Die griechische Regierung hat nach dem Scheitern der Verhandlungen im Schuldenstreit den Kapitalverkehr stark eingeschränkt. Auf diese Weise soll ein Ansturm auf die Banken und ein Zusammenbruch des Finanzsystems verhindert werden, denn seit Monaten ziehen Unternehmen und Privatleute aus Sorge um den Verbleib des Landes in der Euro-Zone Milliarden von ihren Konten ab. Die EU-Kommission billigte am Montag die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen. Sie forderte allerdings, einen freien Kapitalverkehr so schnell wie möglich wieder herzustellen.



WAS VERSTEHT MAN UNTER KAPITALVERKEHRSKONTROLLEN?



Die Kontrolle von Kapitalströmen kann grundsätzlich in zwei Richtungen erfolgen: Einerseits können grenzüberschreitende Geldgeschäfte kontrolliert werden, die zu einem Ausbluten des Finanzsystems führen. Auf der anderen Seite kann sich ein Staat durch die Kontrolle der einfließenden Kapitalströme auch vor zu viel Geld und einer unerwünschten Aufwertung der eigenen Währung schützen. In beiden Fällen gibt es viele verschiedene Varianten: So können grenzüberschreitende Geldgeschäfte begrenzt, hoch besteuert oder im Extremfall verboten werden. Auch kann die Möglichkeit der Bürger eingeschränkt werden, über ihre Guthaben per Abhebung oder Überweisung zu verfügen. Hinzu kommen physische Grenz- und Zollkontrollen, um zu verhindern, das Bargeld in großem Stil in Koffern das Land verlässt.



SIND KAPITALVERKEHRSKONTROLLEN ERLAUBT?



Kapitalverkehrskontrollen sind in der EU eigentlich verboten. Das ist in Artikel 63 des Gesetzes zum Gemeinsamen Binnenmarkt geregelt. Allerdings gibt es keine Norm ohne Ausnahme. Die steht in Artikel 66: Demnach kann in außergewöhnlichen Situationen, "bei ernsten Schwierigkeiten in der Wirtschafts- und Geldpolitik", eine Ausnahme gemacht werden. Das Verfahren ist kompliziert, denn neben den Finanzministern müssen auch die Europäische Zentralbank und die EU-Kommission zustimmen. Vorgesehen ist, dass die Kontrollen für maximal sechs Monate eingeführt werden können.



WAS KOMMT NUN AUF DIE GRIECHEN ZU



Die Regierung in Athen hat unter anderem beschlossen, dass die Banken von Thessaloniki bis Kreta die ganze Woche bis zum kommenden Montag geschlossen bleiben. Alle Institute - einschließlich der Filialen ausländischer Banken - sind betroffen. Die Regierung kann diesen Zeitraum verkürzen oder verlängern. Die Geldautomaten sollen ab Montagnachmittag wieder funktionieren. Allerdings dürfen nur noch maximal 60 Euro pro Tag abgehoben werden. Auch diese Grenze kann verändert werden. Zahlungen via EC- oder Kreditkarte und auch Online-Überweisungen auf Konten innerhalb Griechenlands sind möglich. Untersagt sind aber alle Zahlungen und Geldtransfers auf Konten im Ausland. Ein spezieller Ausschuss soll Banktransaktionen genehmigen, die im öffentlichen Interesse liegen. Darunter könnten etwa Importe von Medikamenten fallen.



BEISPIELE AUSSERHALB DER WÄHRUNGSUNION



Der Internationale Währungsfonds und die westlichen Regierungen und Notenbanken sind eigentlich im Grundsatz gegen Beschränkungen des Kapitalverkehrs rund um den Globus. Tatsächlich gehörten Kapitalverkehrskontrollen in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Industrieländern der Vergangenheit an und waren ums finanzielle Überleben kämpfenden Entwicklungs- und Schwellenländern vorbehalten. Eine Renaissance erleben sie fast immer im Zusammenhang mit Schuldenkrisen. So etwa 1998 in Russland, während der Asienkrise oder in Argentinien 2000/01. In den vergangenen Jahren gingen im Zuge der expansiven Geldpolitik der US-Notenbank und der folgenden Geldschwemme viele Schwellenländer zu schärferen Kontrollen über, da ihre Währungen zum Dollar aufwerteten. Betroffen waren etwa Brasilien, Mexiko, Peru und Kolumbien. Island erließ im Spätherbst 2008 in Absprache mit dem IWF mit Kapitalverkehrskontrollen, um auf eine Geldflucht nach dem Zusammenbruch großer Banken des Landes zu reagieren.



EURO-VORBILD ZYPERN



In der Euro-Zone selbst führte Zypern 2013 Kapitalverkehrskontrollen ein - es war das erste Mal, dass ein Euro-Land solche Beschränkungen beschloss. Die zyprische Bankenbranche stand damals kurz vor dem Zusammenbruch. Nur mit internationalen Hilfen von rund zehn Milliarden Euro konnte der Mittelmeerstaat vor der Staatspleite bewahrt werden. Banken wurden damals für zwei Wochen geschlossen. Danach galt für Privatleute eine Grenze von 300 Euro pro Tag für Abhebungen. Für Geschäftstransaktionen im Volumen von mehr als 5000 Euro am Tag war eine Genehmigung der Zentralbank erforderlich. Zudem wurde das Kreditkarten-Limit im Ausland bei 5000 Euro im Monat gedeckelt. Reisende durften nicht mehr als 1000 Euro ausführen. Die Beschränkungen wurden danach schrittweise gelockert und vor kurzem aufgehoben. Zuletzt benötigten Firmen eine Genehmigung der Behörden für große Geldüberweisungen ins Ausland. Auch durften Reisende nicht mehr als 10.000 Euro außer Landes bringen.

Reuters