Die Sachsen-Metropole Leipzig entwickelt sich seit Jahren rasant. Das ließ die Preise fürs Wohnen kräftig steigen. Nun schwappt der Erfolg über nach Halle. Der Optimismus wächst in beiden Städten weiter. Von Gisela Haberer

Hippe, urbane Bewohner Leipzigs nennen ihre Stadt schon seit ein paar Jahren "Hypezig". Die am schnellsten wachsende Großstadt Deutschlands er­zwingt es sozusagen, die übliche Riege der „Big 7“ auf „Big 8“ zu erweitern. Nach Leipzig zieht es Studierende, Er­werbstätige, Aufbruchwillige. Kurz: alle, die Zukunft schaffen wollen. Die Zahl der Jobs wächst pro Jahr um 2,6 Prozent. Die Stadt bietet heute fast ein Drittel mehr Arbeitsplätze als noch vor zehn Jahren.

Der Arbeitsmarkt sichert dem Woh­nungsmarkt die hohe Nachfrage. Doch Wohnungen sind knapp. Empirica pro­gnostiziert Leipzig bis 2035 die stärkste Wohnungsknappheit aller deutschen Städte. Knappes Gut und hohe Nach­frage ergeben steigende Preise. Leipzigs Wohnimmobilien sollen im Schnitt pro Jahr um 2,1 Prozent teurer werden, er­ rechnete das Hamburgische Weltwirt­schaftsinstitut für den Postbank Wohn­atlas. Auf mehr kommen nur vier wei­tere Standorte in Deutschland.

Der Wermutstropfen: Die Haushalts­einkommen in Leipzig erlauben — noch — keine hohen Mieten. Die aktuel­len Angebote auf dem Portal Immowelt kommen auf eine Durchschnittsmiete von 7,40 Euro pro Quadratmeter. Das entspricht in etwa dem Schnitt, den das Statistische Bundesamt bundesweit für Kaltmieten angibt. Nur im Topsegment wird die Marke von zehn Euro gerissen, meldet das Portal Immoscout24. Ein Blick ins Archiv des Beratungsunter­nehmens Bulwiengesa bestätigt: In den vergangenen 25 Jahren stiegen die Mie­ten im Neubau und im Bestand jeweils um gerade mal rund 24 Prozent. In den letzten zehn Jahren haben sich die Kauf­ preise in allen Segmenten aber mindes­tens verdoppelt.

Dennoch sind Leipzigs Immobilien immer noch günstig. Der Quadratme­terpreis für Bestandswohnungen, den die Sparkassen am häufigsten erzielen, liegt bei 2360 Euro. Damit sind Bestands­immobilien in der achtgrößten Stadt Deutschlands preislich auf Landkreis­niveau. Vergangenen Juni beobachtete der Kreditvermittler Interhyp erste Preisrückgänge gegenüber dem Vorjahr, besonders ausgeprägt in München, Köln und Leipzig. Neubauwohnungen sind mit Quadratmeterpreisen zwischen 5800 und 6200 Euro allerdings auf dem Niveau von Köln und Hamburg. Und an Neubau hat Leipzig etliches zu bieten. 420000 Quadratmeter Wohnfläche sind in Planung, ermittelte Bulwiengesa. In den nächsten Jahren entstehen drei komplett neue Viertel: Auf 36 Hektar um den ehemaligen Bayerischen Bahnhof sind rund 1600 Mietwohnungen, drei Schulen, Kitas und ein sechs Hektar großer Stadtteilpark vorgesehen. Die Stadtbau AG vertreibt hier bereits erste Wohnungen. Der zweite Bauträger, die BUWOG, sieht sich im Zeitplan.

Im Löwitz Quartier, auf dessen 10,6 Hektar rund 550 Wohnungen (Miete und Eigentum) geplant sind sowie ein Hotel, Büros, Gastronomie, Einzelhandel und ein Gymnasium, erfolgte die erste Grundsteinlegung. Die 25 Hektar große Fläche des Quartiers Eutritzscher Freiladebahnhof wechselte allerdings bereits dreimal den Besitzer. Aktueller Eigentümer ist die Leipzig 416 Management GmbH. Derzeit werden Vorgaben für Wettbewerbe und Leitlinien für Gestaltung und Material diskutiert. Leipzig will die Tradition seiner gründerzeitlichen Wohnviertel mit innovativen Ansätzen wie einer Holzhybridbauweise in Einklang bringen.

Diese drei neuen Quartiere sind zwar die größten Vorhaben, aber nicht die einzigen. Weitere Projekte: die Parkstadt Dösen mit 600 Wohnungen, Kita und Nahversorgung des börsennotierten Projektentwicklers Instone Real Estate. Und die Erweiterung einer bereits zum Quartier Werk Motor sanierten ehemaligen Kaserne um 600 Wohnungen.

Halle, die Boomtown nebenan

„Hier passiert was", so wirbt der Halle-Saale-Kreis für seinen Strukturwandel: weg von der Kohle, hin zu Zukunftstechnologien. Die Region rief - und Coca-Cola, Dell, Deutsche Post, Ebay, Greatview, Relaxdays, Schaeffler und viele andere ließen sich im „Star Park" nahe dem Flughafen Leipzig/ Halle nieder. Den Weinberg Campus der naturwissenschaftlichen Institute der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg komplettieren Unternehmen der Bio-, Sensorik, Solar- und Nanobranche. Schon jetzt ist der Technologiepark der größte Mitteldeutschlands und unter den zehn größten bundesweit. Leipzigs kleine Schwester wächst. Seit 2010 um drei Prozent an Einwohnern, um sieben Prozent an Jobs. Die Arbeitslosigkeit ist zwar hoch. Aber sie sinkt stetig, prozentual so schnell wie in Berlin.

Da ist Wohnraum gefragt. Das Institut Empirica sieht die Händel-Stadt unter den deutschen Stadt- und Landkreisen mit höchster Nachfrage bis 2035. Rund 90000 Quadratmeter Wohnfläche sind derzeit in der Pipeline. Das größte Zukunftsprojekt ist die Konversion des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerks direkt am Hauptbahnhof. Auf den 20 Hektar soll „Halles neuer Osten" entstehen: 1500 Jobs mit Schwerpunkt Cybersicherheit und E-Business plus Kultur, Gastronomie und „smarten" Mehrfamilienhäusern.

Ebenso in Bahnhofsnähe will der Magdeburger Projektentwickler AOC ab nächstem Jahr Riebecks Gärten mit 330 Wohnungen bauen. Der Weinberg Campus bekommt auch einen Wohncampus. Die Stockwerke der rund 400 smarten Eigentums- und Mietwohnungen werden jeweils stufenförmig versetzt zu den,,Pyramiden von Halle".

Die Aktiengesellschaft Norsk Deutschland entwickelt gleich drei Projekte in Halle: die Neuen Höfe Tuchrähmen, ein Wohngeschäftshaus am ehemaligen Thüringer Bahnhof und das Gravo Areal am Reileck. Die Investoren reagieren auf die Marktdaten. Prozentual stiegen die Preise für Neubauwohnungen in Halle in den vergangenen zehn Jahren stärker als in sechs der sieben deutschen Metropolen.

Auch der Preis von Bestandswohnungen hat sich inzwischen mehr als verdreifacht. Dies mag auch am Basiseffekt liegen. Der häufigste Quadratmeterpreis, den die Sparkassen erzielten, lag vor zehn Jahren bei 700 Euro, jetzt bei 2250 Euro. Halle ist ein günstiges Pflaster - mit der höchsten Rendite. Das signalisiert Risiko. Der Postbank Wohnatlas prognostiziert nur geringe Wertsteigerungen bis 2035. Gehen alle Pläne für Halles Stadtentwicklung auf, muss das aber nicht so kommen. So wirbt schließlich die Homepage halle-invest- vision.de: „Halle (Saale) - die Bühne für Ihren Erfolg."