Ein Überblick über aktuelle Urteile zu den Rechten von Urlaubern bei Flugausfällen, Verspätungen und schlechten Reiseleistungen. Was jetzt zu beachten ist. Von Stefan Rullkötter, Euro am Sonntag

Ende August hat die Sommerurlaubssaison ihren Höhepunkt überschritten. Viele Reisende kommen nicht nur mit schönen Erinnerungen zurück, sondern haben auch jede Menge Frust im Gepäck: Flugausfälle, Verspätungen von Ferienfliegern und mangelhafte Leistungen von Reiseveranstaltern.

Werden dabei bestimmte Grenzen überschritten, winkt zumindest eine finanzielle Kompensation für den vermiesten Urlaub. Startet ein Flieger nicht planmäßig oder erreicht der Pilot seinen Zielflughafen erst lange nach der gebuchten Ankunftszeit, können betroffene Passagiere Entschädigung nach der EU-Fluggastrechteverordnung verlangen.

EU-weit einheitliche Entschädigung


Hat etwa ein Flugzeug innerhalb der EU ohne "höhere Gewalt" mehr als drei Stunden Verspätung, stehen jedem Passagier bei Flugstrecken bis zu 1.500 Kilometern nach EU-Fluggastverordnung 250 Euro Entschädigung zu. Bei längeren Flugstrecken gibt es bis zu 600 Euro als Ersatzleistung.

Auch Reiseveranstalter müssen Kunden bei erheblichen Änderungen der ursprünglichen Abflugzeit aller von ihnen vermittelten Ferienflieger finanziell entschädigen. Bei Flugverschiebungen liegt nach Ablauf von vier Stunden ein Reisemangel vor. Für jede weitere angefangene Stunde Verspätung sind fünf Prozent Nachlass auf den Tagesreisepreis angemessen. Gleiches gilt, wenn sich bei Pauschalreisen der Abflughafen für Kunden ändert.

Üblicherweise setzen Fluggesellschaften und Reiseveranstalter alle rechtlichen Hebel in Bewegung, um Entschädigungsansprüche abzuwehren. Vor Gericht wird fast um jedes Detail von Flug- und Urlaubsreisen gestritten. Dabei mussten Reisende erst kürzlich eine Niederlage hinnehmen: Passagiere, denen wegen Flugverspätungen oder -ausfällen Zusatzkosten entstehen, können sich nicht doppelt entschädigen lassen. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied in zwei Fällen, dass Ausgleichszahlungen nach der EU-Fluggastrechteverordnung und Schadenersatzansprüche nach deutschem Recht miteinander verrechnet werden müssen (Az. X ZR 128/18 und 165/18).

Nachfolgend weitere aktuelle Reiserecht-Urteile zu häufig strittigen Punkten im Überblick.

Ärger bei Flugannullierungen


Pauschalreisende können Erstattungsansprüche bei annullierten Flügen nur beim Reiseveranstalter stellen, nicht bei den Airlines selbst. Dies entschied kürzlich der Europäische Gerichtshof (EuGH). Andernfalls würden Fluggesellschaften für Reiseteile verantwortlich sein, die dem Veranstalter obliegen. Das gilt auch, wenn der Reiseveranstalter Insolvenz angemeldet hat (Az. C-163/18). Dabei ist zu beachten: Reisebüros und Online-Reiseportale, die Kunden mindestens zwei verschiedene Leistungen für eine einzelne Reise vermitteln und Zahlungen dafür entgegennehmen, müssen sich seit Juli 2018 gegen Insolvenz versichern. Vor Pleiten von Fluggesellschaften und Hotels, die Kunden über Reisebüros und Internetportale buchen, schützt diese Police allerdings nicht.

Zugunsten von Fluggästen urteilte dagegen das Amtsgericht Königs Wusterhausen: Kann ein ursprünglich wegen eines Fluglotsenstreiks annullierter Flug doch stattfinden, darf die Airline ihn nicht einfach ausfallen lassen, sondern muss die Unzumutbarkeit nachweisen. Andernfalls muss sie Passagiere nach der EU-Fluggastrechteverordnung entschädigen (Az. 4 C 486/17 (2)).

Fluggesellschaften können sich bei Annullierungen zudem nur auf außergewöhnliche Umstände berufen, wenn sie alles in ihrer Macht Stehende versucht haben, um den Flug durchzuführen, urteilte das Amtsgericht Hamburg (Az. 6 C 113/17). Im konkreten Fall wurde eine Maschine nicht überführt, weil der Vorabendflug wegen wetterbedingter Slot-Beschränkungen ausgefallen war.

Streit um Flugverspätungen


Kann ein Flugzeug nicht starten, weil sich Treibstoff auf dem Rollfeld befindet, muss die Airline keine Entschädigung wegen Flugverspätung zahlen. Dies sei ein außergewöhnlicher Umstand, der nicht entschädigungspflichtig sei, urteilte der EuGH (Az. C-159/18). Einzige Ausnahme: Der ausgelaufene Treibstoff stammt von einem Flieger der gleichen Fluggesellschaft.

Führt eine Schraube auf der Landebahn zu Flugverspätungen, können die Passagiere ebenfalls nicht automatisch eine Entschädigung beanspruchen. Es handle sich um einen "außergewöhnlichen Umstand", für den die Fluglinie zunächst nicht verantwortlich sei, urteilte der EuGH (Az. C-501/17). Eine Ausnahme davon gibt es nur, wenn sich die Airline nicht ausreichend um eine Schadenbegrenzung bemüht hat.

Zoff bei verpasstem Anschlussflug


Bei einem verspäteten Anschlussflug außerhalb der EU haben Passagiere auch dann Anspruch auf Entschädigung, wenn die Anschlussflüge nicht von einer europäischen Airline angeboten werden. Entscheidend für den Anspruch sei, dass die gesamte Flugverbindung bei einem europäischen Anbieter gebucht wurde, entschied der EuGH (Az. C-502/18). EU-Fluggesellschaften, die ihre Anschlussflüge in Kombination mit Nicht-EU-Airlinepartnern anbieten, müssen im Zweifel bei Verspätung am Zielflughafen ebenfalls Entschädigungen zahlen. Der Anspruch besteht auch dann, wenn der Ausgangsflug nur wenig verspätet war, dadurch aber der Anschluss an einem Drehkreuz außerhalb der EU verpasst wurde, befand der Bundesgerichtshof (Az. X ZR 93/18).

Konflikte bei Fehlbuchungen


Zu guter Letzt: Verweigert eine Airline die Mitnahme von Passagieren, weil ihr Reiseanbieter falsche Flüge gebucht hat, muss sie dennoch die verhinderten Reisenden entschädigen. Das entschied kürzlich das Amtsgericht Hamburg (Az. 22a C 296/17). Die Fluggesellschaft könne sich in dieser Konstellation nicht darauf berufen, dass keine Buchungen der Pauschalurlauber für den strittigen Flug vorgelegen haben.

Reise-Checkliste


Beschwerdefrist: Bei Pauschalreisen gelten bereits seit Juli 2018 verbraucherfreundlichere Regeln: Die Frist, in der Urlauber nach Rückkehr mögliche Entschädigungsansprüche gegenüber dem Reiseveranstalter geltend machen können, wurde von einem Monat auf zwei Jahre verlängert. Zu beachten: Für spätere Schadenersatzansprüche müssen Reisemängel weiter direkt am Urlaubsort angezeigt und dokumentiert werden.

Beschwerdeadressat: Urlauber können sich nicht nur beim Veranstalter, sondern auch beim Vermittler über auftretende Reisemängel beschweren. Grundsätzlich gilt: Bevor Ansprüche auf Preisminderung und Entschädigung für "entgangene Urlaubsfreuden" ­juristisch durchsetzbar sind, muss der Reiseveranstalter die Chance bekommen, die angezeigten Mängel zu beheben.

Landesrecht: Ferienhäuser und Ferienwohnungen, die über einen Reiseveranstalter ­gebucht werden, fallen nicht mehr unter das deutsche Pauschalreiserecht. Gleiches gilt für Tagesreisen bis zu einem Preis von 500 Euro. Maßgeblich ist stattdessen das Mietrecht des jeweiligen Landes, in dem die Immobilie gelegen ist. Nur wenn das ausländische Objekt auf lange Sicht (vor Juli 2018) gebucht wurde, gilt noch das alte Recht.

Reisepreiserhöhungen: Veranstalter dürfen den Preis nur bis zu 20 Tage vor Reisebeginn erhöhen. Zumutbar sind Aufschläge von maxi­mal acht Prozent. Die Kostenerhöhung muss mit gestiegenen Treibstoffkosten, Abgaben oder Wechselkursen belegbar sein.

Reisepreisminderungen: Besteht ein Veranstalter auf Preiserhöhungsklauseln im ­Reisevertrag, dürfen Kunden im Gegenzug Preissenkungen fordern, wenn seine Ausgaben nachweislich sinken. In dieser Konstel­lation müssen Verbraucher belegen, dass seit der Reisebuchung Abgaben oder Treibstoffkosten gesunken sind - oder das Wechselkursverhältnis sich günstiger gestaltet.