Wer seine Stromrechnung senken will, muss sich nicht selbst einen neuen Anbieter suchen. Wechseldienstleister versprechen, die Suche und den Wechsel dauerhaft zu übernehmen. Von Ulrich Lohrer

Strom ist so teuer wie noch nie. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Kosten dafür im Durchschnitt um sechs Prozent gestiegen. Laut dem Vergleichsportal Verivox wurde Anfang Mai ein histori­scher Rekordpreis von durchschnittlich 29,60 Cent pro Kilowattstunde erreicht. Weil vom Strompreis allein der Staat 53 Prozent für Umsatzsteuer, Stromsteuer, Abgaben und EEG-Umlagen kassiert und die Netzanbieter etwa 23 Prozent Gebühren vereinnahmen, ist der Preisspielraum für die Stromanbieter relativ gering. Dennoch reichen die Preisunterschiede, durch den Wechsel des Anbieters viel Geld sparen zu können - ganz gleich, ob man sich selbst um den Wechsel kümmert oder einen Dienstleister damit beauftragt.

Die Möglichkeit des Wechsels nutzen seit der Liberalisierung der Strommarkts 1996 immer mehr Haushalte. "2016 lag die Lieferantenwechselquote bezogen auf Haushaltskunden bei 11,4 Prozent", hieß es Ende 2017 im Monitorbericht "Elek­trizitätsmarkt-Einzelhandel" der Bundesnetzagentur. Allerdings bleibt die große Mehrheit der Haushalte ihrem Versorger treu. Ungefähr drei Viertel sind Kunden eines Grundversorgers, also des örtlichen Strom- und Gasanbieters. 30 Prozent haben gar noch den Grundversorgungsvertrag, also die teuerste Vertragsvariante.

Nach einer Untersuchung von Sven Heim, Professor an der Mines ParisTech in Paris, mit drei weiteren Wissenschaftlern bieten die Grundversorger zwar oft einen günstigen Tarif an, um Wechselwillige von der Abwanderung zur Konkurrenz abzuhalten. Ihre treuen Kunden in den Grundversorgungstarifen diskriminieren sie allerdings mit hohen Preisen. "Sie erhöhen den Grundversorgertarif, um mehr an Kunden zu verdienen, bei denen ein Wechsel unwahrscheinlich ist", sagt Heim. "Dies sind oft ältere Menschen, die weniger vertraut mit dem Internet und den Preisvergleichseiten sind."

Stromkunden scheuen Wechselaufwand


Bei einer Umfrage im Auftrag der Unternehmensberatung Pwc gaben Verbraucher verschiedene Gründe an, weshalb sie nicht wechseln wollen. 76 Prozent sind mit ihrem jetzigen Anbieter zufrieden. 14 Prozent sagten, bei einem Wechsel schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht zu haben. Tatsächlich gingen in der Vergangenheit einige günstige Stromanbieter wie Teldafax, Flexstrom, CareEnergy und zuletzt BEV in die Insolvenz. Auch wenn die Verbraucher dann nicht damit rechnen müssen, dass ihr Strom abgedreht wird, weil der regionale Grundversorger grundsätzlich einspringt, so können doch gezahlte Abschläge verloren gehen. Zehn Prozent der Wechselunwilligen fürchten sich vor unseriösen Anbietern und 14  Prozent haben bei einem Wechsel generell ein ungutes Gefühl. 13 Prozent ist der Wechselaufwand zu groß.

Neue Wechseldienstleister versprechen Abhilfe. Mit Slogans wie "Mein Tarifaufpasser - ab sofort nie mehr zu viel berechnet bekommen" offerieren sie seit etwa fünf Jahren einen Wechselservice für Strom und Gas. Ein Preisüberblick über Plattformen wie Verivox oder Check24 ist zwar schon lange möglich, doch müssen Verbraucher bei Preiserhöhungen selbst aktiv werden und dürfen ihre Kündigungsfristen nicht verpassen.

Viele Wechseldienstleister versprechen ihren Kunden nicht nur günstigste Angebote, sondern auch, insolvenzgefährdete Anbieter auszusortieren und den kompletten Wechselvorgang abzuwickeln. Auch sichern sie für die Folgejahre zu, sich kontinuierlich um weitere Vergünstigungen durch Wechsel zu kümmern. Dafür erheben die meisten Anbieter auf die eingesparten Stromkosten eine Provision, die 20 bis 30 Prozent beträgt. Die Provision zahlt sich für bequeme Verbraucher meistens aus. "Für sie sind diese Dienstleistungen ideal - vorausgesetzt, sie können dem Anbieter vertrauen", so Heim. Ein von der Stiftung Warentest durchgeführter Test bestätigt den Vorteil der Wechseldienste für bequeme Kunden. Von neun getesteten Anbietern wurden vier mit "sehr empfehlenswert" (eSave, Switchup, Wechselpilot, Wechselstrom), drei mit "empfehlenswert" (Cheap­energy, Switchandsave, Wechselfabrik) und nur zwei mit "nicht empfehlenswert" bewertet. Die sechs besten Wechselanbieter finden Sie in der Tabelle unten links. Bei allen lässt sich als Vorgabe Ökostrom auswählen. Dann beschränkt sich die Suche auf die günstigsten Anbieter, die ohne Strom aus Atomkraft, Kohle, Braunkohle, Gas und Öl auskommen.

Das Vorgehen ist einfach. Um einen Wechseldienst zu beauftragen, klicken Verbraucher dessen Internetseite an und geben am besten mithilfe der alten Stromrechnung Jahresverbrauch, den aktuellen Versorger und den gewählten Tarif ein. Die Empfehlungen erhalten sie direkt auf der Internetseite oder per E-Mail. Der Verbraucher kann sich dann für ein Angebot entscheiden und den Dienst beauftragen, den Wechsel zum günstigeren Versorger durchzuführen. Dieser begrüßt den neuen Kunden und die meisten Dienstleister buchen ihre Provision ab. Etwa drei bis vier Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist erhält der Stromkunde vom Wechseldienst neue Angebote.

Um den Wechsel erneut auszulösen, werden je nach Dienstleister unterschiedliche Modelle angewandt: Bei dem Zustimmungsmodell (zum Beispiel bei Wechselfabrik) wird der Wechsel nur eingeleitet, wenn der Kunde einen Tarifvorschlag aktiv annimmt. Bei anderen Anbietern erfolgt der Wechsel automatisch, sofern der Verbraucher dem Vorschlag nicht innerhalb einer Frist widerspricht.

Verbraucherschützer skeptisch


Einige Verbraucherzentralen (VZ) sehen die Wechseldienste kritisch. "Verbraucher erhalten nicht wirklich die transparente Leistung, die ihnen versprochen wird", so Matthias Bauer von der VZ Baden-Württemberg.

Es sei nicht nachvollziehbar, nach welchen Kriterien manche Anbieter aussortiert werden und wie die Anbieter künftig mit den Kundendaten umgehen. In einer Untersuchung der Vertragsbedingungen der Wechseldienste ("Wechseln lassen, statt selber wechseln") bemängelten die Marktwächter Energie der VZ Niedersachsen, es sei nicht immer ersichtlich, ob ein Angebot verbindlich sei und ob eine unterjährige Preisoptimierung vorgenommen werde. Auch könnten Provisionen fällig werden, wenn der Strompreis nicht sinke oder gar steige. Laut Studie waren die von den Wechseldiensten vorgeschlagenen Angebote allerdings tatsächlich oft sehr günstig.