Der 30. September 2018 ist für Bankkunden weltweit ein wichtiges Datum. Ab dem Tag startet der automatische Informationsaustausch (AIA) voll durch. Das Abkommen erlaubt den aktuell 102 Vertragsstaaten, künftig in großem Umfang Daten von Auslandskonten und -depots ihrer Staatsbürger abzurufen. Steuerstrafrechtsexpertin Alexandra Kindshofer erklärt mögliche juristische Fallstricke für Anleger und ihre Erben.

BÖRSE ONLINE: Geschätzt 200 Milliarden Euro Schwarzgeld sollen Deutsche noch auf Konten und Depots im Ausland gebunkert haben. Welche Folgen hat der AIA für diese Personengruppe?


Alexandra Kindshofer: Dadurch wird es für reuige Anleger zunehmend schwierig, ihre unversteuerten Einkünfte noch rechtzeitig offenzulegen. Denn auch die Voraussetzungen für eine strafbefreiende Selbstanzeige sind in den letzten Jahren stetig und massiv verschärft worden.

Was ist vor Abgabe einer Selbstanzeige grundsätzlich zu beachten?


Eine Selbstanzeige ist nur wirksam, wenn der Steuerpflichtige vollständig falsche Angaben berichtigt oder von ihm unterlassene Angaben nachholt. Der Fiskus muss auf Grundlage der Selbstanzeige die betreffenden Zeiträume korrekt veranlagen können. Aus dem Grund sollten betroffene Bankkunden eine Selbstanzeige nicht im Alleingang oder mittels eines aus dem Internet heruntergeladenen Musterformulars erstellen. Denn schon kleinste Fehler können zum Scheitern der Selbstanzeige führen. Sie kann in einem nachfolgenden Prozess dann nur noch als eine "missglückte Selbstanzeige" strafmildernd gewertet werden.

Wann ist es in jedem Fall zu spät dafür?


Wenn Steuerhinterzieher damit rechnen müssen, dass ihre Straftat bereits entdeckt worden ist, bleibt eine Selbstanzeige wirkungslos. Zu spät kommt sie in jedem Fall, wenn Betroffene bereits wissen, dass es eine Prüfungsanordnung der Finanzbehörden gibt oder ihnen die Einleitung eines Strafverfahrens amtlich bekannt gegeben worden ist. Gleiches gilt, wenn Finanzbeamte schon mit dem Durchsuchungsbeschluss vor der Wohnung oder dem Betrieb stehen.

Was ist bei einer Selbstanzeige in puncto Verjährung zu beachten?


Die Verjährungsfrist für Steuerhinterziehung beträgt grundsätzlich fünf Jahre, in besonders schweren Fällen sind es zehn Jahre. Sie beginnt mit der Bekanntgabe des falschen Steuerbescheids zu laufen. Die Frist für die steuerrechtliche Verjährung beträgt - abweichend von den strafrechtlichen Bestimmungen - grundsätzlich zehn Jahre und läuft ab der Bekanntgabe des falschen Steuerbescheids. Wurde aber überhaupt keine Steuererklärung abgegeben, kann das Finanzamt nicht gezahlte Abgaben sogar rückwirkend für einen Zeitraum von bis zu 13 Veranlagungsjahren nachfordern.

Der AIA dürfte künftig auch vielen Erben in Deutschland Probleme bereiten. Denn es existieren noch zahlreiche ungeklärte Auslandskonten und -depots, von denen die unwissenden Nachkommen bald vom Finanzamt erfahren werden ...


Auch betroffene Erben dürfen vor Abgabe einer Selbstanzeige nicht vergessen, die exakte Höhe von Schenkungen und Erbschaften, die dem Finanzamt bisher nicht bekannt gegeben wurden, zu ermitteln - und zeitgleich deren aktuellen Wert exakt zu beziffern.

Österreich war eine der letzten Fluchtburgen für deutsches Schwarzgeld, weil das Bankgeheimnis in der Alpenrepublik Verfassungsrang hat. Gilt dieser Schutz künftig noch für alle Bankkunden?


Das österreichische Bankgeheimnis bietet ausländischen Bankkunden, also auch sämtlichen in Deutschland steuerpflichtigen Anlegern, ab dem Meldestichtag 30. September keinen Schutz mehr.

Was ist zu beachten, wenn man für nicht deklarierte Österreich-Konten und Depots jetzt noch reinen Tisch machen will?


Für Geldanlagen mit mehr als einer Million US-Dollar Guthaben ist Eile geboten, um noch rechtzeitig eine strafbefreiende Selbstanzeige abzugeben. Diese werden von Österreich erstmals zum 30. September gemeldet. Wann genau entsprechende Steuerstraftaten bei deutschen Finanzämtern als entdeckt gelten, ist aber derzeit nicht vorhersehbar.

Wie lange dauert es, wenn man Bankunterlagen nun aus Österreich anfordert?


Das hängt vom Kreditinstitut und vom Umfang der angeforderten Daten ab. Die Zeitspannen bewegen sich zwischen wenigen Wochen und mehreren Monaten.

Was tun, wenn man auf die Schnelle nicht alle Unterlagen zusammenbekommt?


Ein Ausweg kann in dieser Konstellation eine "Selbstanzeige in Stufen" sein. Dazu werden in einem ersten Schritt die nachzuerklärenden Beträge mit einem Sicherheitszuschlag geschätzt und der Finanzverwaltung mitgeteilt. In einem zweiten Schritt übermittelt der Steuerpflichtige der Finanzverwaltung die konkreten Zahlen zu den geschätzten Beträgen. Dabei ist entscheidend, dass auf der ersten Stufe die Werte richtig oder höher geschätzt werden - eine zu niedrige Schätzung kann zur Unwirksamkeit der abgestuften Selbstanzeige führen.



Zur Person: Alexandra Kindshofer ist Fachanwältin für Steuerrecht in München