Bei Rede in New York schließt der oberste US-Währungshüter weitere Zinsanhebungen nicht aus


Auf der mit Spannung erwarteten Rede vor dem Economic Club New York am Donnerstag hat sich Fed-Chef Jerome Powell alle Optionen für eine Zinsanhebung offengelassen. Eine weitere geldpolitische Straffung könne unter bestimmten Bedingungen erforderlich sein, sagte Powell und wiederholte damit eigentlich nur das, was er bisher gesagt hat: Dass weitere Schritte von der Datenlage abhingen.  Die Nachrichtenagentur Reuters interpretierte die Aussagen als Warnung: "US-Notenbankchef bereitet Finanzmärkte auf womöglich noch höhere Leitzinsen vor", lautete die Überschrift über dem Agenturtext. Powell sagte demzufolge, trotz stetiger Fortschritte bei der Senkung der Inflation sei diese noch zu hoch. Wenn es weitere Hinweise auf eine weiterhin starke Wirtschaft gebe oder Anzeichen, dass der Arbeitsmarkt sich nicht weiter abkühle, könnte die Fed mit einem strafferen Kurs reagieren.

Im Vorfeld der Rede von Powell hatten sich  die Signale zunächst gemehrt, dass die US-Notenbank Fed auf ihre kommenden Sitzung am 1. November die Zinsen nicht weiter anhebt. Zwei führende Fed-Direktoren hatten sich am Mittwoch für eine Zinspause ausgesprochen und empfohlen, die Wirtschaftslage und Inflationsentwicklung zunächst weiter zu beobachten. Bereits auf ihrer jüngsten Sitzung im September hatten die Währungshüter die Füße stillgehalten, hatten aber eine Anhebung um einen viertel Prozentpunkt noch in diesem Jahr offengelassen.

Auch die Erwartungen der Märkte haben sich zuletzt klar in Richtung Zinspause verfestigt: Dem Fedwatch-Tool der US-Derivatebörse CME zufolge, einem zuverlässigen Stimmungsindikator, rechnen mittlerweile 94 Prozent der Marktteilnehmer damit, dass die Fed auf ihrer nächsten Sitzung die Zinsen konstant lässt. Nur noch sechs Prozent gehen von einer Zinsanhebung aus. Vergangene Woche war die Relation noch 91 zu neun, und im September rechnete noch rund die Hälfte der Marktteilnehmer mit einer Zinsanhebung am 1. November.

Notenbank in der Zwickmühle


Die Fed versucht seit dem Frühjahr 2022 mit einem restriktiven Zinskurs und mehreren Zinsanhebungen in Folge die hohe Inflation einzudämmen. Dabei muss sie aber aufpassen, dass sie die Wirtschaftsaktivität nicht zu stark abbremst. Die Inflationsrate ist zwar wieder gesunken. Sie hat sich aber zuletzt im September auf einem Niveau von 3,7 Prozent eingependelt, das noch immer deutlich über dem Fed-Zielwert von zwei Prozent liegt. Auch die wirtschaftliche Aktivität in den USA stagnierte zuletzt, wie der am Mittwoch (18.10.) vorgelegte Konjunkturbericht („Beige Book“) der Fed signalisierte. Damit steckt die Fed mit ihrer Zinspolitik weiter in der Zwickmühle.

Zumindest scheint es aber innerhalb der Fed unterschiedliche Ansichten zu geben. Denn unmittelbar vor Powells Rede hatten zwei führende Fed-Direktoren für eine Zinspause plädiert. Fed-Direktor Christopher Waller sagte, man solle zunächst beobachten, wie sich die Wirtschaft entwickle, bevor weitere Schritte beim Leitzins unternommen würden. Fed-Direktor Patrick Harker warnte davor, dass höhere Zinsen die Wirtschaft ausbremsen könnten. Zunächst sollte man deshalb bis Anfang 2024 abwarten, ob sich die Inflation weiter abkühlt. In diesem Jahr findet nach dem 1. November eine weitere Fed-Sitzung am 13. Dezember statt.


Lesen Sie auch: Böses Omen für die Börse – Deswegen könnten deutsche Aktien jetzt nochmal 10 Prozent fallen