Mal ist das Dach kaputt, mal muss das Treppenhaus oder der Lift saniert werden oder die Fassade braucht einen neuen Anstrich - wenn Häuser älter werden, müssen Eigentümer schon mal größere Summen in ihre vier Wände stecken. In Mehrfamilienhäusern mit verschiedenen Eigentümern ist das nicht immer einfach. Der eine Wohnungsbesitzer ist knapp bei Kasse, ein anderer hält die Sanierung für überflüssig - das Miteinander in solchen Wohnungseigentümer-Gemeinschaften, kurz WEG, birgt so viel Konfliktpotenzial, dass die Streitigkeiten die Terminkalender der Gerichte seit Jahren füllen und nicht wenige Verwalter viel Arbeitszeit darauf verwenden, Streit zu schlichten.

In Deutschland gibt es schätzungsweise 400000 Eigentümergemeinschaften mit etwas mehr als neun Millionen Wohnungen. Die kleinsten WEG bestehen aus nur zwei Eigentümern, manchmal gehören aber auch gleich einige Hundert dazu. In größeren Gemeinschaften betreut ein Verwalter das gemeinsame Eigentum, was mitunter ebenfalls für Probleme sorgt. Nun wird das für WEG wichtige Wohnungseigentumsgesetz reformiert. Zeit wird’s, meinen nicht wenige, denn das Gesetz, das Rechte und Pflichten der Eigentümer regelt, ist, um im Bild zu bleiben, ein Altbau. Es stammt aus dem Jahr 1951 und wurde seitdem kaum renoviert. Die Gesetzesnovelle soll zum 1. Dezember 2020 in Kraft treten. Die wichtigsten Neuerungen:

Die Gemeinschaft. Meins, deins, unser - so könnte der Slogan für Eigentümergemeinschaften lauten. Deren Eigentum teilt sich nämlich in Sonder- und Gemeinschaftseigentum auf. Vereinfacht kann man sagen: Die Wohnung gehört dem Eigentümer, also beispielsweise die Badewanne, die Tapeten und nicht tragende Wände. Außentüren, Heizungsanlagen oder Fenster zählen in der Regel zum Gemeinschaftseigentum. Die Reform bringt eine wichtige Neuerung: Terrassen, bestimmte Gartenflächen oder Stellplätze für Fahrzeuge können jetzt Sondereigentum werden. "Die Änderung stellt für die Eigner einen Pluspunkt dar. Wer zum Beispiel einen eigenen Gartenanteil hat, kann den nun gestalten, wie er möchte", erklärt Julia Wagner, Referentin Recht im Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland.

Mindestens einmal im Jahr treffen sich die Eigner einer WEG. Gemeinsam entscheiden sie unter anderem über die Jahresabrechnung und Sanierungen. Wer künftig eine Einladung zur Mitgliederversammlung erhält, sollte den Termin unbedingt wahrnehmen. Die Reform sorgt nämlich dafür, dass Beschlüsse leichter zustande kommen. "Künftig ist die Versammlung immer beschlussfähig, selbst wenn nur ein Teil der Eigentümer teilnimmt", betont Gabriele Heinrich, Vorstand des Verbrauchervereins Wohnen im Eigentum. Wer also bei wichtigen Fragen mitreden und mitentscheiden möchte, muss den Termin wahrnehmen. "Das gilt auch für Kapitalanleger, die eine Wohnung vielleicht nur aus steuerlichen Gründen gekauft haben, sie vermieten und selbst weit weg wohnen", sagt Kai-Peter Breiholdt, Fachanwalt für Miet- und WEG-Recht. Immerhin wird es mit der Reform möglich, auch online beim Treffen dabei zu sein.

Stellen die Eigentümer einen Verwaltungsbeirat, unterstützte der den WEG-Verwalter bislang nur. Künftig bekommt dieses Gremium mehr Macht. Es darf den Verwalter kontrollieren. "Das ist eine Verbesserung, denn früher haben die Gerichte bei Klagen gegen den Verwalter oft argumentiert, die Beiräte hätten keine Kontrollfunktion", erklärt Verbraucherschützerin Heinrich. Solch ein Beirat kann beliebig viele Mitglieder haben. "Die müssen mit einer gewissen Vorsicht agieren und sich gegebenenfalls absichern. Sie haften nämlich bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit", betont Anwalt Breiholdt.

Die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums soll zudem nicht mehr den einzelnen Wohnungseigentümern, sondern der Gemeinschaft der Eigentümer obliegen. Damit sind Beschlussklagen künftig gegen die Gemeinschaft zu richten. In der Praxis bedeutet das: Ist einer der Eigentümer nicht mit dem Verwalter zufrieden und möchte gegen ihn klagen, kann er das nicht mehr allein, sondern nur mit den anderen Eignern. "Auf diese Weise möchte man Querulanten Einhalt gebieten", sagt Wagner.

Eigentümergemeinschaften taten sich bisher schwer, bestimmte Sanierungsprojekte voranzubringen. Wenn es um besondere Baumaßnahmen ging, denen alle oder alle betroffenen Eigentümer zustimmen mussten, wurden die Projekte gelegentlich von einzelnen WEG-Mitgliedern blockiert. Ein zentraler Punkt der Reform ist darum, solche Modernisierungen leichter möglich zu machen. Künftig reichen für Abstimmungen über bauliche Maßnahmen einfache Mehrheiten. Einzelne Eigentümer haben in Zukunft sogar ein Recht auf bestimmte bauliche Veränderungen. Wer sich auf eigene Kosten eine Lademöglichkeit für ein Elektrofahrzeug einbauen lassen möchte, einen barrierefreien Aus- und Umbau plant oder sich Maßnahmen zum Einbruchschutz sowie den Zugang zu einem schnellen Internet wünscht, kann das durchsetzen.

Möchte ein Eigentümer zum Beispiel einen Aufzug, weil er im fünften Stock wohnt und gehbehindert ist, darf er sich den einbauen lassen. Die WEG darf aber über die Ausführung bestimmen. Er muss die Maßnahme allerdings selbst bezahlen. "In der Praxis wäre es natürlich besser, wenn sich die anderen Eigentümer beteiligen. Dann dürfen sie den Aufzug ebenfalls nutzen", gibt Julia Wagner zu bedenken.

Künftig müssen nur dann alle Eigentümer eine Maßnahme bezahlen, wenn zwei Drittel von ihnen zugestimmt haben. Und das auch nur, wenn die Veränderung nicht mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist. Damit wolle man wohl finanziell nicht so gut gestellte Eigner vor Luxussanierungen schützen, meint Rechtsexpertin Wagner.

Anders sieht es aus, wenn sich die Kosten innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren. Dann müssen alle zahlen. Allerdings wurde nicht konkret festgelegt, was unter einem angemessenen Zeitraum zu verstehen ist. "Das werden am Ende vermutlich die Gerichte entscheiden", meint Gabriele Heinrich.

Nicht ganz unberechtigte Zweifel haben die Fachleute auch bei der Regelung, dass ansonsten bei baulichen Veränderungen nur die Eigentümer zahlen, die einer Maßnahme zugestimmt haben. "Wer sich zum Beispiel weigert, für den Einbau neuer Fenster zu stimmen, muss nicht zahlen, wenn die neue Zweidrittelmehrheit nicht erreicht wird, profitiert am Ende aber trotzdem davon", sagt Julia Wagner. Damit seien Streitigkeiten programmiert. Es gebe zwar Möglichkeiten, diese Schwierigkeit zu lösen, meint die Rechtsexpertin. "So kann man Beschlüsse unter bestimmten Bedingungen fassen, um sie später per Beschluss zurückzunehmen", sagt sie. Das sei machbar, aber kompliziert.

Was Verwalter dürfen. Über die notwendige Qualifikation der Verwalter ist in den vergangenen Jahren viel debattiert worden. Verbraucherschützer und Berufsverbände forderten immer wieder einen sogenannten Sachkundenachweis. Die Lösung des Gesetzgebers sieht folgendermaßen aus: Nach einer Übergangsfrist kann jeder Eigentümer in einer WEG mit mehr als acht Einheiten verlangen, dass ein von der Industrie- und Handelskammer zertifizierter Verwalter bestellt wird. Allerdings muss eine Rechtsverordnung die Einzelheiten dazu noch klären. Ein weiterer Bestandteil der Reform: Die WEG können künftig Verwalter, mit denen sie nicht zufrieden sind, jederzeit abberufen. "Die Abberufung ist auch ohne wichtigen Grund möglich", erklärt Gabriele Heinrich und betont: "Die vertraglichen Ansprüche des Verwalters auf Bezahlung erlöschen spätestens sechs Monate später." Vor der Gesetzesänderung mussten WEG den geschassten Verwalter oft noch so lange bezahlen, wie der Vertrag lief. Im Gegenzug dürfen Verwalter die WEG in Zukunft gegenüber Geschäftspartnern vertreten und Verträge abschließen. Ausgenommen sind dabei Grundstücksgeschäfte und Kredite.

"Wenn das Dach kaputt war, konnte ein Verwalter bislang nicht einfach einen Dachdecker mit der Reparatur beauftragen", berichtet Julia Wagner. Das sei nun anders. "Verträge, die der Verwalter schließt, sind wirksam. Sie müssen aber im Nachhinein durch die WEG genehmigt werden. Sonst könne sich der Verwalter gegenüber der WEG schadenersatzpflichtig machen.