Viele Kunden von Lebensversicherern können auf mehr Geld hoffen. Grund sind aktuelle Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts rund um das sogenannte Widerspruchsrecht. Hintergrund: Wer zwischen 1995 und 2007 eine Kapitallebens- oder private Rentenpolice abgeschlossen hat, kann dem Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen auch heute noch widersprechen - selbst wenn er schon gekündigt hat. Dabei winken teils Nachzahlungen von mehr als 10 000 Euro.

Konkret geht es um die Frage, ob Verbraucher bei Vertragsabschluss fehlerhaft oder gar nicht über ihr Widerspruchsrecht aufgeklärt wurden. Eine ähnliche Konstellation rund um Hypothekenkredite hatte dort zu einer Prozesswelle geführt, weil viele Schuldner den sogenannten Widerrufsjoker gezogen haben.

Ein nachträglicher Widerspruch kann erhebliche Nachzahlungen bringen. Das hatte der Bundesgerichtshof (BGH) 2014 entschieden und 2015 präzisiert. Einige Anbieter hatten dennoch Ansprüche von Kunden pauschal verneint und auf Verfassungsbeschwerden verwiesen, die gegen BGH-Urteile eingereicht wurden. Mittlerweile hat das Verfassungsgericht in fast allen Fällen abgelehnt, sich mit den Beschwerden zu beschäftigen. Laut einem Gerichtssprecher ist nur in einem Spezialfall eine Beschwerde anhängig.

Was sollten ehemalige oder aktuelle Kunden nun tun? Hier eine Checkliste, wie Sie Ihr Geld zurückholen können:

Belehrung unkorrekt?



Laien können kaum beurteilen, ob die Widerspruchsbelehrung korrekt ist oder nicht. Wer den Text überprüfen lassen will, sollte sich an Fachleute wenden.

Ansprechpartner finden sich in verschiedenen Sparten: Die Verbraucherzentrale Hamburg (www.vzhh.de) prüft den Vertrag für 70 Euro, wenn die Unterlagen in Kopie vorliegen. Der Bund der Versicherten (www.bundderversicherten.de) prüft die Unterlagen für Mitglieder kostenlos. Die Mitgliedsgebühr beträgt 60 Euro pro Jahr, die Aufnahmegebühr acht Euro.

Versicherungsberater (Liste unter www.bvvb.de) kommen ohne Provisionen von Versicherern aus und sind unabhängig. Die Stundensätze liegen üblicherweise zwischen 100 und 200 Euro plus Mehrwertsteuer.

Anwälte für Versicherungsrecht können ebenfalls helfen (Abfrage unter www.anwaltauskunft.de/anwaltssuche). Allerdings warnt das Anwaltsbüro47 aus Augsburg vor unseriösen Advokaten in Sachen Widerspruchsrecht. Diese seien unter anderem an Erfolgsprovisionen von 40 Prozent und mehr zu erkennen.

Unterlagen vorhanden?



Wer die Unterlagen nicht mehr hat, kann den Versicherer freundlich bitten, sie ihm noch einmal zuzuschicken. Fragen kostet nichts. Es ist auch vorstellbar, dass der Kunde die Widerspruchsbelehrung gar nicht erst erhalten hat. Dann gelten dieselben strengen Regeln wie bei einer unkorrekten Belehrung. Grundsätzlich muss der Versicherer nachweisen, dass das Papier dem Kunden zugegangen ist. Legt er allerdings vor Gericht die Usancen seines Postversands offen und sind keine Unregelmäßigkeiten erkennbar, wird angenommen, dass alle Kunden dieselben Papiere erhalten haben.



Widerspruch finanziell sinnvoll?



Falls die Voraussetzungen für Widerspruch oder Rücktritt gegeben sind, sollte man nachdenken, ob der Schritt wirtschaftlich überhaupt sinnvoll ist. Das ist nicht immer der Fall. Denn viele ältere Verträge haben einen hohen Garantiezins von bis zu vier Prozent, der sich derzeit kaum erzielen ließe, wenn man das Geld zu aktuellen Konditionen wieder anlegen würde. Zweitens haben Kontrakte, die vor 2005 geschlossen sind, zumeist einen erheblichen Steuervorteil. Drittens gibt es oft Zusatzverträge, zum Beispiel für Berufsunfähigkeit. Wenn man diese Kontrakte neu abschlösse, müsste man vermutlich erheblich mehr zahlen - falls man angesichts zwischenzeitlicher Erkrankungen überhaupt noch Schutz bekäme. Viertens müsste man bei fondsgebundenen Policen eventuelle Kursverluste realisieren; wer die Police behält, kommt möglicherweise noch ins Plus. Bei der Entscheidung können die anfangs genannten Berater helfen.

Zins festgelegt?



Wer zu dem Entschluss gekommen ist, sich von seiner Police zu trennen, kann dies mit Musterschreiben tun (herunterzuladen unter www.vzhh.de oder www.bundderversicherten.de). Auch hier ist es sinnvoll, sich wegen der Verzinsung beraten zu lassen.

Greift die Rechtsschutzversicherung?



Vor juristischen Schritten sollte man abklären, ob der Rechtsschutzversicherer zahlt. Falls Kapitalanlagegeschäfte eingeschlossen sind, was bei vielen älteren Rechtsschutzpolicen der Fall ist, stehen die Chancen dafür gut. Man werde in diesem Fall leisten, selbst wenn der Prozess gegen ein Unternehmen des eigenen Konzerns geführt werde, sagt beispielsweise eine Sprecherin der Ergo-Gruppe (Rechtsschutzversicherer: D.A.S.).