Mit Robinhood fing alles an. Vor acht Jahren. Der US-Broker war der Erste, der Tradern den kostenlosen Börsenhandel anbot. Mit Erfolg: Ende 2020 hatte Robinhood in den USA mehr als 13 Millionen Nutzer. Das lockte Nachahmer an, auch in Deutschland. Seit gut zwei Jahren sind Zerobroker hierzulande aktiv, versprechen Privatanlegern den kostenlosen Börsenhandel.

Doch wie soll das gehen? Wer sein Depot bei einem traditionellen Onlinebroker hat, bezahlt für jeden ausgeführten Kauf- oder Verkaufsauftrag eine Provision an seinen Broker. Diese beträgt in der Regel mindestens fünf bis zehn Euro. Verlangen Dritte, die in den Deal involviert sind - etwa Börsen, Clearingstellen oder Market Maker - ebenfalls Geld, so muss auch diese Fremdkosten im Normalfall der Anleger zahlen. Hier können je nach Börse durchaus nochmals zwei bis drei Euro als Mindestgebühr fällig werden - allerdings nicht an jeder Börse.

Kickbacks für die Broker

Manchmal ist es sogar umgekehrt: Einige Market Maker, die für reibungslosen Handel sorgen, zahlen sogar dafür, dass über sie geordert wird. Denn sie verdienen an jedem Deal, der über sie läuft (siehe "Ärger mit der Aufsicht"). Nur bekommt der Kunde von den Rückvergütungen in der Regel nichts ab - und meist nicht mal was davon mit. Denn diese Kickbacks - im Fachjargon "Payment for Order Flow" (PFOF), auf Deutsch etwa "Bezahlung für zugeführte Orders" genannt - verbleiben bei den Onlinebrokern. Hier kommen dann die Neobroker ins Spiel: Sie haben sich auf Börsen, etwa Gettex, LS Exchange oder Quotrix, ausgerichtet, wo Market Maker sie für den Orderfluss bezahlen.

Zudem sind Neobroker extrem effizient: Eine schlanke App fürs Smartphone genügt. Kein Schnickschnack, kaum kostenlose Services oder Zusatzleistungen. Und: nur wenige angebundene Handelsplätze. An denen man schon mit kleinem Geld traden kann: Die Mindestordergröße liegt zwischen 0,01 Euro und 500 Euro. Beides sorgt dafür, dass diese Neobroker ihren Kunden den Börsenhandel kostenlos anbieten können oder allerhöchstens eine kleine Pauschalgebühr von 99 Cent beziehungsweise einem Euro verlangen. Das lockt besonders junge, technikaffi- ne Anleger mit kleinem Portemonnaie.

Erster Test der Zerobroker

Der Boom der Zerobroker und die damit einhergehende Erschließung neuer Trader-Gruppen waren für die Redaktion von €uro am Sonntag die Gründe, erstmals zu ermitteln, was die Newcomer unter den Brokern wirklich bieten. Und natürlich, ob das Traden bei ihnen tatsächlich kostenlos ist.

Dafür machten sechs in Deutschland aktive Zero- oder Smartphone-Broker ausführliche Angaben zu insgesamt sieben Brokerage-Modellen: BUX Zero, Finanzen.net Zero (früher: Gratisbroker), Just Trade, Nextmarkets, Scalable Free Broker, Scalable Prime Broker sowie Trade Republik. Für jedes Angebot wurden über 400 Angaben zu vier Haupt- und 17 Unterkategorien abgefragt. Die Angaben wurden mit Punkten bewertet und diese dann in Noten umgerechnet (siehe "So wurde gewertet").

Doch bestehen zwischen "umsonst traden" und "umsonst traden"überhaupt Unterschiede? Ja, durchaus. Das fängt schon bei den Grundgebühren an. Bei sechs der sieben untersuchten Offerten gibt es keine solche Gebühr. Bei Scalable Prime Broker dagegen schon. Nur nennt die sich nicht altbacken "Depotgebühr", sondern ganz neudeutsch hip "Flatrate". Die Gegenleistung für 35,88 Euro im Jahr: kostenloses Traden, zumindest an einer von zwei angebotenen Börsen.

Apropos Börsen: Die meisten Zerobroker bieten lediglich den Handel an einer einzigen Börse an. Nextmarkets und Finanzen.net Zero setzen dabei auf Gettex. Diese Börse ist auch bei Scalable Broker in beiden Tradingmodellen der günstigste Handelsplatz. Daneben bietet Scalable als einziger Neobroker auch den Xetra-Handel an. Doch der kostet deutlich mehr: Je Order ist man mindestens mit insgesamt 5,49 Euro dabei. Das sind dann Preise, die Trader schon von günstigen Discountbrokern kennen.

Trade Republic wiederum setzt als einziger Neobroker auf LS Exchange. Sollte es dort zu einer Handelsstörung kommen, werden Orders an Tradegate Exchange geleitet. Ein solches Backup sucht man bei einigen anderen Zerobrokern vergeblich. Jedoch können Trade- Republic-Kunden Tradegate Exchange nicht selbst auswählen. Das ist bei Just Trade anders. Dieser Zerobroker hat mit LS Exchange, Quotrix und Tradegate Exchange bei den untersuchten Anbietern die größte Anzahl an Börsenplätzen, die zudem von den Tradern frei gewählt werden können.

Besonderheiten beim Ordern

Auf wieder einen anderen Handelsplatz setzt die niederländische BUX Zero. Deren Trades laufen über das automatische Orderrouting-System Equiduct. Hier werden die BUX-Zero-Kundenorders gebündelt und erst zu fixen Zeiten gegen Börsenschluss ausgeführt. Das macht es für Kunden recht unkalkulierbar, zu welchem Kurs ihre Orders letztlich zustande kommen. Die Ausführung selbst kann an den unterschiedlichsten Börsen in Europa stattfinden. Wer seine Order dagegen sofort oder limitiert ausgeführt wissen will, muss bei BUX ?Zero je Order einen Euro zahlen.

Generell sind Einzelorders bei BUX Zero ebenso wie bei Finanzen.net Zero und Just Trade aber komplett kostenfrei. Allerdings beträgt das Mindestordervolumen bei Finanzen.net Zero und JustTrade relativ gesehen recht hohe 500 Euro. Bei Nextmarkets lassen sich Volumen ab 0,01 Euro handeln, kostenlos ist der Handel aber erst ab Volumina von mindestens 250 Euro. Darunter wird je Trade ein Euro fällig.

Eine Fremdkostenpauschale in dieser Höhe verlangt Trade Republic dagegen immer. Bei Scalable sind die Gebühren vom Tradingmodell abhängig: Bei Free Broker zahlt man je Einzelorder an Gettex 0,99 Euro, im Flatfee-Modell Prime Broker sind diese Orders dagegen kostenlos. Wer jedoch auf Xetra traden will, ist bei Scalable unabhängig vom Tradingmodell mindestens 5,49 Euro los.

Handelbare Wertpapiere

Auch das Angebot an handelbaren Wertpapieren unterscheidet sich deutlich: So lassen sich bei BUX Zero mehr als 1.700 Aktien handeln, bei Just Trade und Trade Republic sind es dagegen über 8.000. Die anderen Anbieter liegen mit 4.000 bis 6.000 Titeln dazwischen. Noch deutlicher sind die Unterschiede bei ETFs. Auch hier ist BUX Zero mit 50 handelbaren ETFs das Schlusslicht. Scalable bietet mehr als 1.900. Gemanagte Investmentfonds lassen sich dagegen nur bei Finanzen.net Zero (2.000 Fonds) und Scalable (2.100 Fonds) handeln. Bei Optionsscheinen und Zertifikaten passen BUX Zero und Nextmarkets komplett, bei den anderen ist das Angebot ausreichend bis sehr gut.

Wer hingegen direkt in Kryptowährungen investieren will, kommt an Just Trade praktisch nicht vorbei. Dieser Zerobroker bietet den direkten Handel mit zwölf Kryptos, hinzu kommen 14 Krypto-ETPs. Bei Nextmarkets und Trade Republic sind vier Kryptos direkt handelbar. Bei Finanzen.net Zero und Scalable lassen sich Kryptos lediglich indirekt mittels ETPs handeln.

Dagegen ist Just Trade - ebenso wie Nextmarkets - bei Wertpapiersparplänen derzeit (noch) völlig blank. Andere haben Sparpläne längst im Angebot. Am größten ist es mit mehr als 1900 sparplanfähigen ETFs und mehr als 1.000 sparplanfähigen Aktien bei Scalable.

Die Ergebnisse

Und wer ist der beste "Umsonstbroker"? Nun, im Bereich "Brokerage-Angebot" liegt Trade Republic mit 209,70 von 350 Punkten vor Just Trade mit 189,78 Punkten und Scalable Free Broker mit 186,87 Punkten (siehe auch Tabellen unten). Bei "Kosten und Zinsen" kommt ebenfalls Trade Republic mit 250,37 von 350 Punkten auf den ersten Platz, diesmal vor Scalable Free Broker mit 218,78 Punkten und Just Trade mit 195,38 Punkten. In der Kategorie "Sicherheit und Steuern" lässt dagegen Just Trade mit 185,05 von 250 Punkten alle hinter sich. Auf Platz 2 liegen mit je 172,75 Punkten der Free und der Prime Broker von Scalable gleichauf. Und in Sachen "Research & Information" kamen mit BUX Zero und den beiden Scalable-Offerten gleich drei Angebote mit jeweils 26,85 Punkten auf Platz 1.

Den Gesamtsieg über alle vier Kategorien fuhr Trade Republic mit insgesamt 641,96 Punkten ein. Scalable Free Broker kam mit 605,25 Punkten auf den zweiten Platz. Mit einem Abstand von knapp 15 Punkten erreichte Just Trade dahinter Platz 3.

Übrigens: Die drei Erstplatzierten liegen so dicht beieinander, dass sie alle mit der Bestnote "sehr gut +" ausgezeichnet werden konnten. "Sehr gut" erhielt Scalable Prime Broker, die Note "gut" ging an Finanzen.net Zero und Nextmarkets.

 


Ärger mit der Aufsicht

Um PFOF gibt’s derzeit viel Zoff - zwischen Neobrokern und Aufsicht. Und Zoff diesseits und jenseits des Atlantiks. So zieht die EU-Wertpapieraufsicht ESMA bei Zerobrokern die Zügel etwas fester an, die sich über Rückvergütungen für zugeleitete Orders finanzieren. Dieses "Payment for Order Flow" (PFOF) ist seit Jahren üblich und in der EU auch generell erlaubt. Jedoch dürfen seit 2018 solche Kickbacks nur noch dafür verwendet werden, die Dienstleistungsqualität zu verbessern. Sie dürfen nicht mehr der Finanzierung genereller Kosten des Wertpapierhandels oder der Umsetzung aufsichtsrechtlicher Mindestanforderungen dienen. Und den Gewinn der Broker erhöhen, das dürfen PFOFs auch nicht.

Interessenkonflikt. Market Maker, die an einigen Börsen wie Gettex, LS Exchange oder Quotrix dafür sorgen, dass immer genügend Wertpapiere für einen fortlaufenden Handel zur Verfügung stehen, zahlen PFOF an alle Broker, die ihnen Orders zuführen, nicht nur an Zerobroker. Doch nur diese haben ein Problem damit: Sie sind so effizient, dass sie allein von den Kickbacks leben können - und müssen. Denn relevante andere Einnahmequellen haben sie meist nicht. Und damit beginnt auch schon der Ärger mit den Aufsichtsbehörden. Diese befürchten genau deswegen einen Interessenkonflikt. Die PFOF-Praxis sei ein Anreiz für die Zerobroker, jenen Anbieter auszuwählen, der für Orders am meisten zahle - und nicht denjenigen, der für die Kunden das beste Ergebnis erziele, so der Verdacht der ESMA.

Hintergrund. Doch weshalb zahlen Market Maker überhaupt Geld, wenn Börsenorders über sie weitergeleitet werden? Weil sie an jeder ausgeführten Order verdienen. Zum einen können sie passende gegenläufige Orders direkt "matchen". Heißt: Ein passender Kauf- und ein passender Verkaufsauftrag werden direkt und kostengünstig gegeneinander ausgeführt. Oder, so eine weitere Befürchtung der ESMA, sie könnten den Spread, also den Abstand zwischen An- und Verkaufskurs, ein klein wenig zu ihren Gunsten ändern, ohne dass Anleger davon etwas mitbekommen.

Kundenvorteil. Die Neobroker weisen die ESMA-Verdächtigungen weit von sich. Ihre Argumentation: Über den nahezu kostenfreien Handel werde der finanzielle Vorteil, der aus den Kickbacks resultiere, fast vollständig an die Kunden weitergegeben. Zudem seien die Kurse an Xetra gekoppelt. "Wir überprüfen unsere Kursqualität laufend. Diese ist untertags im Durchschnitt sogar besser als auf Xetra", erläutert Trade-Republic-Mitgründer Christian Hecker. Ähnlich sieht es die Börse Gettex: "Unsere regelmäßigen Auswertungen der Spreads bestätigen die hohe Preisqualität auf Gettex." Auch die Stiftung Warentest konnte während monatelanger Testkäufe über Zerobroker "bei bekannten Aktien und ETFs keine nennenswerten Aufschläge gegenüber dem Xetra-Handel feststellen". Ob die Aufseher sich diesem Befund anschließen, wird man sehen.

In den USA jedenfalls hat die Börsenaufsicht SEC die Gangart verschärft: Sie droht ganz offen mit einem PFOF-Verbot. Das würde insbesondere Robinhood, den Urvater aller Zerobroker, hart treffen. Dieser erzielt 75 Prozent der Umsätze mit PFOF. Dass die Drohung keine heiße Luft sein muss, zeigen Kanada, Australien, Großbritannien und die Niederlan- de: Dort wurden Kickbacks bereits verboten.

 


 


So wurde getestet:

Im Test: Sieben in Deutschland offerierte Brokerage-Angebote von Zerobrokern. Dabei wurden in vier Kategorien und 17 Unterkategorien über 400 Aspekte der Brokerage-Angebote (Standardkonditionen) bewertet.

Bewertung: Insgesamt konnten maximal 1.000 Punkte erzielt werden. Diese verteilten sich wie folgt auf die fünf Kategorien des Tests. In der ersten Kategorie "Brokerage-Angebot" konnten maximal 350 Punkte erzielt werden. Diese verteilen sich wie folgt auf die Unterkategorien: "Depoteröffnungen/Überweisungen" 52,5 Punkte; "Handelbare Wertpapiere" 75 Punkte; "Handelszeiten" 12,5 Punkte, "Wertpapiersparpläne" 87,5 Punkte, "Angebotene Börsenplätze" 26,25 Punkte; "Angebotene außerbörsliche Handelsplätze" 26,25 Punkte; "Orderfunktionalitäten" 52,5 Punkte; "(Alternative) Orderwege" 17,5 Punkte.

In der zweiten Kategorie "Kosten, Gebühren, Zinsen & Rabatte" waren maximal ebenfalls 350 Punkte möglich. Diese verteilen sich wie folgt auf die Unterkategorien: "Depotgebühren" 50 Punkte; "Ordergebühren" 210 Punkte; "Sonstige Kosten" 35 Punkte; "Zinsen & Verwahrentgelte" 50 Punkte; "Rabatte" 5 Punkte.

In der dritten Kategorie "Sicherheit & Steuer" waren maximal 250 Punkte möglich. Diese verteilen sich wie folgt auf die Unterkategorien: "Einlagensicherung & Aufsicht" 67 Punkte; "Order- & Kontensicherheit": 133 Punkte; "Steuer": 50 Punkte.

In der vierten Kategorie "Research & Information" waren maximal 50 Punkte möglich. Diese verteilen sich auf die Unterkategorien: "Research" 33,33 Punkte; "Sonstige Informationen" 16,67 Punkte.

Punktevergabe: Bei Antworten mit metrischem Skalenniveau wurden die Punkte grundsätzlich in Relation zu dem in diesem Punkt Besten vergeben. Liegt den Antworten kein metrisches Skalenniveau zugrunde, wurde je nach Antwort eine fixe Anzahl von Punkten vergeben.

Platzierung: Je mehr Punkte ein Anbieter in einer Kategorie erzielen konnte, desto besser seine Platzierung in dieser Kategorie. Anschließend wurden die Punkte in allen Kategorien zusammengezählt. Je mehr Punkte insgesamt, desto besser die jeweilige Gesamtplatzierung.

Benotung: Die Punkte wurden zudem in Noten umgerechnet. Lagen die Punkte maximal zehn Prozent unter der Punktzahl des Testbesten, also bei mindestens 90 Prozent der Punkte des Testbesten, wurde die Note "sehr gut +" vergeben. Lagen sie um maximal 20 Prozent darunter (also mindestens bei 80 Prozent), gab es die Note "sehr gut". Bei bis zu 30 Prozent niedrigeren Punktzahlen gab es die Note "gut". "Befriedigend" wurden Ergebnisse gewertet, die bis zu 40 Prozent niedriger lagen. Waren sie um bis zu 50 Prozent geringer, gab es "ausreichend". Als "mangelhaft" wurden Ergebnisse gewertet, die bis zu 75 Prozent niedriger waren als die des Testbesten. War die Punktzahl noch niedriger, gab es die Note "ungenügend".

Hier finden Sie die gesamte Tabelle der Neobroker