Die Nachricht war ein Paukenschlag. Ergo, früher besser bekannt unter dem Namen Hamburg-Mannheimer und einer der Marktführer, spaltet demnächst das Geschäft mit klassischen Lebensversicherungen mit Garantiezins ab. Es geht insgesamt um fünf Millionen Verträge - noch nie hat es in Deutschland in der Versicherungsbranche eine Ausgründung in einer solchen Dimension gegeben. Damit setzt sich der neue Ergo-Chef Markus Rieß an die Spitze einer Bewegung. Schon zuvor hatte sein Unternehmen, aber beispielsweise auch Generali, Zurich Deutscher Herold und HDI (früher Gerling) bekannt gegeben, dass es keine neuen Kapitallebens- und privaten Rentenversicherungen mit Garantiezins mehr gebe.

Diese Kontrakte seien zu unrentabel und kosteten zu viel Kapital, lauten die Hauptargumente quer durch die Branche. Doch was bedeuten solche Schritte für die bisherigen Kunden? Eine Sprecherin von Ergo erklärt, ihr Haus stehe "ohne jede Einschränkung" zu seinen Verpflichtungen - beim bereits vollzogenen Ende des Neugeschäfts und bei der künftigen Ausgründung. Sprecher der Wettbewerber sehen ebenfalls keine negativen Folgen.

Anderer Ansicht ist Axel Kleinlein, Chef der Verbraucherschutzorganisation Bund der Versicherten: "Es gibt dann keinen Grund mehr, die Kunden nett zu behandeln." Ohne Neugeschäft fehle der Zwang, die Versicherten mehr als nötig an den Überschüssen zu beteiligen. "Bislang wollte man neue Kunden anziehen und deshalb nicht allzu unattraktiv erscheinen."

Allerdings waren die Räume für ein solches Selbstmarketing schon seit einiger Zeit eng. Um Jahr für Jahr Gewinne zu erwirtschaften, müssen die Versicherer die Kundengelder hauptsächlich in festverzinslichen Papieren anlegen. Deren Renditen sind ins Bodenlose gesunken. Dies zehrt an den Überschussbeteiligungen alter und neuer Verträge.

Doch des einen Leid ist des andern Freud. Die meisten Akteure führen das sogenannte Run-off (der englische Begriff bedeutet "Abwicklung" und steht für den Umgang mit Vertragsbeständen ohne Neugeschäft) zwar in Eigenregie durch, doch daneben bemühen sich inzwischen externe Dienstleister um die Übernahme solcher Pakete. Der größte und älteste ist hier die Heidelberger Leben Gruppe. Noch nicht im aktiven Geschäft ist die Frankfurter Leben, die zu 75 Prozent dem chinesischen Investor Fosun gehört.

Der Verkauf muss nicht schlecht sein



Neutral zu solch externen Lösungen äußert sich Lars Gatschke, Versicherungsexperte des Verbraucherzentrale Bundesverbands. "Per se würde ich den Verkauf nicht verteufeln wollen. Es kommt immer auf den Einzelfall an", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Allerdings könnten eventuelle Kostenvorteile dadurch aufgehoben werden, dass die Investoren allzu viel verdienen wollten. "In der Vergangenheit waren es oft angelsächsische Anleger, die auf Renditen von bis zu 20 Prozent hofften."

Mit großer Spannung beobachte auch Partner in Life die Entwicklung, sagt dessen Geschäftsführer Dean Goff. Das Unternehmen kauft Policen am sogenannten Zweitmarkt direkt von Privatkunden und sieht sich als einer der größten Versicherungsnehmer in Deutschland. "Wir trennen uns nicht allein wegen eines etwaigen Run-off von einer Police. Vielmehr werden wir dann die Kennzahlen noch akribischer prüfen, als wir es ohnehin bereits tun", erklärt Goff.

Es gibt kaum Erfahrungswerte



Er rät betroffenen Kunden, die Situation im Auge zu behalten und die Police gegebenenfalls von einem Zweitmarktanbieter prüfen zu lassen. Klare Erfahrungswerte, was in puncto Überschussbeteiligung bei einem Run-off passiert, existieren laut Goff nicht.

Immerhin gibt es einen Vergleich innerhalb eines Unternehmens, was Lebensversicherer mit und ohne Neugeschäft betrifft. Ergo legte im Jahr 2011 die Tochtergesellschaft Victoria mit damals 1,7 Millionen Verträgen still. Seitdem verlief die Überschussbeteiligung parallel zu Ergo Leben, die damals noch Neugeschäft schrieb - es gab also zumindest keine relative Verschlechterung für Victoria-Kunden.

Was sollten Versicherte nun tun, wenn ihr Anbieter sein Geschäft aufgibt oder verkauft? Auf jeden Fall nichts übereilen. Auch nach einem Run-off zählen im Großen und Ganzen dieselben Argumente, wie sie generell bei Lebensversicherungen gelten. Insbesondere wer eine Police mit einem hohen Garantiezins besitzt, sollte sich eine Kündigung oder Beitragsfreistellung zweimal überlegen. Wer vor 2005 abgeschlossen hat, genießt zudem in der Auszahlphase einen Steuervorteil. Dazu kommt: Es fehlen einfach die attraktiven Alternativanlagen.

Im Zweifelsfall werden die Kunden von einem Run-off nichts erfahren. Die Gesellschaften haben keine Pflicht, ihre Kunden zu informieren, und selbst bei einer externen Lösung ändern sich in der Regel weder die Ansprechpartner noch die Adressen. Denn die Käufer übernehmen üblicherweise den ganzen Unternehmenszweig inklusive dessen Personal.