Françoise Dammertz ist Rechtsanwältin und Expertin für Vermögensnachfolge. Im Interview klärt sie über Steuerfallen bei Immobilienübertragungen auf. Von Stefan Rullkötter

Boerse-online.de: Die Inflationsraten bleiben dauerhaft auf hohem Niveau. Drohen Erben und Beschenkten in Zukunft böse Überraschungen vom Fiskus?

Françoise Dammertz: Die Erbschaft- und Schenkungsteuerfreibeträge steigen nicht parallel zu den aktuell hohen Inflationsraten. Wird Immobilieneigentum in Metropolregionen übertragen, kann das wegen stark gestiegener Verkehrswerte mit erheblich Steuerfolgen belastet sein. Der Erbschaftsteuerfreibetrag für überlebende Ehegatten beispielsweise liegt bei 500 000 Euro, der Verkehrswert der übertragenen Immobilie liegt aber oft deutlich darüber.

Ist bei Erbschaften und Schenkungen auch wegen einer bald anstehenden Gesetzesänderung weiteres steuerliches Ungemach zu erwarten?
Der Gesetzgeber reagiert darauf, dass in Ballungsräumen die Immobilienpreise und auch die Bodenrichtwerte gestiegen. Dieser Trend wird sich im kommenden Jahr durch höhere Grundbesitzbewertungen fortsetzen. Deshalb  lohnt es sich, noch in diesem Jahr die Übertragung vorzunehmen.

Was ist hier im Detail für Immobilieneigentümer zu beachten?

Das geplante Jahressteuergesetz 2022 gibt weitere Indikatoren zur Erhöhung der Immobilienpreise vor: die Liegenschaftszinssätze werden gesenkt. Es
erfolgt ab 1. Januar 2023 eine Anpassung des Sachwerts über den Regionalfaktor, der von den Gutachterausschüssen entsprechend des Immobilienmarktberichts festgelegt wird.

Was ist für die beteiligten Angehörigen bei Steuerstrategien für die Vermögensnachfolge ratsam?

Man sollte frühzeitig mit der Umsetzung von Schenkungsplänen beginnen – und nicht bis ins hohe Alter mit der Übertragung von Eigentum warten.  Allein durch das mehrfache Ausnutzen der Schenkungsteuerfreibeträge alle zehn Jahre lassen sich im engsten Familienkreis signifikant Abgaben sparen.

Was empfehlen Sie Mandanten, wenn ein Mietshaus mit hohem Verkehrswert auf die nächste Generation übertragen werden soll, aber ansonsten kaum Geldvermögen vorhanden ist?
Im Einzelfall kann die Steuer bei Mietshäusern gestundet werden, wenn eine Bankenfinanzierung nicht möglich ist. Wenn die wertvolle Immobilie nur einem Ehegatten gehört, kann zunächst die Hälfte an den anderen übertragen werden. Dies führt zur Verdoppelung der Schenkungsteuerfreibeträge bei der Nachfolgegeneration und bringt den beteiligten Parteien somit Vorteile bei der Steuerprogression.

Gibt es hier noch weitere Möglichkeiten, um nicht unnötig Abgaben zu zahlen?

Die Bewertungsansätze der Finanzämter können auch durch niedrigere Kaufpreise innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Stichtag gesenkt werden. Gleiches gilt durch Vorlage von Gutachten von vereidigten Sachverständigen.

Sind bei Immobilienübertragungen auch Besonderheiten beim Pflichtteilsrecht zu berücksichtigt?

Grundsätzlich führen lebzeitige Übertragungen zur Reduzierung der Pflichtteilsansprüche. Denn der Pflichtteilsergänzungsanspruch schmilzt um 1/10 pro Jahr ab, je länger die Schenkung vor dem Erbfall erfolgte. Fand die Schenkung vor 10 Jahren vor dem Erbfall statt, lassen sich keine Rechte hieraus mehr ableiten. Es sind aber einige Fallstricke zu beachten: Denn Übertragungen an Ehegatten lösen immer Pflichtteilsergänzungsansprüche aus. Gleiches gilt für die Übertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt.

Haben Sie in dieser Konstellation für Verwandte in direkter Linie eine besondere Empfehlung?

Um Streit über Pflichtteilsansprüche und damit auch Liquiditätsentzug vorzubeugen, kann es für die beteiligten Angehörigen ratsam sein, Erb- und Pflichtteilsverzichte zu vereinbaren und eine Abfindung einzuplanen.

Zur Person:
Rechtsanwältin Françoise Dammertz ist Partnerin der Mazars Rechtsanwaltsgesellschaft und am Standort Berlin für den Bereich der Vermögens- und Unternehmensnachfolge verantwortlich. Als Fachanwältin für Steuerrecht berät sie bei der Vertrags- sowie Testamentsgestaltung, begleitet die steuerliche Deklaration sowie die Tätigkeit von Testamentsvollstreckern.

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