Nach den europäischen Behörden haben auch ihre US-amerikanischen Gegenüber die Inflationsdaten für den August veröffentlicht: + 8,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Experten hatten mit einem Wert von 8,1 Prozent gerechnet. Schon gestern hatte das Statistische Bundesamt die Inflationsrate für den abgelaufenen Sommermonat mit 7,9 Prozent beziffert. Im gesamten Euroraum lag sie laut Schätzung des statistischen Amtes der Europäischen Union, Eurostat, sogar bei 9,1 Prozent. Von Gregor Dolak 

Die Geldentwertung sowohl dies- als auch jenseits des Atlantiks nährt im Zusammenspiel mit der sinkenden Konsumlaune unter Verbrauchern und hohen Energiekosten die Gefahr einer globalen Rezession.

Im Interview mit „Börse Online“ hatte der Konjunkturexperte Guido Baldi vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin die erst kürzlich veröffentlichten Prognosen seines Hauses revidiert. Im Jahresdurchschnitt werde das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2022 zwar noch leicht wachsen. „Für 2023 bin ich weniger zuversichtlich“, sagt Baldi. In einem pessimistischen Szenario könne das BIP im nächsten Jahr sogar um 2 Prozent zurückgehen. Auf Jahre hinaus sieht Baldi niedriges oder gar negatives Wachstum für die deutsche Volkswirtschaft voraus.

Eurostat, US-Bureau of Labor

Inflation als wichtiges Kriterium für die Märkte

Auch der Konjunkturchef des Münchner Ifo-Instituts, Timo Wollmershäuser, korrigiert frühere Prognosen. Dabei liefert er mit 1,6 Prozent Wirtschaftswachstum für 2022 eigentlich noch eine eher optimistische Schätzung. Für die ersten Monate 2023 jedoch rechnet er mit Inflationsraten bis zu elf Prozent. Deutschlands Bürger würden damit soviel Kaufkraft wie noch nie verlieren, auch wenn sich die Inflation übers Jahr auf rund 9 Prozent einpendle. Deshalb drohe im nächsten Jahr auch nach seinen Berechnung negatives Wachstum: „Wir gehen in eine Winter-Rezession.“

Auch der Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Stefan Kooths, prognostiziert, dass die deutsche Wirtschaftsleistung nächstes Jahr schrumpft. Dabei hatten die Experten noch vor wenigen Monaten mit 3 Prozent Wachstum für 2022 und moderaten Pluswerten für 2023 kalkuliert.

Was die Fachleute bislang nicht befürchten: eine „tiefe Rezession“, also eine anhaltende, massive Talfahrt. Vielmehr erkennen manche Anzeichen dafür, dass sich die Energiepreise im Lauf des nächsten Jahres wieder normalisieren – und damit schrittweise auch die Kaufkraft zu den Verbrauchern zurückkehre. Laut Eurostat treiben derzeit hauptsächlich die Preise für Strom, Gas, Benzin die Inflation an. Im März waren sie im Euroraum um 44 Prozent gestiegen, in den darauf folgenden Monaten um zwischen 37 und 42 Prozent. Zum Vergleich: Lebensmittel verteuerten sich um zwischen 5 und 10 Prozent. Tendenz allerdings: steigend.

Die tendenziell sinkenden Inflationsdaten aus den USA können nun, so hoffen Analysten und Marktteilnehmer, den Druck auf die Notenbank Federal Reserve mindern, den Leitzins weiterhin stark zu erhöhen. Fed-Chef Jerome Powell hatte Ende August zwischen 3 und 3,5 Prozent bis Jahresende Leitzins als „moderat restriktives Niveau“ bezeichnet. Momentan liegt der Zinssatz in den USA zwischen 2,25 und 2,5 Prozent. Die Europäische Zentralbank hatte den Zins Anfang September angesichts der steigenden Inflation in einem historisch starken Schritt auf 1,25 Prozent erhöht.