Liz Truss ist Großbritanniens neue Premierministerin. Mehr Klarheit über ihre Politik könnte das Pfund stärken. Von Julia Gross

Die Mitglieder der Konservativen Partei haben entschieden: Liz Truss tritt die Nachfolge von Boris Johnson an und ist britische Premierministerin. 

Einfach wird es nicht. Truss erbt von Johnson eine darniederliegende Wirtschaft, schreibt das „Wall Street Journal“. Rekordinflation, explodierende Energiekosten, Arbeitskräftemangel — Großbritannien leidet an allen bekannten europäischen Problemen, nur ist auf der Insel — nicht zuletzt bedingt durch den Brexit — alles noch ein bisschen schlimmer als auf dem Kontinent.

Dass die Tories für diese Herausforderungen jemanden ausgesucht haben, der sogar Boris Johnson noch an Wendehalsigkeit übertrifft, ist erstaunlich. Doch liegt darin auch eine Chance. Zwar hat sich Liz Truss im Wahlkampf vor allem bei Unternehmern und der Oberschicht mit dem Versprechen eingeschmeichelt, ihre Steuern zu senken. Doch damit wird es nicht getan sein, weder für Unternehmen noch für die Bevölkerung. Im Oktober werden die Energiekosten für Haushalte durchschnittlich um 80 Prozent steigen. Auch Firmen erwarten erhebliche Preissprünge.

Anders als Deutschland betreibt Großbritannien seit 2017 keine größeren Gasspeicher mehr und ist den Schwankungen somit noch unmittelbarer ausgesetzt. „Die Stagflationsrezession von 2022 und 2023 wird die Finanzen der privaten Haushalte hart treffen: Die reale Kaufkraft wird Ende 2023 voraussichtlich niedriger sein als 2007 vor der Finanzkrise. Man kann gar nicht gnug betonen, wie schmerzhaft das für die Wähler ist“, sagt Elliot Hentov, Leiter Macro Policy Research bei State Street Global Advisors.

Truss muss also handeln, wenn ihre Regierung Bestand haben soll. Ersten Berichten zufolge schnürt sie Entlastungspakete für britische Unternehmen und Haushalte, die Strom- und Heizrechnungen etwa auf dem aktuellen Stand einfrieren. Der Staat würde die Energieversorger dafür entschädigen. Das Programm für Haushalte könnte laut der Nachrichtenagentur Bloomberg bis zu 130 Milliarden Pfund, das für Firmen bis zu 67 Milliarden Pfund kosten. „Jede Klarheit, die die neue Premierministerin Liz Truss schaffen kann, und die ihrerseits ein gewisses Maß an Kontrolle über ihre politische Agenda demonstriert, wird wahrscheinlich ein positiver Treiber für das Pfund sein“, sagt Thilo Wolf, Deutschlandchef von BNY Mellon Investment Management. Wenn die Finanzierung dieser Summen schlüssig erscheine, werde dies die Währung wahrscheinlich stützen.

Anleger können mit dem dreifach gehebelten ETC WisdomTree Long GBP Short EUR (WKN A1H28K) auf eine Aufwertung des Pfunds zum Euro setzen. Die jährliche Gebühr beträgt 0,98 Prozent. Die Anlage ist riskant. Überzeugt der Plan zu den Milliardenpaketen im Detail nicht, kann die Stimmung schnell wieder drehen. State-Street-Experte Hentov glaubt, dass die Herausforderungen zu groß sind: „Truss wird wahrscheinlich die kürzeste Amtszeit aller Premierminister in den letzten 50 Jahren haben, bevor die Wahlen 2024 einen Regierungswechsel einleiten.“

Dieser Artikel erschien am 8. September in der Euro am Sonntag 36/2022. Werfen Sie hier einen Blick ins Heft.