Marktführer Binance macht einen Rückzieher und wird die weltweit viertgrößte Kryptobörse FTX nicht übernehmen, auch nicht teilweise. Der Crash von FTX wird ein Milliarden-Grab, vom Imageschaden für die Kryptobranche ganz zu schweigen. Viele sehr prominente Geldgeber und Investoren müssen ihre Einsätze sehr wahrscheinlich abschreiben.

Die Übernahme der taumelnden Kryptobörse FTX durch den Konkurrenten Binance ist gescheitert. "Wir haben entschieden, dass wir die potenzielle Akquisition nicht weiter verfolgen werden", teilte Binance – der weltgrößte Handelsplatz für Digitalwährungen wie Bitcoin – am Mittwochabend via Twitter mit. Grund seien unter anderem Medienberichte über Fehlverhalten im Umgang mit Kundengeldern und angebliche Ermittlungen von US-Behörden. FTX ist nach enormen Mittelabzügen in akute Liquiditätsnot geraten, eine Pleite ist kaum noch zu verhindern. Auf der Homepage der Kryptobörse heißt es: "FTX ist derzeit nicht in der Lage, Auszahlungen zu verarbeiten. Wir raten dringend von einer Einzahlung ab."

Kundengelder veruntreut?

Eigentlich wollte Binance den größten Teil des Geschäfts von FTX übernehmen. Allerdings handelte es sich zunächst nur um eine unverbindliche Absichtserklärung, wie Binance-Chef Changpeng Zhao (genannt CZ) betonte. Nach Beginn der Buchprüfung nahm Binance rasch wieder Abstand von dem Übernahmeplan. Nun hieß es: "Die Probleme bei FTX übersteigen unsere Möglichkeiten." Auch verwies Binance auf Medienberichte, wonach FTX Kundengelder veruntreut haben soll.

Nachdem öffentlich wurde, dass der zu FTX gehörige Hedgefonds Alameda Research auf FTT-Pump lebt (FTT ist der hauseigene Token), fiel das Kartenhaus in sich zusammen. Zhao spielt bei dem Hin und Her eine undurchsichtige Rolle. Am Sonntag hatte er selbst mit einem Tweet Zweifel an den Geldreserven von FTX verstärkt und die Kundenflucht dort befeuert.

Bloomberg schreibt am Donnerstag, dass FTX-Chef Sam Bankman-Fried kurzfristig vier Milliarden Dollar braucht, um zahlungsfähig zu bleiben und Rettungsfinanzierungen aufzubringen (siehe Tweet). Ansonsten sei eine Insolvenz der Kryptobörse nicht zu vermeiden.

Zhao und Bankman-Fried waren als Pioniere der Branche und Partner einst eng verbunden, entwickelten sich mit ihren Kryptobörsen dann aber zu Erzrivalen und überwarfen sich zuletzt wegen Regulierungsfragen. Sam Bankman-Fried steht nun vor den Trümmern seines FTX-Konzerns. Der 30-Jährige galt vor wenigen Monaten noch als milliardenschwerer Hoffnungsträger der Kryptobranche, der finanzschwachen Firmen unter die Arme greift. Zuletzt rief der FTX-Gründer Investoren zu einer “Notfinanzierung” auf. Das berichtete das Wall Street Jounal. Insgesamt acht Milliarden US-Dollar würden, “aufgrund von Auszahlungsanträgen”, fehlen.

Viele prominente Investoren gaben hohe Millionen-Beträge

FTX durchlief seit dem vergangenen Jahr mehrere Finanzierungsrunden, mit denen größere Investoren Beteiligungen an dem Unternehmen erwarben. Die letzte fand im Januar dieses Jahres statt. FTX sammelte da weitere 400 Millionen Dollar ein, was zu einer Bewertung von 32 Milliarden Dollar führte.

Unter den Investoren finden sich große, klangvolle Namen wie BlackRock, Softbank, Paradigm und Tiger Global. Einer der Geldgeber, Sequoia Capital, gab nun bekannt, dass man die Beteiligung in Höhe von gut 213 Millionen Dollar abschreiben werde. Es ist zu erwarten, dass weitere Investoren in Kürze ähnliche Ankündigungen machen werden. Branchenkenner Frank Chaparro zeigt bei Twitter, welche Investoren bei FTX engagiert sind.

Es waren aber nicht nur Risikokapitalgeber, die an dem Krypto-Hype mitverdienen wollten. Der drittgrößte Pensionsfonds Kanadas, der Ontario Teachers Pension Plan, stieg während einer Investmentrunde im Oktober 2021 bei FTX ein, legte im Januar 2022 nochmals nach. Wie viel der Rentenfonds für Lehrer in dieses Krypto-Abenteuer investierte, ist unbekannt.

Football-Star könnte Vermögen verlieren

Auch der unangefochtene Superstar der National Football League (NFL), Tom Brady, gehört zu den Betroffenen der FTX-Pleite. Bei einer Insolvenz von FTX könnte er bis zu 60 Millionen US-Dollar verloren haben, schreibt BTC-Echo. Der siebenfache Super-Bowl-Gewinner, mit den New England Patriots und den Tampa Bay Buccaneers, ist zusammen mit seiner noch-Ehefrau, dem Supermodel Giselle Bündchen, seit 2021 offizielle Werbefigur für FTX. Nun könnte der vielen Sport-Fans auch bekannt als "Goat" (Greatest of all Times) bekannte Quarterback abseits des Spielfeldes eine empfindliche finanzielle Niederlage erlitten haben.

Wie es für die Kunden von FTX jetzt weitergeht, ist unklar. Auch Binance hatte vor etwa drei Jahren in FTX investiert, doch im vergangenen Jahr kaufte FTX die Binance-Anteile auf. CZ erhielt im Gegenzug dafür unter anderem FTX-Token (FTT) im Wert von 530 Millionen Dollar, die er nun verkaufen wollte. Falls er sie noch hat, dürfte ein Verkauf schwer werden. Ein- und Auszahlungen über FTX sind derzeit nicht möglich. Und: FTT hat in den vergangenen sieben Tagen knapp 90 Prozent an Wert verloren.

Zu den größten Leidtragenden gehört auch Sam Bankman-Fried selbst. Anfang der Woche lag sein Vermögen laut Berechnungen von Bloomberg bei 15,6 Milliarden Dollar. Am Dienstagabend waren davon nur noch knapp einer Milliarde Dollar übrig – ein Minus von 94 Prozent. Damit habe der FTX-Chef schneller als jeder andere Milliardär vor ihm sein Vermögen wieder verloren, schreibt Bloomberg.

Unterdessen erschüttert die Schieflage der Handelsplattform den gesamten Kryptomarkt. Der Bitcoin-Kurs fiel in der Nacht zum Donnerstag zeitweise unter 16.000 Dollar auf das tiefste Niveau seit zwei Jahren. Am Mittag wird BTC nun bei 16.500 Dollar gesehen. Vor den ersten Berichten über Probleme bei FTX hatte der Bitcoin noch deutlich über 20.000 Dollar gelegen. Ethereum, die nach Marktkapitalisierung zweitgrößte Kryptowährung rutschte unter die 1.200-Dollar-Marke.

Größte Verluste muss das FTX-Token FTT verdauen. In den vergangenen sieben Tagen schrumpfte der Wert um fast 90 Prozent. In den Abwärtssog des FTX-Desasters gerät auch die beliebte Kryptowährung Solana. Grund: FTX hält eine hohe Anzahl an Solana-Coins, die möglicherweise verloren sind.

Hinweis auf Interessenkonflikte:  Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Bitcoin, Ethereum