Ein neues Schreiben des Finanzministeriums öffnet ein Zeitfenster, um Verluste aus wertlos gewordenen Aktien uneingeschränkt mit anderweitig erzielten Börsengewinnen zu verrechnen. Diese Punkte sind wichtig

Der rechtliche Hintergrund:

Seit 2021 durften Anleger Verluste aus wertlos gewordenen Aktien  nur noch bis zur Höhe von 20 000 Euro jährlich – und zudem lediglich mit anderweitig erzielten Aktiengewinnen  – steuermindernd verrechnen.

Die Gesetzesänderung:

Das Jahressteuergesetz 2024 schafft  bessere Möglichkeiten für die Verlustverrechnung. Anleger, die mit Aktien Totalverluste erleiden, dürfen diese Miese  nun wieder in voller Höhe mit Erträgen aus Aktiengeschäften verrechnen – für einen bestimmten Zeitraum und unter gewissen Umständen auch mit anderen positiven Kapitaleinkünften. Der Bundesrat hatte im Jahressteuergesetz vom 22. November 2024 zugestimmt, dass eine komplette Aufhebung der begrenzten Verlustverrechnung bei Termingeschäften und Forderungsausfällen im Privatvermögen erfolgt. Die Änderung gilt für alle zu diesem Datum noch offenen Veranlagungen, nicht aber für damals schon rechtskräftige Steuerbescheide. 

Die neue Verordnung:

In einem kürzlich veröffentlichten neuen Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF, Gz.: IV C 1 - S 2252/00075/016/070), in dem Einzelfragen zur Abgeltungsteuer geregelt werden, ist die Randziffer 118 von besonderer Bedeutung für Anleger. Dort ist festgeschrieben,  dass Verluste aus dem wertlosen Verfall von Aktien grundsätzlich Verluste im Sinne des Paragrafen 20, Absatz 6, Satz 4 Einkommensteuergesetz (EstG) darstellen. Das bedeutet konkret: Derartige Miese dürfen wie alle anderen Verluste aus Aktiengeschäften nur mit anderweitigen Aktiengewinnen verrechnet werden, nicht aber mit Gewinnen aus dem Verkauf von anderen Wertpapieren.  Realisierte Verluste sind auf Folgejahre vortragbar, falls in dem betreffenden Veranlagungsjahr keine entsprechenden Gewinne erzielt wurden.


Die vorübergehende Ausnahme:

Bei wertlos verfallenen Aktien macht das BMF nun allerdings eine überraschende Ausnahme. Dabei sind die verschiedenen Verlustverrechnungstöpfe wichtig. In diese verbuchen Banken realisierte Miese ihrer Kunden mit unterschiedlichen Wertpapierarten. Im ersten Topf landen Verluste aus dem Verkauf von Aktien. In einem zweiten Topf werden Miese aus den meisten anderen Wertpapieranlagen, etwa gemanagte Fonds und ETFs, verbucht. In einen weiteren Verlustverrechnungstopf flossen bislang Totalverluste aus Aktien, Anleihen, Genussrechten und Darlehen. 

Den Depotbanken wird eine Frist bis Anfang 2026 eingeräumt, um ihre IT-Systeme anzupassen. Denn Totalverluste aus Aktiengeschäften sind in den Verlustverrechnungstopf für Aktien einzubuchen. Der Clou: Ordnet die Depotbank derartige Verluste bis zur Systemumstellung aus Vereinfachungsgründen dem Topf für "sonstige Verluste" zu, sollen Finanzämter dies auf Basis des neuen BMF-Schreibens vorübergehend akzeptieren. In dieser Konstellation  dürfen depotführende Stellen also de facto Verluste aus wertlos verfallenen Aktien mit sonstigen Kapitalerträgen verrechnen. Die Möglichkeit soll auch gelten, wenn Totalverluste mit Aktien via Einkommensteuererklärung deklariert werden. Ob aber die Ausnahme-Regelung bei allen zum Stichtag 22. November 2024 noch offenen Veranlagungen anwendbar ist? Dazu wird im BMF-Schreiben nicht explizit Stellung genommen.

Musterverfahren in Karlsruhe

Die Frage, ob es verfassungskonform ist, dass Aktienverluste nur mit Aktiengewinnen verrechnet werden dürfen, hat der Bundesfinanzhof dem Bundesverfassungsgericht bereits 2020 in einem Beschluss (Az. 2 BvL 3/21) zur Entscheidung vorgelegt. Alle noch zu erlassenden Steuerbescheide ab dem Veranlagungsjaahr 2009 (Einführung der Abgeltungsteuer) ergehen zu der Frage, ob die derzeit geltende Verrechnungsbeschränkung für Aktienverluste verfassungsgemäß ist, nur noch vorläufig. 


Lesen Sie weiter:

Dividende steuerfrei: Diese SDAX-Firma zahlt Ende Juni „brutto für netto“

Oder:

Neue Grundsteuer: Abgabenschock ist in diesen Bundesländern am größten