Etwa zwölf Jahre lang sind die Immobilien-Preise in Deutschland spürbar gestiegen. Nun scheint der Trend gebrochen. "Die Zeit der hohen Wertanstiege ist vorbei", sagte kürzlich Rolf Buch, Vorstandschef von Deutschlands größtem Immobilien-Konzern Vonovia. Die steigenden Zinsen lassen vor allem die Nachfrage nach Baudarlehen einbrechen. Bricht nun der Immobilien-Markt zusammen?

Noch im Herbst 2021 lagen die Bauzinsen für zehnjährige Standarddarlehen bei einem Prozent. Mittlerweile haben sie sich vervierfacht. "So einen Zinsanstieg gab es noch nie", sagte Berater Peter Barkow. Mit den rasant steigenden Hypotheken-Zinsen fällt die Nachfrage nach Baudarlehen dramatisch. Das Neugeschäft ist eingebrochen.

Massiver Rückgang von Baufinanzierungen

Die Beratungsfirma Barkow Consulting hat Daten der EZB beziehungsweise der Deutschen Bundesbank ausgewertet. Schon in den vergangenen Monaten hatte sich das Neugeschäft mit Baufinanzierungen wegen des Zinsanstiegs eingetrübt. Im August beschleunigte sich der Rückgang des Neugeschäfts zunächst auf minus 19 Prozent gegenüber Vorjahr. Im September ging es dann sogar um 28 Prozent abwärts – ein neuer Negativrekord seit Beginn der Daten-Aufzeichnungen.

Barkow Consulting
Neugeschäft mit Baufinanzierungen bricht so stark wie noch nie ein

Verunsicherung bei Immobilien-Interessenten

Mit einem Volumen von 16,1 Milliarden Euro liegt das Neugeschäft auf dem niedrigsten Stand seit 2014, so die Analyse. Barkow spricht von einem Rekordrückgang und einem sich beschleunigenden Abwärtstrend.

Auch Kreditvermittler berichteten in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur von viel Zurückhaltung bei Verbrauchern. "Mit den steigenden Zinsen haben viele Menschen neu kalkuliert, sind bei der Immobilie Kompromisse eingegangen oder haben vom Immobilienkauf vorerst Abstand genommen", hießt es etwa bei Interhyp.

"Über alle Kanäle hinweg reduziert sich aktuell die Nachfrage am Markt", sagte auch Michael Neumann, Vorstandschef bei Dr. Klein. Das Unternehmen Hüttig & Rompf beobachtet "definitiv eine deutliche Verunsicherung bei den Verbrauchern und Immobilien-Interessenten".

Hypotheken mit strengeren Anforderungen

Hinzu kommt, dass Banken wegen der hohen Inflation Anträge auf Immobilienkredite strenger prüfen – sie setzen zum Beispiel höhere Lebenshaltungskosten bei Verbrauchern an. Es gebe Interessenten, die sich eine Immobilie rein rechnerisch leisten könnten – angesichts von hoher Inflation und extremen Heizkosten warteten viele lieber ab.

Als wäre das nicht genug, macht Bauherren auch der starke Anstieg der Baupreise zu schaffen. Viele Wohnbauprojekte werden bereits abgesagt. Im September meldeten laut Ifo-Institut 16,7 Prozent der befragten Baufirmen stornierte Aufträge – deutlich mehr als im August. Mit den raueren Zeiten am Immobilienmarkt herrscht viel Nervosität, wie es weitergeht, nachdem die Preise jahrelang hochgeschossen waren.

Banken fürchten Geschäftseinbußen

Für deutsche Banken sind Baufinanzierungen ein sehr wichtiges Geschäft. Private Immobilien-Darlehen bilden mit rund 40 Prozent den größten Anteil in ihrem Kreditbuch. Nach Jahren des Booms lag der Bestand laut Barkow im September bei 1.555 Milliarden Euro.

Der Rückgang bei den Baufinanzierungen macht den Banken Sorgen. "Die Nachfrage ist von einem Tag auf den anderen eingebrochen. Viele Projekte im Planungsstadium werden storniert", sagte Sparkassen-Präsident Helmut Schleweis jüngst dem Handelsblatt. Und der Vizechef der Deutschen Bank, Karl von Rohr, geht davon aus, "dass das Immobiliengeschäft branchenweit nicht nur kurzfristig, sondern auf mittlere Sicht schwächer ausfallen wird".

Europace.de
Hauspreis-Index EPX von Europace zeigt deutlichen Rückgang der Immo-Preise in Deutschland in 2022.

Immobilienpreise fallen

Der Rückgang der Nachfrage nach Neubauten und Hauskäufen dürfte am Immobilienmarkt die Preise weiter drücken. Bereits in den vergangenen Monaten konnten zuvor hohe Preise nicht mehr durchgesetzt werden.

Mitte Oktober berichtete das das Immobilienportal Immowelt von einer eindeutigen Tendenz: In fast allen deutschen Großstädten gab es im dritten Quartal Preisabschläge bei Bestandswohnungen. Nachdem im zweiten Quartal bereits in sieben Städten sinkende Immobilienpreise beobachtet worden waren, ging es nun in zwölf der 14 größten deutschen Städten nach unten.

Ausblick

Der Rückgang der Immobilienpreise dürfte sich noch fortsetzen. Sobald die Hypothekenzinsen steigen, sinken die Hauspreise. Damit verbunden sind auch andere Makrovariablen. So verstärkt eine Rezession die Tendenz. Dennoch scheint die Wahrscheinlichkeit eines massiven Rückgangs der Immobilienpreise in begehrten Gebieten gering. Vermutlich werden die Preise tendenziell zwar weiter fallen, aber wohl nicht deutlich unter das Niveau von vor der Pandemie, hatte die UBS kürzlich mit ihrem jährlichen Ranking für den Immobilienmarkt prognostiziert.  (mit Material von dpa-AFX)