Das Bundesfinanzministerium reagiert mit Anwendungsschreiben auf  das Verfassungsgerichts-Urteil zu Steuerzinsen - und nutzt dabei alle Schlupflöcher. Von Stefan Rullkötter

Der hohe Steuerzinssatz von sechs Prozent ist seit 2014 verfassungswidrig. Er wird fällig, wenn sich eine Steuernachzahlung oder -erstattung um mehr als 15 Monate verzögert. Weniger als einen Monat, nachdem das Bundesverfassungsgericht diese Entscheidung veröffentlicht hat, reagiert das Finanzministerium (BMF) nun mit einem neuen Anwendungsschreiben für Finanzämter (Gz. IV A 3 - S 0338/19/10004 :005).

Dabei nutzt es ein Schlupfloch, das die roten Roben geöffnet haben: Die Verzinsung muss erst ab 2019 rückwirkend neu geregelt werden, für die Jahre 2014 bis 2018 kann alles beim Alten bleiben. Deshalb sind laut BMF nur für Verzinsungszeiträume ab 1. Januar 2019 Nachzahlungs- und Erstattungszinsen vorerst nicht festzusetzen.

Diese Veranlagungen werden von der Finanzverwaltung nachgeholt, sobald die unklare Rechtslage beseitigt ist. Experten erwarten, dass der Steuerzinssatz dann um die Hälfte auf drei Prozent pro Jahr reduziert wird. Voraussichtlich aber erst im nächsten Sommer: Das Verfassungsgericht räumt dem Gesetzgeber für eine Neuregelung eine großzügige Frist bis zum 31. Juli 2022 ein.