Nach einen neuen Urteil des Bundesfinanzhofs können sich Eigenheim-Erben in vielen Fällen mehr Zeit für Einzug lassen, ohne Erbschaftssteuer zahlen zu müssen. Von Stefan Rullkötter

Ex-Kanzler Gerhard Schröder hatte während seiner Amtszeit ein sicheres Gespür für griffige Formulierungen. "Omas Häuschen bleibt verschont" war eine Leitlinie für das Erbschaftssteuerrecht, die Schröder 1999 ausgegeben hatte - und die bis heute gilt.

Überlebende Ehegatten und amtliche Lebenspartner, aber auch Kinder und Enkelkinder zahlen keine Erbschaftssteuer für Haus oder Eigentumswohnung des Erblassers, wenn sie dort den ersten Wohnsitz nehmen.

Die Erbschaftssteuerfreibeträge (500 000 Euro für Ehepartner, 400 000 Euro für Kinder) sind zwar hierzulande im internationalen Vergleich hoch. Da die Immobilienpreise in den deutschen Metropolregionen aber in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind, können die persönlichen Freibeträge schnell erschöpft sein.

Der Steuerbonus, der unabhängig vom Verkehrswert des geerbten Eigenheims gewährt wird, kann in diesen Fällen helfen. Er ist jedoch an eine wichtige Voraussetzung geknüpft: Die Erben müssen sich "unverzüglich" dazu entschließen, die Immobilie zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen - und dies gegenüber dem Fiskus plausibel darlegen können. Das ist bei Einzug innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt des Erbfalls ohne weiteren Nachweis möglich.

Die Einhaltung der Sechs-Monats-Frist ist aber in vielen Fällen nicht zu schaffen. Denn der Alleinerbe ist in Deutschland eher die Ausnahme. In rund 80 Prozent der jährlich rund 570 000 Erbfälle kümmert sich eine Erbengemeinschaft um die Abwicklung des Nachlasses. Bis etwa Geschwister sich geeinigt haben, wer Immobilien- und Geldvermögen übernimmt, und sämtliche Hindernisse im Nachlass-Verfahren überwunden haben, vergeht häufig mehr als ein Jahr.

Der Bundesfinanzhof hat nun in einem Musterprozess entschieden, dass Erben auch dann von der Erbschaftsteuer verschont bleiben, wenn sie das Eigenheim erst nach Ablauf eines Jahres komplett selbst nutzen. Im konkreten Fall hatten Sohn und Tochter jeweils 50 Prozent eines Zweifamilienhauses geerbt. In das Objekt, das die Eltern bis zu ihrem Tod als Eigenheim genutzt hatten, zog der Sohn unmittelbar nach dem Erbfall ein, nutzte aber nur eine Wohnung. Erst im Zuge der Erbauseinandersetzung übernahm er das Zweifamilienhaus komplett. Das Finanzamt gewährte ihm deshalb nur eine 50-prozentige Steuerbefreiung.

Zu Unrecht, urteilte der Bundesfinanzhof: Die Dauer der Erbauseinandersetzung sei nicht an eine bestimmte Frist gebunden (Az. II R 39/13). Damit können Begünstige auch dann vom Eigenheim Steuerbonus profitieren, wenn sie die geerbte Immobilie nicht innerhalb von sechs Monaten selbst beziehen. Weil bei rechtlichen Fehlern aber hohe Erbschaftsteuern drohen, ist in dieser Konstellation die Einschaltung eines Steuerberaters ratsam.