Vertrag 2056 ausläuft, geht davon aus, dass sich eine konstruktive Lösung finden lässt. Trotzdem stellt auch er klar: "Wer sich auf Erbpacht einlässt, muss sich unbedingt von Anfang an mit dem Ende befassen." Etwa zehn Jahre vor Ablauf sollten Verhandlungen aufgenommen und die eigenen Interessen klar formuliert werden.

Wenn seine Pacht endet, ist Birnbach 82 Jahre alt, sein Haus 38. Das sei dann eh der Zeitpunkt, zu dem sich wohl alle Immobilienbesitzer mit zwei Fragen beschäftigen müssten. Erstens: Können oder wollen sie ein so großes Haus noch bewirtschaften? Und zweitens: Wollen sie noch einmal viel Geld für eine Komplettsanierung in die Hand nehmen?

Auch für mögliche Erben, so seine Einschätzung, ist der auslaufende Pachtvertrag dann nur ein weiterer Aspekt bei der Frage, ob sich die Übernahme lohnt oder nicht. Eine 100-Prozent-Lösung, bewertet Birnbach seine Entscheidung für das Erbbaurecht pragmatisch, sei es für Betroffene vielleicht nicht. "Aber man kann sich sehr gut damit arrangieren."

Was Erbbaurechtsnehmer beachten müssen:

Laufzeit

Theoretisch sind Verträge ohne Ablauf möglich; auf zu kurze Laufzeiten sollte sich niemand einlassen, der langfristig in einer Immobilie wohnen möchte

Möglichkeiten der Verlängerung

Während der gesamten Laufzeit des Vertrags können sich die Vertragsparteien auf eine Verlängerung des Vertrags einigen. Dabei hat der Grundstückseigentümer auch die Möglichkeit, das Erbbaurecht auf die voraussichtliche Standdauer des Bauwerks zu verlängern (§ 27 Abs. 3 ErbbauRG). Für den Erbbaurechtsnehmer kann dies aber bedeuten, dass der Entschädigungsanspruch entfällt. Gleiches gilt auch nach Auslaufen des Vertrags.

Pflichten des Erbbauberechtigten

Erbbaurechtsverträge können weitreichende Regelungen enthalten, bei deren Nichtachtung das Grundstück rückübertragen wird. Juristisch wird dies als Heimfall bezeichnet (siehe unten).

Mitbestimmungsrechte des Grundstückseigentümers

Diese können sehr weitreichend sein. Beispielsweise kann der Erbbaurechtsgeber festlegen, in welcher Höhe eine Immobilie mit einem Darlehen belastet sein darf oder ob und an wen sie vermietet beziehungsweise verkauft werden darf.

Vorkaufsrecht

Der Grundstückseigentümer kann dem Erbbaurechtsnehmer ein Vorkaufsrecht einräumen - sowohl bei Vertragsende als auch, wenn er sich vorzeitig von seinem Grundstück trennt. Auf der anderen Seite hat der Grundstückeigentümer auch ein Vorkaufsrecht bei der Veräußerung der Immobilie.

Entschädigungsanspruch nach Ablauf des Erbbaurechts

Der Entschädigungsanspruch kann grundsätzlich frei verhandelt werden. Empfohlen wird jedoch, dass er bei Wohnnutzung mindestens 66 Prozent betragen sollte.

DER HEIMFALL:
Kommt es zu groben Pflicht- oder Vertragsverletzungen des Erbbaurechtsnehmers, fällt das Grundstück an den Erbbaurechtsgeber zurück. Geregelt ist dies in Paragraf 32 des aktuell gültigen Erbbaurechtsgesetzes. Allerdings muss er hierfür eine Entschädigung zahlen. Experten empfehlen, auch diese Summe bereits bei Vertragsabschluss zu vereinbaren. Typische Verstöße sind: • Mehr als zwei Jahre Zahlungsverzug beim Erbbauzins • Insolvenz des Erbbaurechtsnehmers • Nicht- oder Unterversicherung der Immobilie • Verwahrlosung des Grundstücks • Nichterrichtung eines vereinbarten Wohnhauses • Tod eines Vertragspartners

WERTERMITTLUNG UND FINANZIERUNG:
Grundsätzlich ist es jederzeit möglich, eine Immobilie zu verkaufen bzw. zu kaufen, die auf fremdem Grund steht. Der Vertrag des Erbbaurechts wird dann mitverkauft. Aber: • Die meisten Banken finanzieren Immobilien auf fremdem Grund nur, wenn der Vertrag noch 40 Jahre läuft • Die Tilgung muss zudem zehn Jahre vor Ablauf beendet sein • Die Kreditzinsen sind oftmals höher als bei einer normalen Finanzierung • Der Erbbaurechtsgeber kann zudem Beleihobergrenzen festlegen. Käufer können das Erbbaurecht dann nicht mit einer Grundschuld in voller Höhe des Kaufpreises belasten • Manche Erbbaurechtsgeber verweigern auch grundsätzlich ihre Zustimmung zu einer erstrangigen Grundschuld • Die Wertermittlung für eine Erbbauimmobilie ist komplex. Zum Sachwert des Gebäudes wird ein Ablösebetrag auf den Bodenwertanteil ermittelt.