Leser fragen – die Redaktion antwortet Von Stefan Rullkötter

In der Ausgabe 4/2022 hatten Sie von einem jetzt beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren zu Aktienverkäufen berichtet. Die Richter prüfen derzeit, ob realisierte Verluste tatsächlich nur mit Gewinnen aus Aktiengeschäften verrechnet werden können. Mir wurde kürzlich per Steuerbescheid mitgeteilt, dass ich meine erlittenen Aktienverluste nicht mit Zinsen, Dividenden und anderen Kapitaleinkünften verrechnen darf. Muss ich dagegen noch Einspruch einlegen, um von einer möglicherweise steuerzahlerfreundlichen Entscheidung aus Karlsruhe zu profitieren?

Euro am Sonntag: Ein Einspruch ist ab sofort nicht mehr nötig. Einkommensteuerbescheide ergehen zu der Frage, ob die Verlustverrechnungsbeschränkung für Aktienveräußerungsverluste verfassungsgemäß ist, ab dem Veranlagungsjahr 2009 nun nur noch vorläufig. Dies geht aus einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 31. Januar 2022 hervor, mit dem der bisherige Vorläufigkeitskatalog entsprechend ergänzt wird (Gz. IV A3-S0338/19/10006:001). Damit reagiert die Finanzverwaltung auf ein neues Verfahren zur "konkreten Normenkontrolle", das beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist (Az. 2 BvL 3/21). Hintergrund: Der Bundesfinanzhof hält die begrenzten Verlustverrechnungsmöglichkeiten bei Aktien - Miese dürfen lediglich mit anderweitigen Aktiengewinnen, nicht aber mit Dividenden und Zinsen ausgeglichen werden - für verfassungswidrig und legte den Richtern in Karlsruhe einen Musterfall zur Entscheidung vor (Az. VIII R 11/18).

Geklagt hat ein Ehepaar aus Schleswig-Holstein, das bei der Veräußerung von Aktien 4.819 Euro Verluste erlitten hatte und diese in der Einkommensteuererklärung mit seinen anderweitig erzielten positiven Kapitaleinkünften (insgesamt 3.400 Euro) verrechnen wollte. Dies wurde vom zuständigen Finanzamt abgelehnt.