Die Inflationsrate ist in Deutschland im November auf 10,0 (Vormonat: 10,4) Prozent zurückgegangen. Ein "Silberstreif am Horizont", wie Experten melden. Von Wolfgang Ehrensberger

Nach dem Rekordwert des Vormonats (10,4 Prozent) ist die Preisteuerungsrate in Deutschland im November auf 10,0 Prozent zurückgegangen. Dafür machten Ökonomen jetzt vor allem fallende Preise bei Kraftstoffen und bei Rohöl verantwortlich.  Eine allgemeine Trendwende kommt darin nach Meinung führender Ökonomen noch nicht zum Ausdruck.  "Für Entwarnung ist es auch deshalb zu früh, weil viele Versorger für Januar deutlich höhere Strom- und Gaspreise angekündigt haben", sagte beispielsweise Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. "Erst ab dem Frühjahr dürfte die Inflationsrate deutlich sinken, aber nur weil dann die Gas- und Strompreisbremsen greifen und der Inflationsbeitrag des Öls nachlässt. Die unterliegende Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel dürfte 2023 jedoch hartnäckig hoch bleiben." Die meisten Ökonomen warnten in ersten Stellungnahmen davor, die Zahlen überzubewerten. Dennoch "Ein erster Silberstreif am Horizont", sagte Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg-Bank. 



Reallöhne fallen, Kaufkraft sinkt

Die hohe Inflation zehrt bereits seit Monaten an der Kaufkraft der Deutschen. Im dritten Quartal gingen die Reallöhne um 5,7 Prozent zurück - so stark wie noch nie seit Beginn der Berechnung 2008. "Auch 2023 ist damit zu rechnen, dass die Lohnsteigerungen nicht mit der Inflation mithalten können", sagte der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien. "Die Reallöhne werden deshalb weiter fallen." Abgemildert werde dies allerdings zum Teil durch staatliche Unterstützungen, etwa die Steuer- und Abgabenfreiheit für Sonderzahlungen, die nun in vielen Tarifabschlüssen genutzt werden. "Insgesamt dürfte so der Kaufkraftverlust zu einem deutlichen Teil abgefedert werden", sagte Dullien.



Fährt EZB jetzt moderateres Tempo bei Zinsanhebungen?

Die nachlassende Inflation hierzulande nimmt Druck von der Europäischen Zentralbank (EZB), weiter mit kräftigen Zinsschritten gegenzusteuern. Die nächste Sitzung des EZB-Rats findet am 15. Dezember statt. Erwarteten Experten zuletzt noch einen weiteren "Jumbo"-Schritt von 0,75 Prozentpunkten, so könnte jetzt von den meisten eine Anhebung um 0,5 Prozentpunkten als ausreichend betrachtet werden. Die EZB hat seit Juli die Schlüsselzinsen in rascher Abfolge drei Mal angehoben. Damit versucht sie den Preisdruck zu dämpfen, riskiert aber auch einen schärferen Verlauf der Rezession.