Seit der Legalisierung vor zwei Jahren spielen deutsche Online-Casinos Rekordgewinne ein. Wir haben die Poker- und Wettanbieter im Netz kritisch getestet.

Ein bisschen schmuddelig und kaputt. Anziehungspunkt für eine überwiegend männliche Klientel, die dem Versprechen vom schnellen, leichten Reichtum folgt. Kalter Rauch, Fußball und Pferderennen auf großen Bildschirmen. In den Hauptbahnhof-Gegenden der Republik haben Spielotheken und Sportwettbuden über Jahrzehnte an ihrem Image gearbeitet.

Inzwischen verlagert sich diese Welt. Weg vom Mief der Straße, ab nach Hause in die eigenen vier Wände der Spieler. Die digitale bedrängt die analoge Welt — ähnlich wie beim Internethandel, der den Kaufhäusern in der Fußgängerzone die Kundschaft abspenstig macht.

Seit die deutschen Bundesländer im Sommer 2021 die Online-Casinos per Neuauflage des Glücksspielstaatsvertrags im ganzen Land legalisiert haben, florieren die Heimspiele am Rechner. Bis dahin hatte nur Schleswig-Holstein den virtuellen Zeitvertreib liberalisiert. Viele Internetplattformen machten ihn verbotenerweise dennoch bundesweit zugänglich und bewarben das Business umfänglich im nächtlichen Trash-TV-Programm.

Inzwischen haben 41 Anbieter bei der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL) in Halle Lizenzen zum Betrieb von Internetspielhallen, digitalen Automatenspielen, Online-Sportwetten und -Kartenspielen erworben. Mehr als 120 verschiedene Seiten betreiben sie inzwischen — mit enormen Gewinnen. Vor allem für sie selbst. Denn Spielernaturen mögen es zwar wirkungsvoll verdrängen: Beim Spiel gewinnt noch immer hauptsächlich die Bank.

Mehr als zwei Milliarden Euro nahmen die Anbieter Schätzungen zufolge 2022 im Netz an Bruttospielerträgen ein, also Einnahmen minus ausbezahlte Spielgewinne. Doppelt so viel wie klassische Spielbanken mit Roulette- und Pokertischen umsetzten. Dabei feierten die stationären Anbieter im Jahr nach Corona Rekordergebnisse: Mehr als

1,1 Milliarden Euro landeten in den Kassen. Auch für den Fiskus lohnen sich die Spielchen: Virtuelle Automatensteuer und Online-Pokersteuer in Höhe von 461 Millionen Euro kassierten Finanzämter bereits im ersten vollen Jahr nach der Legalisierung.

Aus dem Blick der Öffentlichkeit

Suchtforscher warnen, die Spielsucht verlagere sich aus dem Stehausschank und der Wettbude in die Privatwohnung der Spieler. Und entziehe sich damit jedem sozialen Korrektiv. So viel ist sicher: Online-Gambling hat die Haustüren in Deutschland überwunden und steht vor enormen Umsatzzuwächsen. Auf bis zu 3,3 Milliarden schätzt die Analysefirma Goldmedia den hiesigen Markt.

Doch werden die Kunden vor dem heimischen Rechner abgezockt? Welche Spielseiten führen ein anständiges Angebot, bieten korrekte Konditionen, guten Kundenservice? €uro am Sonntag hat die großen Anbieter des Gewerbes einem detaillierten Test unterzogen.

Zocker vs. Spekulanten

Tatsächlich gibt es aussichtsreichere Möglichkeiten des Geldspiels, etwa mit spekulativen Papieren an den internationalen Börsen oder gehebelten Finanzprodukten. Das Risiko, alles zu verlieren, existiert auch dabei. Aber die Chancen werden nicht von programmierten Algorithmen bestimmt, sondern vom Auf und Ab der Märkte

Wem Kartenspielen oder Automatendrücken um kleinere oder größere Geldbeträge nun mal dennoch Spaß bereitet, der sollte auf die Rahmenbedingungen achten. Unter den 18 getesteten Internetspielseiten finden sich auch die Großen in der Publikumsgunst: Wunderino, Drückglück, Lapalingo. Sämtliche Wettbewerber in der Auswertung verfügen über eine Lizenz der GGL. Die Whitelist der Behörde weist aber auch den Sitz der Betreiberunternehmen aus — und hier unterscheiden sich die Plattformen ganz grundsätzlich.

Nur fünf der Anbieter im Test sind in Deutschland beheimatet, nämlich die von BingBong und JackpotPiraten (einer Gesellschaft in Berlin), von Die Spielbank (die Sächsischen Spielbanken in Leipzig), von Jokerstar (einer Firma aus Oberschwaben) sowie von Löwen Play (Digital-Tochter des Spielautomatenherstellers Löwen aus Bingen).

Fast alle anderen Betreiberfirmen haben ihren Sitz auf der Mittelmeer-insel Malta. Das hatte vor der deutschlandweiten Legalisierung des Online-Glücksspiels den Vorzug, für Behördenvertreter oder Anwälte mit Regressansprüchen übervorteilter Spieler nur schwer erreichbar zu sein. „Stichwort: Briefkastenfirmen“, warnt der auf Glücksspiel spezialisierte Suchtpsychologe Tobias Hayer von der Uni Bremen. Grundsätzlich sei es auch heute noch besser, wenn Verantwortliche „in Deutschland greifbar sind, um Mahnbescheide zuzustellen“.

Die Gemüter erhitzt derzeit ein neues Gesetz, das der Inselstaat Mitte Juni in Kraft gesetzt hat. Es schützt maltesische Glücksspielfirmen vor Schadenersatzklagen aus dem Ausland. Urteile ausländischer Gerichte sollen nach dem Willen der Regierung in Valletta nicht mehr vollstreckt werden, wenn die beklagten Unternehmen eine maltesische Lizenz besitzen und die örtlichen Regularien einhalten.

Ein europäischer Zwist

Vor allem in Deutschland haben Zivilgerichte regelmäßig Anbieter verurteilt, kleinere, aber teils auch hohe Spielverluste von Zockern rückzuerstatten, weil das Onlinespiel bis vor zwei Jahren explizit illegal war. Viele Betroffene reklamieren für sich, gar nicht bemerkt zu haben, dass die Spiele im Netz eigentlich verboten waren. Die TV-Werbung der Casino-Betreiber erweckte den gegenteiligen Eindruck.

Diese speziellen Spielschulden erachten die Betreiber jedoch keineswegs als Ehrenschulden, die umgehend zurückbezahlt werden müssten. Das Bundesjustizministerium verweist wegen einer möglichen Verletzung europäischen Rechts durch Maltas Schutzgesetz auf die EU-Kommission. Von dort bestätigt eine Sprecherin, dass derzeit eine Beschwerde gegen den Mitgliedstaat geprüft werde.

Die GGL teilt mit: „Sollten die Anbieter den Schutzschirm zulasten der deutschen Spieler anwenden, wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob sich dies auf die Zuverlässigkeit des Anbieters auswirkt oder Nachschärfungen in den Nebenbestimmungen der Erlaubnisse erforderlich sein werden.“ Ziemlich vage fürs Erste. Werden Lizenzen in Deutschland im Extremfall wieder eingezogen?

Für die Zukunft sieht Julian Krüper, Professor am Institut für Glücksspiel und Gesellschaft (GLÜG) der Ruhr-Universität in Bochum, das neue Gesetz allerdings weniger problematisch. Inzwischen sei Online-Gambling ja legalisiert, vergleichbare Ansprüche wie vor 2021 entstehen also nicht mehr. Laut Krüper ist das Spiel „bei einem ausländischen und in Deutschland lizenzierten Glücksspielanbieter aus rechtlicher Perspektive grundsätzlich nicht mit Nachteilen für den Spieler verbunden“.

Haben die maltesischen Anbieter ihre Abzock-Mentalität wirklich abgelegt? Der Test von €uro am Sonntag stellt im Gesamtergebnis nur fünf Spielseiten die Spitzennote Beste/Top aus: BingBong, JackpotPiraten (beide Deutschland) und Sonnenspiele (Malta), Merkur-Spiel und Lord Lucky (beide Malta).

Testergebnisse im Detail

Die JackpotPiraten und Lord Lucky schneiden auch deshalb gut ab, weil sie Gewinne überdurchschnittlich schnell an Zocker überweisen und ein frei wählbares Einzahlungslimit ermöglichen. Letzteres mahnen Suchtexperten immer wieder an, damit Leute mit problematischer Selbstkontrolle nicht in unbezahlbare Spielschulden abgleiten. Über mehrere Log-in-Konten ist es laut Einschätzung von Fachleuten für geschickte Spieler aber nicht allzu schwer, solche Limits zu umgehen.

Immerhin geben alle getesteten Anbieter Hinweise zu verantwortungsbewusstem Spielen und zum Datenschutz. Das Portfolio auf den Seiten ähnelt sich häufig. Spiele wie „Book of Ra“, „Fruit Party“, „Twin Spinner“ oder ähnlich klingende Programme finden sich auf vielen von ihnen. Alle Anbieter offerieren Slotmachines, also virtuelle Automaten. Merkur Spiel und Mybet bieten auch Sportwetten.

Was die Konditionen betrifft, liegen die Unterschiede im Detail. Bis auf einen locken alle Anbieter im Test mit einem Willkommensbonus, entweder in Form von Freispielen oder von Beträgen bis zu 50 Euro, die gesetzt werden können. Die Plattform Wildz wedelt zum Einstieg sogar mit 500 Euro. Spieler sollten selbstbestimmt bleiben und sich von Lockangeboten nicht das Geld aus der Tasche ziehen lassen.

Dafür bieten die Betreiberfirmen alle nur erdenklichen Zahlungsarten an:

17 von ihnen mit Kreditkarte, 16 per Überweisung, 14 über Paypal. Auch Giropay und Klarna sind vereinzelt möglich. Alle Unternehmen weisen auf die Einzahlungslimits hin, die sich Spieler freiwillig und in persönlich auswählbarer Höhe setzen können.

Testergebnisse
Ergebnisse Casino Test

Vom Saulus zum Paulus?

Manche der Glücksspielanbieter sehen sich durch die deutschen Bundesländer zu Höherem befördert — vom bösen Dealer zum guten Helfer. Oliver Bagus, Geschäftsführer von Novo Interactive, die über ihre maltesische Tochter BluBet die Novoline-Seite in Deutschland betreibt, sieht in dem novellierten Glücksspielstaatsvertrag einen „klaren Auftrag“: Lizenzierte Anbieter „sollen das Spielbedürfnis von Millionen Menschen in legale, sichere Bahnen lenken — weg vom illegalen Markt“, erklärt er.

Wirksamer Schutz für Spielsüchtige sehe aber völlig anders aus, hält der Bremer Suchtforscher Hayer dagegen. Die „auf vielen Kanälen präsente Fernsehwerbung“ der legalen Anbieter treibe gefährdete Charaktere „erst ins Online-Glücksspiel“.

Spieler können freilich noch auf ganz andere Weise mit dem Trendthema Online-Casinos gewinnen: nämlich an der Börse. Einige einschlägige Aktien haben seit Anfang dieses Jahres kräftig zugelegt. Der US-Sportwetten-Anbieter Draftkings, bei dem Ex-Basketballstar Michael Jordan seit einigen Jahren investiert ist, sogar um mehr als 120 Prozent.

Der schwedische Online-Spielanbieter Betsson verbucht 35 Prozent Kursgewinn. Der ebenfalls aus Schweden stammende Softwareentwickler Evolution Gaming, der virtuelle Automaten für Online-Casinos programmiert, um 23 Prozent. Der von Irland aus weltweit operierende Kleeblattkonzern Flutter Entertainment ist um 28 Prozent gestiegen. Es könnte glatt cleverer sein, Geld auf statt in Online-Casinos zu setzen.

So wurde getestet

Um Transparenz in den unübersichtlichen Markt für Online-Glücksspiel zu bringen, hat €uro am Sonntag die führenden Anbieter zusammen mit dem Deutschen Kunden-Institut (DKI) detailliert getestet. Zwischen März und Mai 2023 haben die Tester 18 Anbieter mit insgesamt 200 Kundenkontakten unter die Lupe genommen. Dabei ging es alles in allem um 140 unterschiedliche Einzelkriterien, nach denen die Internetseiten beurteilt wurden.

In die Gesamtwertung floss das Leistungsangebot mit 40 Prozent Gewichtung ein. Hierbei ging es schwerpunktmäßig um das Produktportfolio (Spielkategorien, Spielarten, Zusatzangebot) und das Sicherheitsangebot (Selbstsperre, Einzahlungslimits). Der Bereich Konditionen wurde ebenfalls mit 40 Prozent gewichtet. Hier spielten Gebühren und Boni, aber auch die Ein- und Auszahlungsmöglichkeiten eine Rolle. Mit weiteren 20 Prozent ging der Bereich Kundenservice ins Gesamtergebnis ein (Qualität der Beratung und Information per E-Mail, Nutzerfreundlichkeit und Informationsgehalt der Internetseiten).